Ährenlese von Georg R. Brinke - Jahrgang 5, 6; 16-19 und 21
Mt 8,19.20 - Ein Seltener kommtMt 8,19.20 - Ein Seltener kommt
Hier kam einer von denen zum Herrn, die sonst nur Fehler an Ihm suchten, ein Schriftgelehrter, ein Weltweiser (1Kor 1,20). Diese Klasse haßte den Herrn, weil Er ihre eigene Gerechtigkeit als Heuchelei aufdeckte (Mt 23). Dieser in unserem Wort Genannte war durch Jesu Taten und Worte anderer Überzeugung (Joh 3,2). Jesu liebevolles Wesen, Seine trostreichen Worte, sowie die vielen Wunder, die Er tat, erweckten höchste Bewunderung und Begeisterung in ihm. Das veranlaßte ihn, sich dem Herrn zu nähern. Beachte:
Seine respektvolle Anrede. Er redet. Ihn mit Meister an. So nannte sich der Herr selbst (Joh 13,13). Der Herr kam von Kapernaum, wo Er viele Wunder getan hatte. Von diesen hörte der Schriftgelehrte. Er gehörte zu der kleinen Klasse, die, wie Nikodemus sagte: „Niemand kann die Zeichen tun, die du tust, es sei denn Gott mit ihm.“ Hätte er als Schriftgelehrter diesbezüglich die Schriften gelesen, so wäre er bald zu der Überzeugung gelangt, daß Jesus der Messias sein müsse.
Der Schriftgelehrte war sehr angesprochen vom Herrn, so daß er nicht begreifen konnte, daß seine Kollegen übel von ihm redeten. Er tat das Gegenteil, hingerissen vom Herrn, will er in Jesu Nachfolge treten. Die Begeisterung gehört auch zu solch einem Schritt, vor allem wenn sie in vollem Glauben mit Petrus ausruft: „Du bist der Christus, der Sohn des lebendigen Gottes!“ Doch Begeisterung allein genügt nicht. Alles, was der Schriftgelehrte am Herrn sah und von Ihm hörte, war verglichen mit den bloßen Formen Israels nur ein toter Körper.
Der Schriftgelehrte war auch bereit. Meister, ich will Dir folgen, obwohl er gar nicht wie z. B. Levi genötigt wurde. Er sah, wie der Herr das Schiff besteigen wollte und will die Gelegenheit nicht verpassen, Ihn anzureden. Wenn Jesus von Nazareth vorbei geht, müssen wir wie Bartimäus aufstehen und Ihm unser Anliegen vorbringen (Mk 10,47). Heute und nicht morgen ist die angenehme Zeit. Es darf nicht so sein, wie bei dem in Vers 21, der meinte, es gäbe zunächst Wichtigeres zu tun und die Jesusnachfolge an zweite Stelle setzte. Nein, zuerst das Reich Gottes. Zuerst „Ich und nachher Er“, führt zu keinem Ziel und Segen. Menschen dieser Gesinnung, kommen selten zurecht.
Seine Bereitschaft bedeutete die Schmach Christi tragen. Er kannte das Urteil und die bösen Gedanken seiner Kollegen und wußte, daß er ihrerseits nur mit Verachtung rechnen müsse. Ja mehr, ausgeschlossen zu werden (Joh 9,22).
Sein Entschluß war schrankenlos: „Ich will dir folgen wohin du gehst.“ Er hätte mit Petrus sagen können: Herr, ich bin bereit, mit Dir zu sterben. Solche Entschlüsse reißen jeden Evangelisten mit, aber bald folgt die Enttäuschung.
Zugleich war sein Entschluß berechtigt. Hatte der Schöpfer nicht ein Anrecht an ihn? Er meinte es gewiß so wie er es sagte, dachte aber nicht an die Folgen.
Die notwendige Prüfung. Sie war in dem Falle sehr nötig. Spontane Entschlüsse sind meistens unüberlegt. Er dachte nicht daran, was es aufzugeben galt; auf Gehalt zu verzichten, arm zu werden wie der Herr. Er sah im Augenblick nur die Wunder, die Jesus tat, wie Lahme hüpften, Stumme Loblieder sangen, Aussätzige rein wurden, Dämonen auf Sein Gebot hin ausfuhren, ja sogar daß Er Tote aufweckte. In großen Bewegungen unserer Zeit, da man vorgibt, alle Kranken zu heilen, strecken noch heute viele die Hand auf. Aber wie geht es morgen, wenn es gilt, sich mit dem Nächsten zu versöhnen, oder gestohlenes Gut zurückzugeben, oder seine Schulden zu bezahlen?
Der Entschluß des Schriftgelehrten war unüberlegt. Er vergaß, daß es galt, alles zu verlassen. Oder meinte er gar, daß Jesu Wunder ihren Unterhalt deckten, oder daß es in großen Zusammenkünften hohe Kollekten gäbe? Plötzlich hört er vom Herrn das Gegenteil.
Seinen Entschluß Jesu nachzufolgen, faßte er in eigener Kraft. Wollen hatte er, aber nicht das Vollbringen. Zugleich fehlte ihm jede Selbsterkenntnis. Wir hören von keiner Bitte um Sündenvergebung, noch um Kraft zur Nachfolge. Hier war kein Bekenntnis wie bei Petrus: Herr gehe von mir hinaus, denn ich bin ein sündiger Mensch. Oder leiteten ihn gar verborgene Beweggründe, daß er als Schriftgelehrter im Vergleich zu den Jüngern einen hohen Posten bekommen werde. Jesu Worte waren bei ihm unter die Dornen gefallen und konnten deshalb keine Frucht bringen.
Beachten wir des Herrn belehrende Erwiderung. Der Herr benützte ein Bild aus der Natur von Füchsen und Vögeln und deren Behausung und Nahrung. Aus diesem Vergleich merkte er etwas von Jesu Armut (2Kor 8,9). Beim Herrn gab es weder Bequemlichkeit noch Gehalt, sondern nur Entsagungen. Jesus Nachfolger lebten nur von freiwilligen Gaben (Lk 8,2). Es ist, als frage der Herr, bist du zu solcher Nachfolge bereit?
Der Ausgang dieser Begegnung. Der Gelehrte schweigt. Stieg er nun mit dem Herrn ins Boot, oder handelte er gleich wie Levi? (Lk 5,27.28.) Wie gegenteilig war Pauli Gesinnung, der auch ein Schriftgelehrter war (lies Phil 3,7 ff). Der Schriftgelehrte schaute nicht auf den großen Mose (Hehr. 11, 26). Er schaute auf die Dornenkrone, aber nicht auf die Lebenskrone. Er wollte nicht Freunde für den besten Freund aufgeben (Joh 19; 12).