Schriften von Georg R. Brinke
Betrachtungen überdas Kreuz von Golgatha
Joh 12,27-28 - Der Schrecken des Kreuzes
Die unaussprechlichen Schrecken dieser StundeDie unaussprechlichen Schrecken dieser Stunde
a) Die leiblichen Qualen. Jesus selbst hatte zuvor von ihnen geredet (Mt 20,19). Er kannte auch die vielen Weissagungen auf diese Stunde hin (Ps 22,69; Jes 53). Die klaffenden Nägelmale, der schreckliche Durst in heißester Sonnenglut mußten tief erschütternd auf Ihn einwirken, aber Er war gehorsam. Das war jene Taufe, vor der Ihm bangte, jene grausame, ersäufende Flut ( Lk 12,50 ) . b) Die Seelenqualen. Der Herr hatte Worte wie Ps 22, Jes 53 oder jene Geschichte der zwei Böcke in 3. Mose 16 studiert. Er wußte, daß Er das geschlachtete Lamm sein werde, daß Er erhöht werde von der Erde, zugleich auch in ihre Tiefen gelegt werde und wie ein Weizenkorn sterben müsse. Nun steht Er vor dieser Stunde und fragt sich: „Soll dies wirklich der Wille des Vaters sein?“ und schreit: „Vater, rette mich“ (Joh 12,27). c) Zu alledem kam die Arbeit Seiner Seele (Jes 53,10.11). Hier war also weit mehr als leibliche Qual. Hier war Bangigkeit, ein bitterer Kelch, also noch mehr als jene Taufe. Der Schritt, den Er nun ging, sollte Ihn von Gott trennen und in tiefste Finsternis treiben. Unsere Sünde verwüstete so den Schönsten unter den Menschenkindern. Erst wurde Er eine mit uns, indem Er Knechtsgestalt annahm, nun wurde Er es noch im Gericht, indem Er unsere Sünde auf sich nahm. Dort wird der Herr die Sünde angeblickt haben wie kam zuvor, und überaus tiefes Scham‑ und Bußgefühl muß unseren Stellvertreter erfaßt haben; denn mit einer Riesenschuld erschien Er vor dem alleinheiligen Gott. Für den, Sündlosen mußte das zermürbende Qual sein. d) Die Einsamkeit. Einsamkeit kann verschieden sein, oft sogar sehr erwünscht. Wie liebte sie der Herr und wie liebt sie der wahre Gläubige. Etliche sind von Natur zur Einsamkeit geneigt, sie lieben die Gesellschaft nicht. Es gibt auch jenes Sich‑einsam-Fühlen wie bei Elias: „Ich bin allein übrig geblieben.“ Anders war es mit der Einsamkeit des Herrn in jener furchtbaren Stunde. Der Herr wußte schon vor jener Stunde, daß Ihn alle verlassen werden. Er wußte, daß viele Hosiannarufer „kreuzige Ihn“ schreien werden. Viele hatten Ihn schon früher verlassen (Joh 6,66), auch war eben Judas ausgefallen und Petrus sollte auch bald völlig versagen. Schließlich werden alle fliehen und Ihn allein lassen. Beim Abendmahl übernimmt Ihn das Wort in Sach 13,7, daß sie den Hirten schlagen und die Schafe zerstreuen werden. Drei Seiner Vertrautesten nahm Er noch zum Gebetskampf mit, aber sie schliefen, während ihr Herr mit dem Tode rang. Allein stand Jesus vor dem Hohenpriester, vor Pilatus und Herodes. Allein durchschritt Er jene Via Dolorosa. Ein unwilliger Fremdling mußte sein Kreuz tragen. Da war kein Petrus, kein Johannes, um Ihm die schwere Last abzunehmen. Er mußte die Weinpresse allein treten. Ein bitterer Tropfen Seiner Leiden hieß „Einsamkeit“.