In diesem Kapitel begegnen wir Lot zum letzten Male. In erfreulichem Sinne erwähnt ihn noch Petrus in seinem 2. Brief, aber sonst hören wir nichts mehr von ihm. Bei Lot geht es leider nicht nach dem Sprichwort: „Ende gut, alles gut.“ Lot steht vielmehr vor uns wie jener Ungenannte in 1Kor 3,15, der wohl selbst gerettet wurde, dessen ganzes Werk aber verbrannt ist. Dieses traurige Los werden alle diejenigen teilen müssen, die nicht wie Abraham den Glaubensweg der Absonderung von Welt und Sünde gehen. Wo immer wir Abraham mit Lot vergleichen, treten uns große Unterschiede entgegen. So saß Lot im Tore von Sodom, war also ein großer Mann in der damaligen Welt, Abraham hingegen saß im Tore seines Zeltes zu Hebron, d. h. Gemeinschaft. Alles Gute, was wir über Lot wissen, sagt uns zusammenfassend 2Pet 2,7-9. Und wenn Lot im Gericht verschont blieb, so war es der Fürbitte Abrahams zu verdanken. Lot erstrebte die Dinge dieser Welt und erlangte sie auch. Er blickte hinab nach Sodom, Abraham dagegen sah hinauf zum Himmel und erhielt von dort einen bleibenden Besitz. Lot stand im Ansehen der Welt, Abraham dagegen stand in sehr hohem Ansehen vor Gott. Wir lesen öfters vom „Gott Abrahams“, dagegen nie vom „Gott Lots“. Es gibt viele Gläubige, die wie Lot nach Gut und Ehre dieser Welt streben, aber es gereicht ihnen wie Lot nur zum Schaden. Wir sollen nicht nach den hohen Dingen dieser Welt trachten, sondern uns zu den niedrigen halten, wie unser Herr Jesus es uns vorlebte.
Ein schöner Dienst. Dazu gehört die Gastfreundschaft. Nach dem Bericht in Kap. 18 übte sie Abraham und hier Lot. Bei Abraham traten die Gäste ein, ohne zu zögern, hier aber war ein besonderes Nötigen erforderlich. Nun wird uns berichtet, wie die beiden Engel abends nach Sodom kamen und im Tore der Stadt Lot antrafen, an dem Ort, da die angesehenen Männer zusammenzukommen pflegten. Lot ging den beiden Engeln entgegen, begrüßte sie mit höchster Ehrerbietung und lud sie zum Übernachten ein. Gar bald sollte Lot die böse Art der Sodomiter durch ihr scheußliches Ansinnen an seine Gäste in erschreckender Weise erleben. Die Sodomiter umstellten das Haus und forderten Lot auf, die beiden Männer ihnen zum schändlichen Treiben herauszugeben. Damit lieferten sie den letzten Beweis, wie sehr sie das ihnen drohende Gericht verdient hatten. Wie so ganz anders sah das gottselige Heim eines Abraham aus im Vergleich zu dem Haus des Lot.
Seltene Gäste in Sodom. Das waren die Engel. Während Abraham oft göttliche Offenbarungen erhielt, lesen wir außer diesem einzigen Male nichts von göttlichen Besuchen aus dem Jenseits bei Lot in Sodom. Die Engel hatten damals wie auch späterhin zwei Aufgaben: zu retten und Gericht zu üben.
Zu retten. Dazu sind sie ausgesandt (Heb 1,14). Lot wurde von seinen Gästen über das bevorstehende Gericht unterrichtet, damit er sich und die Seinen durch Flucht dem sicheren Verderben entziehe. Nach den biblischen Berichten hat Gott in alter Zeit manches Mal so gehandelt; man denke an Noah (1. Mose 6,13) und an Rahab (Josua 2). Gott warnt auch in unserer Zeit durch Seine Boten, um die Menschen vor dem Verderben zu retten. Er hat viel Licht über das prophetische Wort geschenkt, um den Menschen die Zeichen der Zeit zu deuten und ihnen zu sagen, daß der Zeiger der Weltenuhr stark auf Mitternacht geht. Das uns geschenkte Licht stellt eine sehr ernst zu nehmende Warnung Gottes dar, für die wir nicht dankbar genug sein können. Sie ermahnt uns aber, das Licht weiterzugeben, wie es ein Jona in Ninive getan hat. Beachten wir wohl, was zu dieser Warnungspflicht Hesekiel in Kap. 3,17 ff. zu sagen hat. Wir werden, wenn wir es an der Erfüllung dieser Pflicht fehlen lassen, von Gott zur Verantwortung gezogen werden.
Gericht zu üben. In Kap. 18 begegnen wir dem Herrn als dem Gott aller Gnade, als dem Freund Abrahams. In diesem Kapitel aber als Richter: „Gegen den Reinen erzeigst du dich rein, und gegen den Verkehrten erzeigst du dich entgegenstreitend“ (2. Sam. 22,27). Dennoch strahlte nochmals durch die Fürbitte Abrahams ein Regenbogen über Sodom, das schon früher ernstlich gewarnt worden war.
Unaussprechliches sollte nun Sodom erleben. Völlig erschrocken wird Lot die Engel angehört haben. Und ähnlich wie es bei Lot war, wird es am Ende der Tage sein. Die Engel sind sehr mächtig. Sie vermögen Städte im Nu zu vernichten, ganze Armeen in einer Nacht zu schlagen (2. Chron. 19,35). Am Ende wird ihre Tätigkeit besonders auffallen. In Off 7,1 begegnen wir vier Gerichtsengeln, später den sieben Posaunenengeln in Durchführung ihrer furchtbaren, schweren Gerichte. In Off 15 lesen wir von sieben Zornschalen der Engel und dem großen Abschluß der Gerichtstätigkeit der Engel in Kap. 19,17, da der Herr mit allen Seinen heiligen Engeln erscheint, um den Sturz des Tieres und seines Reiches herbeizuführen.
Gerichtsreife. Als Abraham in Kanaan einzog, war das Maß der Sünde der Kanaaniter in diesem Lande noch nicht voll (i. Mose 15,16b) Für ganz Kanaan war es erst voll, als Israel unter Josua ins Land einzog und diese Völker im Auftrage Gottes richten sollte. In Sodom und Umgebung, also einem kleinen Teile des Landes, war es schon zu Abrahams Zeiten voll zum überfließen, ähnlich wie zur Zeit des Turmbaues zu Babel. In beiden Fällen war das Geschrei der Sünde so stark gen Himmel gestiegen, daß der Herr richtend eingriff. Die beiden Engel, die nach Sodom gekommen waren, um das Treiben der Sodomiter zu beobachten, erfuhren bald durch ihre persönliche Bedrohung, wie furchtbar die Sünde herrschte. Es war jene furchtbare Sünde, die Paulus mit Abscheu erfüllte (Röm 1,26.27), und die heutzutage in nie dagewesener Weise die Welt vergiftet. Da Gott damals die Städte dieser Sünde wegen richtete, so haben wir wohl zu erwarten, daß der Richter vor der Tür steht. Unsere Welt ist in jeder Hinsicht gerichtsreif. Nur die Anwesenheit der Gemeinde hält die Gerichte noch zurück. Gar bald aber wird auch sie hinweggenommen (2Thes 2,6).
Eine letzte Warnung erfuhren die Sodomiter durch die Blindheit, mit der die Engel sie schlugen, als sie Lots Haus umringten. Mußten diese verstockten Sünder nicht merken, daß dies ein ernstes Reden Gottes war, das gerade ihnen galt? Die blinden Sodomiter erfuhren keine Gnade mehr (Apg 9,12). Blindheit ist ein Gottesgericht (Joh 12,38-40). Die einen bekommen Licht, die andern aber bleiben in der Finsternis (Mt 13,13-15). Heute aber bietet der Herr noch Augensalbe an (Off 3,18).
Zwischen zwei Übeln. Als Lot und seine Gäste in größter Gefahr waren, bot er diesen Wollüstigen seine zwei Töchter an, damit sie an diesen nach Gutdünken verfahren könnten. Welch trauriges Bild eines Vaters! Lot schrie nicht zum Herrn. In Sodom hatte er das Beten verlernt. Ja, in dem Sodom dieser Welt verlernt man das Beten und weiß in Notzeiten keinen Ausweg mehr. Es ergeht ihnen wie dem König Saul, der nicht mehr beten kann und schließlich Zuflucht zur Wahrsagerin nimmt. Lot wählt zwischen zwei Übeln. Gewiß erscheint uns die eine Sünde geringer als die andere, aber der Gläubige darf nie zwischen zwei sündhaften übeln wählen, denn Sünde bleibt Sünde, sei sie nun in unseren Augen klein oder groß. Jede Ungerechtigkeit ist Sünde. In Sachen der Sünde gibt es keine Wahl, ihr gegenüber gibt es nur ein entschiedenes Nein.