Ährenlese von Georg R. Brinke - Jahrgang 5, 6; 16-19 und 21
Mk 12,41 ‑44 - Das Scherflein der WitweMk 12,41 ‑44 - Das Scherflein der Witwe
Nach den harten Worten, die der Herr mit den Pharisäern, Sadduzäern und Schriftgelehrten wechseln mußte, wirkte die Begebenheit der armen Witwe auf Ihn wie Sonnenschein auf Sturm. Jesus war nicht gekommen, um zu richten, sondern um zu retten (Joh 12,47) und zu segnen. Das tat Er auch hier. Es schmerzte Ihn gewiß mehr als die Hörer, so harte Worte sagen zu müssen. Durch die Handlung der Witwe aber wurde der Herr wie in den Himmel versetzt. Es braucht wenig, den Herrn zu erfreuen. Ein Herz voll Liebe und Dankbarkeit zu Ihm genügt.
Nach dem Urteil des Herrn brachte die Witwe ein größeres Opfer als
alle Tempelbesucher. Der Herr mißt mit einem andern Maß als wir
Menschen. Gott ist nicht ungerecht. Er vergißt nicht das Wenige, das aus
Liebe zu Ihm gegeben wird (Heb 6,10; Mt 25,40.45). Die Schrift
gedenkt des Opfers des Barnabas, der der armen Heiligen wegen sein Land
verkaufte. Ebenso gedenkt sie der Gaben des Kornelius (
Der Herr als Beobachter. Er saß dem Opferkasten gegenüber und beobachtete die Spender. Hanna sagt in ihrem Lobgesang: Der Herr wägt die Handlungen (1Sam 2). Vor Ihm sind aller Herzen und Gedanken offenbar (Hebt. 4, 13). Jesus sah die tiefe, edle Herzensliebe, die aus der Gabe dieser armen Witwe floß. Sie erfreute den Herrn mehr als die aller andern zusammen, weil sie aus einem überströmenden Herzen voll Liebe floß. Viele Gaben kamen aus dem Überfluß, waren also keine Opfer. Das sind Opfer, wenn wir auf das Nötige verzichten, wie die Witwe auf das Brot für den nächsten Tag. Die Witwe stimmt in Lk 15,31 ein: „Alles was mein ist, ist dein.“
Der rechte Beurteiler ist der Herr, der die Herzen
kennt. Halb verstohlen mag die Frau ihre Gabe eingelegt haben, damit sie
niemand beachte. Sie wird betrübt gewesen sein, nicht mehr geben zu
können. Der Herr aber sah sie ihren ganzen Besitz in den Gotteskasten
werfen. Darum sagt Er: Sie hat mehr getan als alle andern. Hier übersah
Er das Silber und Gold der Reichen, bestaunte aber das Kupfer der armen
Witwe. Dieser Maßstab gilt für jeden Dienst (2Kor 5,14;
Der erquickte Herr. So scharf die Herzenshärtigkeit der obersten Führer des Volkes in Sein Herz schnitt, so sehr erquickte Ihn die Herzensgesinnung und Liebe der armen, unbeachteten Frau. Seine Augen durchlaufen die ganze Erde und schauen nach denen, deren Herzen ungeteilt auf Ihn gerichtet sind (2Chr 16,9).
Die Witwe war eine alteinstehende Frau, für die kaum jemand sorgte. Hätte sie nur eine Münze gegeben, so wäre es die Hälfte ihres Besitzes gewesen, also immer noch mehr als die andern Tempelbesucher gaben. Im Heiligtum mag es ihr wie Asaph ergangen sein, indem sie sagte: Wenn ich nur dich habe (Ps 73. 25). Sie sah und hörte den, der reich war, aber um unseretwillen arm wurde, um viele reich zu machen (2Kor 8,9). Darum wohl das Dankopfer.
Gewiß wird Satan sie angefochten haben, als sie nichts mehr besaß; aber der Gott der Verheißungen genügte ihr. Euer Vater weiß was ihr bedürfet (Mt 6,8). Der Herr, der sie beobachtete, sorgte für sie. Bestimmt erlebte sie Psalm 23,1, denn der Herr war auch ihr Hirte.
Die Reichen. Hier stehen sich reich und arm gegenüber. Viele von ihnen waren reich an irdischen Gütern, aber nicht in Gott (Lk 12,20; Off 3,17). Manche legten viel von ihrem Überfloß ein, doch das ist kein Opfer. Das Wort gibt uns Anweisung über unsere Güter (1Kor 16,2; 1Tim 6,17-19).
Die Jünger. Warum wies sie der Herr auf diese Frau hin? Sie hatten doch auch alles verlassen um Seinetwillen. Leicht schleicht sich in uns der Gedanke des Elia ein: Ich bin allein übrig geblieben (1Kön 19,10). Ferner sollten sie vom Meister lernen auf das Geringe zu achten und nie nach der Größe eines Betrages zu urteilen, sondern auf die Gesinnung des Gebers. Die Belehrung galt auch den andern Gebern sowie den Pharisäern, die geizig waren (Lk 16,14). Der Herr nannte den Betrag der Witwe nicht. Er sagte nur, daß sie alles gegeben habe. Vgl. diese Frau mit jenem Reichen in Lukas 12. Achten wir darauf, was der Mann nach dem Herzen Gottes tat (1Chr 29,1-5). Gute Werke gleichen den Veilchen, die im Gras verborgen sind, aber ihren Duft abgeben. Sie gleichen den Gaben der Philippen die Paulos einen lieblichen Geruch, ein angenehmes, Gott wohlgefälliges Opfer nennt (Phil 4,18). Der Lohn dafür bleibt nicht aus. Denken wir auch au die kostbare Narde, mit der Maria den Herrn erfreute.
Die Jünger mögen die arme Witwe übersehen, andere geringschätzig auf sie geblickt haben. Der Herr aber stellte sie als Vorbild und Beispiel dar. Wir schauen oft auf Größe, Titel und Ruhm, der Herr aber blickt auf das Herz (1Sam 16,7). Schenken wir den Armen auch dieselbe Aufmerksamkeit wie den Reichen?