Schriften von Georg R. Brinke
Die Weltreiche im Lichte der Prophetie
Dan 9,27 - Die siebzigste WocheDan 9,27 - Die siebzigste Woche
Neunundsechzig der angedrohten Gerichtswochen sind erfüllt; nun wollen wir die siebzigste kurz miteinander betrachten. Sie interessiert uns begreiflicherweise sehr. Wir sahen das lückenlose Eintreffen der zwei vorhergehenden Perioden, und so genau wird sich auch die dritte, die letzte erfüllen. Außerdem glauben wir, daß wir kurz vor Beginn der letzten Jahrwoche stehen. Im Buche Daniel haben wir die W e i s s a g u n g über die letzte Woche, und in der Offenbarung Johannes wird uns in den Kapiteln 9-19 ihre E r f ü 11 u n g bis in die Einzelheiten kundgetan. Wir verweilen aber hauptsächlich beim Buche Daniel und fragen uns:
Wer ist der Fürst, der mit Israel einen Bund macht? Kein anderer als das kleine Horn, d. i. der Antichrist. Drei Fürsten werden im 9. Kapitel erwähnt:
1. Der Fürst Messias, Jesus, uns allen wohlbekannt, zog am Ende der neunundsechzigsten Woche als Israels König in Jerusalem ein; wurde jedoch von Israel nicht anerkannt.
2. Ein kommender Fürst und sein Volk, der den Tempel und die Stadt zerstört. Das ist im Jahre 70 durch Titus resp. Seine Heere geschehen. Es ist also nicht Antiochus, denn er hat den Tempel nicht zerstört.
3. Der Fürst, gekennzeichnet als der Verwüster, mit dem wir es hier zu tun haben, ist wiederum das „kleine Horn“; auch „Tier“, „Antichrist“, und „Mensch der Sünde“ genannt. Es sei also deutlich darauf hingewiesen, daß der eben erwähnte Fürst, der mit den Juden einen Bund machen wird, nicht etwa Christus, der Sohn Gottes ist, sondern jener falsche Christus, der Schein-Christus. Der wahre Christus, der Sohn Gottes, hat nicht einen siebenjährigen, sondern einen ewigen Bund mit Israel gemacht, den Er auch unter allen Umständen halten wird. Der Fürst, der also dann die Weltmacht hat, und auch Palästina beherrscht, ist der letzte König der Weltreiche. Mit ihm gehen für immer die Zeiten der Nationen zu Ende. Und obwohl dieser Fürst (Tier) aus dem Völkermeer aufsteigt, so ist trotzdem anzunehmen, daß er ein Jude sein muß. Und wenn auch Israel gegenwärtig sehr verblendet ist, so geht die Verblendung doch kaum so weit, daß es einen Messias aufnehmen, über gar einen Bund mit ihm machen würde, wenn dieser nicht aus den Juden käme. Wenn außerdem Daniel in Verbindung mit ihm, als von dem „Gott der Väter“ redet, so geht daraus seine jüdische Abstammung hervor; denn Daniel versteht unter den Vätern: die Erzväter, die Patriarchen (Dan 2,23). CS gottlos und furchtbar eine Regierung auch sein mag, so bleibt das Wort des Apostels dennoch stehen: „Jede Obrigkeit ist von Gott verordnet“, und erfüllt ein Stück des Planes Gottes mit den Nationen. Paulus schrieb dieses Wort unter der Regierung Neros, jenes grausamen Christenverfolgers. So ist auch der letzte schreckliche Weltherrscher im Plane Gottes; er macht das Maß der Sünde voll und somit auch die Welt reif für ihr endgültiges Gericht. Im Mittelpunkt der großen Geschehnisse steht aber das Volk Israel, das Gott in der Jetztzeit durch die Nationen richtet. Die Vollstrecker der Gottesgerichte an Israel mögen sogar ganz in Unkenntnis der göttlichen Gedanken handeln und doch wie Nebukadnezar von Gott „Mein Knecht“ genannt werden (Jer 25,9). Wir erfahren aber aus der Schrift, daß sowohl Nebukadnezar als auch andere gerichtet wurden, wenn sie das göttlich zugebachte Maß der Züchtigung an Israel überschritten hatten. Es ist ein großer Unterschied zwischen Züchtigung und Ermordung Israels. Gott suchte je und je die Völker schwer heim, die die Ausrottung der Juden planten oder gar daran waren, sie auszuführen.
Mit wem schließt der Fürst einen Bund? Mit Israel, das nichts anderes wünscht, als in Ruhe und Frieden zu leben wie andere Völker auch. Es wird zu jener Zeit wieder eine selbständige Nation im Lande Palästina sein, mit Jerusalem als Hauptstadt und dem Tempel als dem Wahrzeichen seiner Religion. Aber wohlverstanden, es handelt sich um d a s Israel, das vorwiegend im Unglauben und zum Teil unter dem Druck der Nationen zurückgekehrt ist. Unter den Zurückgekehrten befindet sich allerdings auch der kleine t r e u e Überrest. Man denke vor allem an die zwei Zeugen und an die 144 000 Versiegelten in Offenbarung 7 und 11, sowie an die vielen, die durch ihr Zeugnis gläubig geworden sind, die zwar im Vergleich zum ganzen Volk nur eine geringe Minderheit sein werden. Der Fürst wird sich kaum groß um diese paar Frommen kümmern, sondern mit den vielen, d. h. mit der Masse der Juden, mit ihrer Regierung, einen Bund schließen. Es wird ein fester Bund sein, welcher besondere Garantien für die Juden enthalten und ihnen Vorzugsrechte, vielleicht auch solche territorialer Art einräumen wird. ‑ Auch wird der Bund eine scheinbare Lösung des Judenproblems darstellen. Die Schrift aber nennt ihn einen „Bund mit dem Tode, und Vertrag mit der Hölle“ (Jes 28,15,18), denn er wird Israel ins Verderben führen. Die wahrhaft gläubigen Juden werden allerdings den trügerischen Schein, die versteckte Bosheit und Lüge des Fürsten durchschauen und den Bund mit ihm nicht anerkennen. Sie merken bald, daß der sich als Messias Ausgebende nicht ihr Messias ist, sondern jener, vor dem der Herr ausdrücklich gewarnt hat. Der Fürst hält den Bund aber nur so lange als es ihm günstig erscheint; hatte er doch von Anfang an Israels Vernichtung im Auge (Psalm 10,8; Off 6,8). Dieser, mit dem Fürsten geschlossene Bund, wird übrigens der Gipfelpunkt aller Süden Israels sein. Nicht genug, daß Israel den Herrn verworfen und ans Kreuz geschlagen hat, es verbindet sich obendrein mit dem ärgsten Gegner Gottes, mit Satans Ausgeburt. Vor Pilatus sagte Israel: „Hinweg mit diesem, gib uns den Barabbas; Barabbas aber war ein Mörder.“ Nun erhält es diesen „Mörder von Anfang“ als seinen König (Joh 8,44). Er ist jener, von dem der Herr sagt. „Wenn ein anderer kommen wird in seinem eigenen Namen, den werdet ihr aufnehmen“ (Joh 5,43).
Warum wird Israel diesen Bund eingehen? Weil es von seinen Nachbarvölkern, vielleicht von den Arabern, hart bedrängt sein wird. Der Fürst aber wird Israel durch einen Vertrag Schutz bieten, so daß es in Ruhe und Sicherheit wohnen und das Land bebauen kann. Ungehindert darf es nun seine Gottesdienste verrichten, und sich dem Wiederaufbau des verwüsteten Landes widmen. Großes Gedeihen scheint Israel nun zu winken, doch nur während kurzer Zeit.
Die Dauer des Bundes. Er wird für die Zeit von sieben Jahren abgeschlossen. Aber schon nach 3 ½ Jahren, also in der hälfte der Woche (der Vertragszeit) wird der angebliche Beschützer den Bund brechen. Nach diesem wird er sich, wie Daniel ihn nennt, als der „Verwüster“, als der Todfeind der Juden, offenbaren. Hier erfüllt sich buchstäblich Dan 7,25: „Und er wird Worte reden gegen den Höchsten und die Heiligen des Höchsten vernichten; und er wird darauf sinnen, Zeiten und Gesetze zu ändern, und sie werden eine Zeit und Zeiten und eine halbe Zeit in seine Hand gegeben werden.“ Daniel führt uns also vor Augen, was Israel während der restlichen 3 ½ Jahre oder 1260 Tagen an Schrecklichem erleben wird. Der Herr sagt in bezug auf d i e s e Zeit: „Und wenn jene Tage nicht verkürzt würden, so würde kein Fleisch gerettet werden; aber um der Auserwählten willen werden jene Tage verkürzt werden (Mt 24,22). Daraus ist zu schließen, daß die Notzeit hauptsächlich religiöser Natur sein wird. Einzelheiten über diese Zeit erfahren wir durch Johannes in Off 13,11-17. Die israelitischen Gottesdienste müssen dann eingestellt werden.
Die Teilung der siebzigsten Woche. Sie wird in zwei Hälften, also in zweimal 3 ½ Jahre eingeteilt. Die erste Hälfte der siebzigsten Jahrwoche umfast die Kapitel 6 bis 10 der Offenbarung. Allerdings läßt sich eine scharfe Teilung nicht gut vollziehen, da einige Geschehnisse ineinander greifen.
Was ereignet sich in der ersten Hälfte der Woche, die mit Offenbarung 6, dem Reiter auf weißem Pferde, dem Schein-Christus beginnt? Er wird d a s voräffen, was später der Herr, der wahre Christus, der auch auf weißem Pferd erscheint, tun wird (Off 19). Tag verblendete Israel, daß dann die Decke noch auf dem Angesicht hat, wird sich vom Schein-Christus täuschen lassen, sich unter sein Zepter beugen, und den angeblichen Vorteil für kurze Zeit genießen. Eifrig wird es sich daran machen, das verwahrloste Land zur Blüte zu bringen, was allerdings oft nicht leicht sein wird, wenn wir an die vielen Naturkatastrophen denken, die gerade für jene Zeit im Buche der Offenbarung geweissagt sind.
Am Ende der ersten 3 ½ Jahre geht das bekannte 12. Kapitel der Offenbarung in Erfüllung; dann werden nämlich Satan und seine Engel durch Michael und seine Engel besiegt und entgültig aus dem Himmel auf die Erde geworfen. Satan, der dann mit seinen Heeren sein Unwesen auf der Erde treiben wird, weiß, daß er nur noch kurze Zeit hat, ehe er in den Abgrund geworfen wird (Off 20,1-3). Im kleinen Horn (Antichrist) findet Satan den gesuchten Mann, der bereit ist, seinen ganzen Willen zu erfüllen. Er gibt nun dem kleinen Horn seinen Thron, seine Macht und seine Gewalt. Satan weiß, daß Israel der Träger der Verheißungen ist, daß Christus dem Fleische nach aus Israel kam, ihm auf Golgatha den Kopf zertrat und das endgültige Gericht an ihm noch vollziehen wird -, daher die fürchterliche Wut (Zorn) Satans an Gottes Volk. Mit glühendem Haß stürzt sich nun das kleine Horn im Auftrag Satans auf Israel, um wenn möglich, es gänzlich auszurotten.
Die zweite Hälfte der siebzigsten Woche umfaßt die Kapitel 11-19 der Offenbarung. Es ist die Zeit des Zornes Gottes über Israel (Dan 12,1; Mt 24,21). Israels angeblicher Beschützer (als Verwüster entlarvt) verbietet vor allem die Gottesdienste, setzt sich selber in den Tempel und fordert von den Juden Huldigung. Der falsche Prophet seinerseits macht ein Bildnis vom Verwüster, setzt es ebenfalls in den Tempel und zwingt die Juden, dasselbe anzubeten. Es ist das, was der Herr den „Greuel der Verwüstung an heiliger Stätte“ nennt; denn ein Götzenbild ist ein Greuel. Damit beginnt also die vielgenannte große Trübsal, die von den Propheten und dem Herrn geweissagt wurde. Nie zuvor erlebte Israel ihresgleichen! Diese Trübsal wird so lange dauern, bis daß Israel Den erkennen wird, Den es durchstochen hat; bis daß es über die Verwerfung des wahren Messias (Off 1,7) wehklagen, d. h. Buße tun wird.
Der Ausgang der letzten Woche. Der Ausgang der 69.
Woche hat mit der Verwerfung des wahren Messias geendet; der Ausgang der
70 (oder letzten) Woche mit Seiner Annahme. Wenn Israel vom Antichristus
und seinen Heeren umzingelt sein wird, die Lage ganz hoffnungslos zu
sein scheint, und das Volk in seiner äußerten Not und Bedrängnis zum
Herrn schreit, dann wird plötzlich der Herr in großer Macht und
Herrlichkeit mit all Seinen himmlischen Heerscharen zur Befreiung
Israels erscheinen. Er wird den Verwüster (Antichrist) und seinen
Helfershelfer, den falschen Propheten, nehmen, und beide in den Feuersee
werfen (Off 19,20). Israel hat nun seinen König erkannt und die
Gottlosigkeit Jakobs hat sich in Gottseligkeit verwandelt. Damit beginnt
auch die Fülle der Zeiten (Eph 1,10). Nun wird kein Ende des Friedens
mehr sein und Jerusalem, das vorher „Sodom und Ägypten“ genannt werden
mußte, wird „Stadt der Gerechtigkeit“ heißen (Jes 1,26;