Schriften von Georg R. Brinke
Die Weltreiche im Lichte der Prophetie
Dan 7; 8,8-12.26-27 - Der Alte an TagenDan 7; 8,8-12.26-27 - Der Alte an Tagen
Unbeschreiblich grausam wird das Treiben und Wüten des kleinen Horns oder Antichristus sein. Seine freche Sprache gegen den Allerhöchsten und seine offenbare Feindschaft gegen die Heiligen scheinen kein Maß zu kennen. Aber gerade dann, wenn die Nöte der Heiligen ihren Höhepunkt erreicht haben werden, erscheint der Herr in Macht und Herrlichkeit und macht dem Wüten des Horns ein Ende. Also nicht das protzige kleine Horn, der Antichrist, sondern der Menschensohn, der Messias, der Richter der Nationen, den Daniel in dieser Eigenschaft kommen sieht, redet das letzte Wort. Daniel, der zuvor über das Treiben des Horns bebte, darf nun mit Genugtuung Gottes Gericht über das kleine Horn und sein Reich sehen und zugleich erkennen, daß sich die langersehnte Hoffnung des israelitischen Volkes erfüllt. Die genauere Erfüllung dieser großen Szene beschreibt bekanntlich Johannes in Off 19. Nachdem Daniel in seinem Gesicht (Verse 1-6) gesehen hatte, daß den ersten drei Tieren der Reihe nach die Herrschaft genommen wurde, während ihnen das Leben verblieb (Vers 12), sieht er weiter das schreckliche vierte Tier (Verse 7-12) und dessen Ende (Vers 11). Zuletzt aber sieht er in demselben Gesicht:
Den Sohn des Menschen. Ihm wird die ganze Herrschaft in die Hand gegeben (Vers 13). So eilt der Blick des Sehers hinaus in die ferne Zukunft, bis in die Tage des Menschensohnes. Hier haftet nun sein Blick mit tiefer Ergriffenheit. Bis dahin hatte er im Geiste vier Reiche mit ihren Herrschern gesehen (Vers 17). So doch der Mensch die Reiche dieser Welt auch einschätzen mag, so sieht der Prophet sie doch nur als wilde Bestien; und vor allem findet im letzten Weltreich die Bestie ihre höchste Vollendung. Nun aber steht im Blickfeld Daniels der „Sohn des Menschen“ mit den Wolken des Himmels. .Zum ersten Male wird Er hier geschaut und „Sohn des Menschen“ genannt. Und wem anders als Ihm gelten die Worte in Psalm 45,2-4: „Du bist schöner als die Menschensöhne, Holdseligkeit ist ausgegossen über deine Lippen; darum hat Gott dich gesegnet ewiglich. Gürte dein Schwert um die Hüfte, du Held, deine Pracht und deine Majestät! Und in deiner Majestät ziehe glücklich hin um der Wahrheit willen und der Sanftmut und der Gerechtigkeit; und Furchtbares wird dich lehren deine Rechte.“
Diese Worte lassen uns Seine weltumspannende Größe und Bedeutung ahnen und die Macht und Unvergänglichkeit Seines Reiches erkennen. Und in Vers 14 lesen wir: „Seine Gewalt ist ewiglich, die nicht vergeht, und sein Königreich hat keine Ende.“
Wer aber ist der „Sohn des Menschen“? Es unterliegt keinem Zweifel, daß Jesus in Lk 2,27 die Schriftstelle von Dan 7,13 vor Augen hat, und Sich selbst als den „Sohn des Menschen“ bezeichnet. Bei diesem Ausdruck müssen wir noch einige Augenblicke verweilen und darauf hinweisen, daß parallel mit dieser Bezeichnung auch jener Ausdruck „Sohn G o t t e s“ läuft. Jesus ist beides im absolut ausschließlichen Sinne. Das bedeutet, daß die Engel, die auch jeweils Söhne Gottes genannt werden (Hiob 1,6), jedoch im Vergleich zu dem eingeborenen Sohn Gottes nur dienstbare Geister sind (Heb 1,14). Desgleichen sind die Menschensöhne, im Vergleich zu ihm, dem Sohne des Menschen, nur Knechte, dienstbar dem Willen des Fleisches (Eph 2,3). Er hat sowohl nach der göttlichen wie nach der menschlichen Seite den Vorrang vor allen (Kol 1,18). Er ist der vollkommene Mensch nach den Gedanken, nach der Vorstellung, nach dem Bilde Gottes (1. Mose 1,27), und das Bild des unsichtbaren Gottes (Kol 1,15). Daher ist E r allein berufen, am Ende der Tage das ewige Reich zu repräsentieren und alle Macht in die Hand zu nehmen, um der Wahrheit willen und der Sanftmut und der Gerechtigkeit (Psalm 45,4).
Throne wurden aufgestellt (Vers 9). Warum werden
hier Throne in der Mehrzahl genannt? Der Herr gibt uns in Mt 19,28
die Erklärung. Als der Herr zu Seinen Aposteln, die ihm durch Leiden und
Entbehrungen gefolgt waren, sprach, sagte Er zu ihnen, daß sie mit Ihm
sitzen werden auf zwölf Thronen und richten die zwölf Geschlechter
Israels. Das kleine Horn hatte auch seinen Thron und die zehn Könige,
die mit ihm regierten, die aber hier ihre gerechte Vergeltung finden.
Manche Schriftausleger wollten in diesem Gericht dasselbe wie das vor
dem weißen Thron in Off 20,11 f. sehen, doch eine nähere Betrachtung
verbietet diese Einnahme. Das Gericht hier und das am weißen Thron sind
zeitlich und örtlich völlig von einander getrennte. Das Gericht, das
hier Daniel beschreibt, ist dasselbe, von welchem der Herr in
Das kleine Horn, den Antichrist, wird er in den Feuersee werfen. der falsche Prophet findet nach Off 19,20 zugleich sein wohlverdientes Ende und wird ebenfalls in den Feuersee geworfen.
Der Drache (Satan) wirb in den Abgrund gestürzt (
Und schließlich werden die zehn Könige und ihre Völker gerichtet. Erst nach diesem Gericht und nachdem Israel selbst Buße getan hat, erhalten die Heiligen (Israel) das Reich.
Der Alte an Tagen (Vers 9). Also ein Greis - eine ehrwürdige Erscheinung! Sein Gewand wird als „weiß wie Schnee“ und das Haar Seines Hauptes wie „reine Wolle“ bezeichnet. Das weiße Gewand redet von absoluter Gerechtigkeit und die weißen Haare von Gereiftheit. Er, derselbe gestern, heute und in Ewigkeit - will, daß allen Menschen geholfen werde und niemand verloren gehe; doch hier ist Er genötigt zu richten, weil die Menschen nicht Buße tun, noch das vor Gott allein gültige Opfer Jesu Christi annehmen wollen.
So selten schön gegebene Beschreibung dieses „Alten an Tagen“ auch ist, so ist sie doch zugleich überaus ernst. Ein Strom von Feuer geht von Ihm aus. Dreimal wird in Verbindung mit dem Thron das Feuer erwähnt (Vers 9-10). Unser Gott ist ein verzehrendes Feuer (Jes 33,14), und in dieser Eigenschaft wird Er sich im Gericht über die Völker offenbaren. Der Dichter sagt: „Willst du rächen die Gerbrechen, Herr, wer wird vor dir bestehen?“
Gleichzeitig lesen wir von einer unfaßlich großen Zahl von Dienern, die den Richter umgeben. „Tausendmal Tausende dienen ihm und zehntausendmal Zehntausende stehen vor Ihm.“ Es sei also nochmals darauf hingewiesen, daß mir es hier mit demselben Gericht wie in Off 19 zu tun haben, wenn der Herr in Herrlichkeit mit allen Seinen Heiligen erscheinen wird. Auch du, Leser, insofern du ein Gotteskind geworden bist, wirst in dieser auserlesenen Schar mit Ihm kommen. Die Ermahnung: „Wandelt nur würdiglich“ muß uns allen angesichts so großer kommender Dinge und angesichts dessen, was wir bald sein werden, eine persönliche Angelegenheit sein (1Kor 6,2; 2Tim 2,11-12).
Und Bücher wurden aufgetan (Vers 10). ,Hier handelt es sich nicht um Einzelpersonen, sondern um Völker. Wenn Gott dereinst die Menschen als einzelne vor dem weißen Thron richten wird, werden allerdings auch Bücher geöffnet, und jeder wird nach dem gerichtet werden, was über ihn darin geschrieben steht. Hier aber handelt es sich um die nationalen Sünden der einzelnen Völker und besonders um ihre Stellungnahme zum Volke Israel; ob sie Israel während der großen Trübsal mitverfolgt oder aufgenommen haben. Dann werden die Geheimdokumente, die Archive der Staatskanzleien, über die heute jeder Staat mit größter Sorgfalt wacht, geöffnet werden. Dort wird die höfliche diplomatische Maske fallen, alle Schandtaten und Heucheleien werden offenbar werden.
Der Ausgang des Gerichtes. Er ist kurz gesagt, das Ende des kleinen Horns und seines gewaltigen Reiches und zugleich auch der Neuanfang einer gesegneten Weltordnung. Der Herr selbst wird als König regieren und es wird des Friedens kein Ende sein.
In meinem Buch „Skizzen über das Matthäusevangelium“ befindet sich auf Seite 289 ein Artikel: „Der König als Richter der Völker“, den alle, die das Buch besitzen, nachlesen sollten.
Tiefes Empfinden. In Vers 28 sagt Daniel über das Geschaute: „Mich Daniel, ängstigten meine Gedanken sehr, und meine Gesichtsfarbe veränderte sich an mir; und ich bewahrte die Sache in meinem Herzen.“ Das Gesehene ergriff ihn so sehr, daß er mit keinem Sterblichen ein Wort darüber reden konnte; und in der Folge vertraute Gott ihm noch Größeres an.