Viel Schmerz und Herzeleid hätte Jakob sich ersparen können, wenn er ohne Verzug auf den ersten Ruf, nach Bethel zurückzukehren, eingegangen wäre. Das ist wohl leider unser aller Erfahrung: erst hinterdrein sieht man, daß Gottes Weg, wenn er uns zunächst auch hart erscheint, stets zu unserem Besten führt. Endlich aber hatte Jakob doch die große Reise mit aller Energie und Umsicht vorbereitet. Er ging natürlich nicht allein nach Bethel, sondern nahm die ganze Familie mit. Dieser gab er gut durchdachte Weisungen, so wie das schon sein Großvater Abraham getan hatte (1. Mose 18,19).
Ein erster Segen. Ganzer Gehorsam führt stets zu Segnungen. Die fremden Götter waren begraben, die unreinen Kleider gewechselt. Gott kann nun die Familienglieder als neue Menschen betrachten. Die erste Folge war die, daß der Schrecken Gottes auf die bisherige Umgebung fiel. Jakob hatte mit Recht auf einen Gegenangriff der Bewohner der Umgegend von Sichern gerechnet, nachdem seine Söhne ein so schweres Blutbad angerichtet hatten. Nun aber erfolgte seine Weiterreise unter dem Schutz Gottes. Engel Gottes begleiteten ihn. Der Gott, der mit einem Laban fertiggeworden war und Esau ein anderes Herz gegeben hatte, hatte Mittel und Wege genug, den Kanaanitern zu begegnen. Er erfüllte sie mit Seinem Schrecken. Wenn unsere Wege Gott wohlgefallen, macht Er unsere Feinde zufrieden (vgl. Spr 16,7). Nur im Gehorsam erfahren wir die ganze Kraft Gottes in unserem Leben.
Die Ankunft in Bethel. Was mag wohl Jakob im Blick auf seine große Familie und die zahlreichen Herden gefühlt haben, als er in Bethel ankam? Hier hatte er einst als armer Flüchtling nur mit einem Stabe in der Hand übernachtet, und nun kehrte er als ein reicher Mann zurück. Er sah nun, wie treu Gott Seine Verheißung, die Er von der Leiter herab zu ihm gesprochen, erfüllt hatte. Damals war er ganz allein, heute kam er an der Spitze eines großen Zuges. Zurückblickend sah er die lückenlose Treue Gottes einerseits und seine Zickzackwege und vielfache Untreue anderseits. Scham und Buße werden sein Herz erfüllt haben. Hier mag er mit noch größerem Ernst sein Gebet wiederholt haben (vgl. Kap. 32,10).
Dürfen wir uns etwa rühmen im Rückblick auf unsere Nachfolge in Jesu Fußstapfen? Nein, gewiß nicht. Zumal wir den Herrn ganz anders erfahren haben als seinerzeit Jakob, der Ihn nur von der Leiter her kannte. Wir kennen Ihn aber vom Kreuz her, ja weit mehr noch: vom Himmel her hat Er uns zugerufen: „Siehe, Ich komme bald!“
War nicht bei vielen Gotteskindern das erste Erlebnis mit Gott noch herrlicher als das des Jakob, und haben nicht auch wir ebenso wie er gelobt: „Dieser Gott soll mein Gott sein?“ Anstatt mit ganzer Dankbarkeit diesem Gott zu dienen und unsere Gelübde zu erfüllen, jagen viele genauso wie damals Jakob nur irdischen Interessen nach. Laßt uns wie Jakob mit ganzem Herzen zurückkehren, zurück zur ersten Liebe! Der Herr wartet auf uns. Er sehnt sich nach Gemeinschaft mit allen denen, die Er mit Seinem teuren Blut erkauft hat. Oder wollen wir gar erst vor Seinem Richterstuhl noch mit Götzen und unreinen Kleidern erscheinen? Wie Gott Jakob keinerlei Vorwürfe machte, so auch uns nicht, kommen wir nur so, wie wir sind, und das bald!
Ein neuer Altar. Kaum war Jakob in Bethel angekommen, baute er dem Gott, der ihm am Tage der Drangsal erschienen war, einen Altar. Gott erwartet mit Recht Dank von Seinen Kindern, die Er gerettet hat. Denken wir an die zehn Aussätzigen und an des Herrn Frage: „Wo sind aber die neun?“ (Lk 17,17). Jakob erweiterte den Namen des Ortes. Erst nannte er ihn Bethel: „Haus Gottes“, nun aber El Bethel, d. h. „Gott des Hauses Gottes“. Er setzte also Gott an die erste und letzte Stelle in seinem weiteren Leben. Das war Wachstum und Fortschritt im Glaubensleben. Gott war ihm Alpha und Omega geworden, Anfang und Ende. Nachdem Jakob endlich gehorsam zurückgekehrt war und den versprochenen Altar gebaut hatte, erschien ihm der Herr aufs neue. Sein Handeln soll uns zur Nachahmung reizen, dann werden auch wir Anbeter Gottes sein und Seine Sehnsucht erfüllen, die Er in Joh 4,23 ausspricht: „Der Vater sucht Anbeter.“
Eine neue Offenbarung. In Vers 1 hatte Gott Jakob bereits zur Rückkehr nach Bethel aufgefordert, aber warum hat Er ihm nicht damals schon gesagt, was Er ihm in dieser neuen Offenbarung (Vers 10 ff) mitteilt? Neue Segnungen gibt es nur auf dem Boden der Absonderung vom Alten. Nur in Bethel, dem Hause Gottes, kann die Kraft Gottes erfahren werden und nicht in Sichem, der Stätte der Sünde. Hier war es keine Vision, kein Traum in der Nacht, wie das erste Mal in Bethel, hier fand auch kein Kampf statt in der Dunkelheit der Nacht wie in Pniel, sondern hier erlebte Jakob eine Offenbarung wie nie zuvor. Achten wir darauf, was Gott ihm sagte. „Dein Name soll Israel heißen" (Vers 10). Das hatte Gott ihm schon in Kapitel 32 gesagt, hier wird es ihm aber neu bestätigt. Das war auch eine besondere Ermunterung, denn viel fleischliches Handeln war vorausgegangen. Aber Gottes Gnade war und blieb unverändert. Dieser neue Name „Israel“ bot Jakob neue Sicherheit und versprach ein Siegesleben über alle Hindernisse hinweg. „Ich bin Gott, der Allmächtige." Hier gelangte Jakob zu einer ganz neuen Erkenntnis, denn als der Allmächtige war Gott ihm noch nicht erschienen. In Kapitel 17 hatte sich Gott Abraham als der Allmächtige geoffenbart, und wir erinnern uns an die reichen Folgen jener Offenbarung und Verheißung, daß Gott ihm eine zahlreiche Nachkommenschaft geben werde, ihm, dem Kinderlosen, und als neue Heimat das Land Kanaan. Jene Worte an Abraham haben sich sichtbar erfüllt. Hier stand nun Jakob mit zwölf Söhnen und einer Tochter vor dem Allmächtigen (Vers 23-26). Einige Jahre später waren es schon siebzig Seelen, mit denen Jakob nach Ägypten zog. Von dieser Zeit an nahm Jakobs Familie sprunghaft zu, bis sie sich nach 2. Mose 1 zu einem großen und gefürchteten Volk entwickelt hatte. Es ist besondere Gnade, wenn wir Gott als den Allmächtigen kennenlernen dürfen, nicht nur als den Gott der Liebe oder aller Gnade, und Seine uneingeschränkte Macht und Kraft erfahren. Vergessen wir aber nie, wann dies bei Jakob geschah: nämlich nach seiner Reinigung, nach der Beseitigung der Götzen und alles sonstigen Unflats (Vers 2- 4; 2Kor 7,1). „Dir will ich das Land geben“ (Vers 12). Gott wiederholte nochmals die bereits den Vätern gegebene Verheißung. Also zweierlei wurde Jakob zugesichert: daß er eine zahlreiche Nation sein und daß er das herrliche Land geschenkt bekommen werde. Kurz zuvor hatte Jakob Land gekauft, aber hier schenkte es ihm Gott. Diesen Fehler macht Gottes Volk vielfach: es wirkt in eigener Kraft, anstatt die Verheißung im Glauben dankbar anzunehmen.
Ein herrlicher Abschluß. „Und Gott fuhr von ihm auf an dem Orte, wo Er mit ihm geredet hatte“ (Vers 13). Bis dahin kannte Jakob den Herrn nur aus Träumen und Visionen und durch Engel in Menschengestalt, hier aber lernt er Ihn in einer bis dahin unbekannten Weise kennen. Das muß in diesem Falle wohl eine sichtbare Erscheinung Gottes gewesen sein, etwa wie einst bei seinem Großvater Abraham, als ihm der „Gott der Herrlichkeit“ erschien (Apg 7,2). Es lohnt sich immer, sich von den Göttern zu trennen, sich von jeder erkannten Unreinheit zu reinigen und zurückzukehren nach Bethel. Lange stehen wir uns selbst im Wege, bevor wir Gott als den Allmächtigen erkennen und Seine Segnungen erlangen.
Wahre Dankbarkeit. Wir sahen, wie Jakob bei seiner Rückkehr dem Herrn einen Altar baute im Andenken an das, was vor dreißig Jahren geschehen war, als er auszog und Gott erlebte. Nachdem sich nun dieser gleiche treue Gott trotz Jakobs vieler Mängel und Untreue neu offenbarte und ihm so gewisse Zusicherungen gab, spendete Jakob ihm ein Trankopfer und goß Öl darauf. Hier wird das erste Trankopfer genannt.
Jakob errichtete ein wahres Eben Ezer: „Stein der Hilfe“ (vgl. 1Sam 7,12). Er erfüllt sein Gelübde, das er dreißig Jahre zuvor an gleicher Stelle gegeben hatte. Zum Trankopfer gehörten Wein und ö1 als zwei liebliche Symbole. Wein, das Symbol der Freude (Ps 104,15), und Öl, das Symbol des Heiligen Geistes. Nach neuen Offenbarungen Gottes fehlt es nie an der Freude am Herrn und an der Kraft des Heiligen Geistes, und auch nie an den wahren Dankopfern (Röm 12,1).