Vor mehr als fünfzig Jahren, unmittelbar nach meiner Bekehrung, kam ein englischer Prediger in unsere Gemeinsaft und hielt an Hand eines Modells Vorträge über die Stiftshütte, die auf mich einen tiefen Eindruck machten und mir unvergeßlich bleiben. Später kam mir ein Buch von Kargel, einem Mennonitenprediger, in die Hand mit dem Titel „Licht aus dem Satten", das mich mit den Vorbildern des Alten Testamentes vertraut machte. Auch James Smith gab mir in seinen „Handfuls" wertvolle Anregungen über die Symbolik der Heiligen Schrift. So sind mir gleich am Anfang meines Glaubenslebens die herrlichen Wahrheiten über die Stiftshütte aufgeschlossen worden, und ich lernte den Herrn besser kennen und lieben. Den Herrn selbst in unsern Studien über die Stiftshütte suchen wird unser Bestreben sein in den folgenden Betrachtungen. Das ist sogar Pflicht, denn der Herr befiehlt in Joh 5,39: „Erforschet die Schriften, denn ihr meinet, in ihnen ewiges Leben zu haben, und sie sind es, die von Mir zeugen.“ Welch großen Wert der Herr auf die Schriften des Alten Testamentes legte, ersehen wir z. B. aus Seiner Unterredung mit den Emmausjüngern in Lk 24,27: „Und von Moses und von allen Propheten anfangend, erklärte Er ihnen in allen Schriften das, was Ihn betraf." Mit andern Worten: „Er zeigt Sich selbst uns im Alten Testament. Er bewies damit, daß gerade auch die Bücher Moses' von Ihm handeln. Zweck und Ziel unserer Abhandlungen über die Stiftshütte soll darin bestehen, den Herrn darin zu suchen und zu finden. Wir werden Ihn in allen Räumen finden: Im Vorhof als den für uns Gestorbenen und Auferstandenen; im Heiligtum als unsern Hohenpriester, der für uns lebt und Sich für uns verwendet, und im Allerheiligsten als den, der auf dem Thron sitzt und alles lenkt und regiert, aber auch richtet. Ein bekanntes, aber vergriffenes Buch von Dolman trägt den trefflich gewählten Titel „Jesus in der Stiftshütte". Ja, der Herr ist in der Stiftshütte. Es ist leider eine Tatsache, daß viele liebe Gotteskinder, wenn sie nicht gerade Israeliten sind, an der Stiftshütte vorbei lesen, weil diese, wie sie meinen, ihnen zu wenig Erbauung bietet. Diese Leser aber vergessen, daß das Alte Testament die Bibel des Herrn und Seiner Apostel war, darin lebten sie und daraus predigten sie.
Des besseren Zusammenhanges und Verständnisses wegen geben wir zunächst einen ganz flüchtigen Überblick über Israels Geschichte von seiner Erwählung ab. Die Wurzel des Volkes Israel ist in Abraham zu finden, den Gott Sich erwählte und aus Ur in Chaldäa herausführte hinein in das Land Kanaan, wo er sich als Pilger und Fremdling aufhielt. In Josua 24,2 lesen wir: „Eure Väter wohnten vor alters jenseits des Stromes, Tarah, der Vater Abrahams und der Vater Nahors, und dienten anderen Göttern.“ Moses sagt in 5. Mose 26,5 über Abrahams Herkunft: „Ein umherirrender Aramäer (Syrer) war mein Vater, und er zog nach Ägypten hinab und hielt sich daselbst auf als ein geringes Häuflein." Gott erwählt stets das Unscheinbare, das, was nichts ist, auf daß Er etwas zu Seiner Ehre daraus machen kann (1Kor 1,27). Das ist ein Trost für uns alle, die wir überzeugt sind, daß wir nichts sind. In 1. Mose 15,9-21 offenbarte Gott dem Abraham in einem Gesicht, daß seine Nachkommen in ein fremdes Land kommen und dort leiden würden wie in einem Feuerofen. Zugleich aber sagte Er Abraham zu, daß Er sie wiederum ausführen würde, um ihnen das Land zu geben, in dem sich Abraham als Fremdling aufhielt. Im Verkauf Josefs nach Ägypten (1. Mose 37) begann für diesen der Ofen heiß zu brennen (Ps 105,17-19), ähnlich dem der drei Jünglinge in Babel (Don. 3). Später kam durch Not und Trübsal das ganze Haus Jakobs nach Ägypten, wo es zwar anfänglich große Vorteile genoß, bald aber in einen heißen Schmelztiegel geriet. So hat das Volk die Abraham gegebene Weissagung erfahren. Israel war im brennenden Ofen, doch der Herr Selbst saß am Schmelztiegel, um das Silber zu läutern (Mal 3,3). Alles, was Er tut, geschieht aus Liebe, geschieht zu unserm Nutzen, zu unserer Heiligung und Umgestaltung. Gott läßt Sein Volk nur so lange durch Trübsale gehen, wie Er es für nötig hält. Sollten sich unter den Lesern solche befinden, die harte Wege gehen müssen, die sollen lernen, daß unser Schmelzer die Hitze kein Grad höher steigen läßt als nötig ist, soll das Silber schlackenlos aus dem Ofen fließen (Heb 12,7-11).
In 2. Mose 3,7.8 lesen wir folgendes: „Gesehen habe Ich das Elend Meines Volkes, das in Ägypten ist, und sein Geschrei wegen seiner Treiber habe Ich gehört ; denn Ich kenne seine Schmerzen. Und Ich bin herabgekommen, um es aus der Hand der Ägypter zu erretten , um es aus diesem Lande hinauszuführen in 'ein gutes und geräumiges Land, in ein Land, das von Milch und Honig fließt.!“ Das Herz Gottes ist aufs tiefste bewegt ob des Elends Seines Volkes. Beachte: Er hört, sieht, kennt, kommt herab, führt heraus, rettet und gibt Milch und Honig. O welch ein liebender Gott und Vater unser aller! Wie ein Strom fließt Seine Liebe den Bedrückten entgegen.
Nach Vers 10 erwählt Gott Moses zu Seinem Werkzeug, Israel auszuführen, und spricht zu ihm: „Gehe hin, denn Ich will dich zu dem Pharao senden, daß du Mein Volk, die Kinder Israel, aus Ägypten herausführest.“ Nach 2. Mose 4,14-16 gab ihm Gott Aaron zur Hilfe. Beide gehen nun im Auftrage Gottes zu Pharao mit dem göttlichen Befehl: „Laß Mein Volk ziehen, daß es Mir diene in der Wüste.“ Hier erfahren wir gleich zu Anfang, wozu Gott Menschen erlöst, nämlich dazu, daß sie Ihm dienen. Haben wir alle das erkannt? Pharao weigerte sich hartnäckig, Gott zu gehorchen, und antwortete: „Wer ist Jehova, auf dessen Stimme ich hören sollte, Israel ziehen zu lassen?" (2. Mose 5,2) Pharao verhärtete sein Herz gegen Gott, und da er sich weigerte, Israel ziehen zu lassen, zwang ihn Gott zur Freigabe durch schwere Gerichtswunder. Einmal, beim Hagelgericht, schien es, als lenke Pharao ein, er bekennt: „Ich habe gesündigt.“ Als aber auf die Fürbitte Moses' hin das Gericht aufhörte, war es auch mit Pharaos Scheinbuße vorbei. In dem Stück hat Pharao bis heute viele Nachfolger. Neun immer schwerere Gerichte gingen über Pharao und sein Volk, aber der König widerstand immer aufs neue dem Herrn. Wie töricht ist doch der ohnmächtige Mensch, daß er versucht, dem allmächtigen Gott zu widerstehen! Muß nicht unser Herr bis heute viele Menschen hart züchtigen, bis sie endlich Gott die Ehre geben und sich vor Ihm beugen? Schließlich sagte der Herr zu Mose: „Noch eine Plage will Ich über Pharao und Ägypten bringen, danach wird er euch von hinnen ziehen lassen“ (2. Mose 11,1). Bei dieser zehnten Plage, die ebenso erschütternd wie lehrreich ist, wollen wir in unserer Betrauung fortfahren.