Ährenlese von Georg R. Brinke - Jahrgang 5, 6; 16-19 und 21
Mk 10,35 - Eine selbstsüchtige BitteMk 10,35 - Eine selbstsüchtige Bitte
Es kommt einem unfaßlich vor, daß auf die erneute soeben ausgesprochene Leidensverkündigung die eigenartige Bitte der beiden Jünger Johannes und Jakobus folgte. „Lehrer, wir wollen Dich bitten, daß Du uns tust, um was irgend wir Dich bitten werden“ . Der Herr, der ihre Gedanken kannte, stellte ihnen in Geduld dennoch die Frage: „Was wollt ihr?“
Was veranlaßte sie zunächst zu dieser Bitte? Der Glaube in die kommende Königsherrschaft Christi; doch zunächst erscheint sie uns anders. Wie konnten sie nur im Blick auf die schweren Leiden, die Jesus soeben über sich angekündigt hatte, aussprechen? 19 Lk 18,34 haben wir die Antwort. Sie verstanden nichts von diesen Dingen, es war ihnen verborgen. Sie vermochten also noch in keiner Weise die Weissagungen der Propheten über Jesu Weg und Seine Worte zu erfassen.
Des Herrn milde Antwort läßt uns noch anderes erkennen, daß nicht nur Geltungstrieb im Vordergrund stand, sondern mehr. Die vielen Zeichen und Wunder hatten den Jüngern die Augen geöffnet. Sie erkannten in Ihm den Messias, den Sohn Gottes, den kommenden König, der bald Sein Reich aufrichten werde (Mt 11,5; Lk 4,18). Darum hatten sie auch gar kein Gehör für Jesu Leiden. Obwohl Er noch in Niedrigkeit wandelte, erwarteten sie Seine baldige Krönung. Die Führer Israel lehnten den Herrn ab. Sie aber glaubten fest an Seine Königsherrschaft. Das Erlebnis, das die zwei Jünger auf Tabor machten, als sie den Herrn verklärt sahen, stärkte ihr Verlangen nach der Aufrichtung des Reiches. Zudem hatte ihnen Johannes der Täufer das kommende Reich verkündigt (Mt 3,2; 4,17; 10,7). Ja selbst die Volksmenge begrüßte Ihn als König.
Die Bitte der Jünger bestand sowohl aus lobenswerten und tadelnden
Motiven. In ihrem Gold war noch viel Schlacke, die ausgeschieden werden
mußte. Doch das Austeilen von Thronen ist Sache des Vaters (Eph 4,11).
Streben ist gut, das lehrt 1. Korinther 9,24-27 sowie
Die Frage des Herrn: Könnt ihr den Kelch, der oft Leiden bedeutet, trinken (V. 38), es war des Vaters Wille (Ps 75,8; Jer: 25, 15; Jes 51,22; Mt 26,42; Joh 4,34). Die Taufe spricht mehr von den Leiden durch Menschenhände, ein gewaltsames Ersäufen. Der Kelch weist mehr auf Seine inneren Leiden hin, ein In‑sich‑Aufnehmen. Beide zusammen sind das Bild Seiner unbeschreiblichen Qualen, die Er erdulden mußte.
Die Antwort der Jünger. Ohne weitere Überlegung sagten sie, daß sie das könnten. Daraus erkennen wir deutlich, wie unüberlegt ihre Bitte war. Gewiß hätten sie anders geantwortet, wenn sie die Tragweite ihrer Wünsche erkannt hätten. Wir lesen öfters in der Apostelgeschichte, was die Apostel erduldet haben, ja, daß sie sich freuten, würdig erfunden zu sein, um Jesu willen zu leiden. Wiederholt warf man sie ins Gefängnis, und sie erlitten den Märtyrertod. Stephanus wurde gesteinigt. Man lese vor allem 2. Korinther 11, was Paulus gelitten hat. Sie alle tranken den Kelch und erlitten die Taufe.
Die Bestätigung des Herrn. Ihr freiwilliges Ja beantwortete der Herr mit der Voraussage ihrer kommenden Leiden um Seines Namens willen. „Den Kelch, den ich trinke, werdet ihr trinken und mit der Taufe, mit der ich getauft werde, werdet ihr getauft werden.“ Beide baten den Herrn um den Thron, und der Herr mußte ihnen zuvor schwerste Leiden ankündigen. Aber auch für sie kam der Tag, da sie mit Paulus sagen durften: „Hinfort ist mir beigelegt die Krone der Gerechtigkeit“ (2Tim 4,9). Die Apostelgeschichte aber sagt uns vieles über ihre Leiden. Jakobus wurde getötet, und Johannes schmachtete in der Verbannung. Hier haben wir einen Grund, warum viele Gebete nicht erhört werden: weil sie nicht nach Seinem Willen bitten (1Joh 3,22). Der Jünger Bitte konnte unmöglich im wörtlichen Sinne erhört werden, weil sie übel baten (Jak 4,3).
Der Beurteiler ihrer Bitte. «Das Sitzen zu meiner
Rechten steht nicht mir zu, sondern ist für die, welchen es der Vater
bereitet hat» (Mt 20,23). Paulus schreibt vom Herrn: „Darum hat Gott
Ihn hoch erhoben.“ Warum? „Weil Er sich selbst erniedrigte und war
gehorsam bis zum Tode am Kreuz“ (Phil 2,5.8). Das gilt auch den
Seinen. Je mehr sie sich selbst erniedrigten und für Ihn freiwillig
litten, desto größer wird der Lohn sein (1Pet 5,6;
Die Wirkung auf die zehn anderen Jünger. Sie waren grundlos entrüstet über ihre Brüder, denn kurz zuvor stritten sie darüber, wer wohl der Erste unter ihnen sei. Das Streben nach Größe und Ansehen ist bis heute noch die Ursache zu Zank, Streit, Mißgunst und Neid. Wie ganz anders wäre es, wenn alle über Hebräer 12,3 nachdächten: Betrachtet den, der so großen Widerspruch von den Sündern gegen sich erduldet hat, dann hörte aller Hochmut auf.
Jesu Beispiel (V. 45). Der Herr trug keinerlei äußere Zeichen Seiner Königswürde. Er war aller Diener. Man denke an die Fußwaschung (Joh 13 15). Er war der erste, der ihnen im Leiden voranging, aber auch der erste, der auf des Vaters Thron erhoben worden ist. Der Weg zum Thron führt über Golgatha (Lk 24,26). Das ist auch der Weg der Seinen (2Tim 2,12; Röm 8,17; Heb 13,13).