Schriften von Georg R. Brinke
Die Weltreiche im Lichte der Prophetie
Dan 4,19-27 - Ein gutgemeinter RatDan 4,19-27 - Ein gutgemeinter Rat
Es ist bestimmt anzunehmen, daß Daniel mit selten tiefem Bedauern vor
Nebukadnezar stand. Gott hatte Daniel den zweiten, sonderbaren Traum des
Königs geoffenbart. Nebukadnezar dürfte auch durch das Benehmen des
Propheten geahnt haben, daß dieser ihm keine Freudenbotschaft zu bringen
hatte (Vers 19). Alls Diener Gottes durfte Daniel nichts verschweigen.
Wehe dem Knecht Gottes, der nicht, wie ein Daniel und Johannes der
Täufer, die ganze Wahrheit sagt! Von Mose lesen wir, daß er die Wut des
Königs nicht fürchtete, indem er Pharao unerschrocken die Wahrheit
sagte. Daniel wird es ähnlich ergangen sein, wie dem jungen Samuel vor
Eli (1Sam 3,15). Daniel liebte seinen König, obwohl dieser sich im
allgemeinen wenig um ihn und seinen Gott kümmerte. Doch die Gedanken
Gottes mußte der König in jedem Fall erfahren; schweigen wäre falsche
Liebe gewesen. Gottes Diener trauern, wenn sie an das Ende der
Ungeretteten denken und überreden sie, Buße zu tun. Paulus litt unsagbar
wegen seiner Brüder nach dem Fleische, und erflehte ihre Rettung von
Gott bei Tag und bei Nacht. Und wie der Herr über das unbußfertige
Jerusalem weinte, lesen wir in Lk 19,41. Daniel fühlte die Schwere
des kommenden Gerichtes, das über den König verhängt war. So muß es
sein! Mir müssen selbst bis ins Innerste erschüttert sein, wenn wir an
den Ausgang des Lebens eines, unbußfertigen Sünders denken. Bruder,
Schwester, fühlst du auch wie ein Daniel, Moses oder Paulus, wenn du
eine dem Gericht entgegeneilende Menschheit anschaust? (
Die Deutung durch Daniel. Nachdem Daniel sich von dem Schrecken der Bedeutung des Traumes erholt hatte, begann er mit den Worten: „Mein Herr, der Traum gelte deinen Hassern und die Deutung deinen Feinden.“ Mit dieser Einleitung wollte wohl Daniel die folgenschweren Aussagen etwas abschwächen. „Der Baum bist du!“ Diesmal klingt es anders als: „Du bist das goldene Haupt.“ Der starke, üppige, grüne Baum, der über die ganze Erde hin gesehen wurde, unter welchem die Tiere des Feldes wohnten und in dessen Zweigen die Vögel des Himmels geschützt nisteten, der allen Nahrung bot, war das Abbild des babylonischen Reiches, bzw. seines Königs. Die Größe des Baumes war der Ausdruck seiner unumschränkten Macht, und das dichte, grüne Laub seine von allen Menschen bewunderte Herrlichkeit. Mancher Besucher wird, ob all dem Luxus und Reichtum gestaunt und wie einst die Königin von Saba ausgerufen haben, als sie zu Salomo kam: „Nicht die Hälfte hat man mir gejagt!“ Nebukadnezar war überaus mächtig geworden. Daniel sagt, daß seine Größe bis an den Himmel reichte und seine Herrschaft bis an die Enden der Erde. Angesichts des riesigen Erfolges lag es sehr nahe, stolz zu werden. „Haue ihn ab, was hindert er das Land.“ So sagte einst jener Gärtner im Gleichnis. Ganz ähnlich ist Daniels Botschaft! Nebukadnezar sah einen Wächter und Heiligen, und Daniel zeigt an: dieser ist ein beauftragter Gerichtsverkündiger. Es wurde dem König damit klar gemacht, daß, obwohl er Herrscher sei, er doch bewacht und sein Tun und Lassen beobachtet werde. Und so wie einst himmlische Wächter im Auftrage Gottes Sodom besahen, um zu erfahren, b es wirklich so schlimm um die Stadt bestellt war, so beurteilte dieser Wächter auch Nebukadnezar und seine Handlungen (1. Mose 18,20-21). Wächter und Engel umgeben auch uns und verfolgen unsern Wandel. Auch unheilige Wesen sehen und verklagen uns. So beobachtete Satan einen Hiob und verdächtigte ihn vor Gott (Hiob 1). Der Hohepriester Josua hatte unreine Kleider an und wurde deshalb von Satan vor Gott beschuldigt (Sach 3). Die heiligen Wächter sind voller Augen und rufen unaufhörlich: heilig! heilig! heilig! Es ist, als rufen sie auch uns zu: „Ihr sollt heilig sein!“ Der Wächter hatte für Nebukadnezar ein hartes Urteil; denn er mußte den h o b e n Baum, der mit dem Monarchen verglichen war, umhauen. Das tut Gott nur ungern! Mußte Er nicht sogar an Seine Kinder einmal die Axt legen? Wir erinnern an die Gemeinde zu Korinth. Dort nahmen einige Gläubige mit unreinem Herzen am Tisch des Herrn teil und wurden vom Wächter beobachtet. In der Folge erkrankten sie; wurden also auf diese Weise gewarnt; und als dieses Reden Gottes nichts nützte, wurden sie schließlich durch einen frühzeitigen Tod abgehauen (1. Kot. 11, 30‑31). Wahrlich, das ist ein ernster Wächterruf. Hätten jene Korinther sich selbst gerichtet und Buße getan, hätte der Herr sie nicht gezüchtigt. Gott züchtigt also im Blick auf Wiederherstellung. Was nun Nebukadnezar betrifft, so sollte der Wurzelstock des umgehauenen Baumes stehen bleiben, und nachdem Nebukadnezar umkehrte, schlug der Wurzelstock wieder aus. Sehen wir dasselbe nicht auch in Korinth? Jener Mann in 1Kor 5,3-5, der den Herrn durch seine Sünde so betrübt hatte, wurde ausgeschlossen, aber nach seiner auf richtigen Buße wieder aufgenommen (2Kor 2,1 ff.). Gottes Handeln mit den Seinen muß uns allen eine ernste Lehre sein.
Daniel wies dann auf die Zeitdauer des Gerichtes hin. Und wie müssen die Ankündigungen des 25. Verses den König bis ins Innerste erschüttert haben: „Man wird dich von den Menschen ausstoßen, und bei den Tieren des Feldes wird deine Wohnung sein; man wird dir Kraut zu essen geben, wie den Rindern, und dich vom Tau des Himmels benetzt werden lassen; und es werden sieben Zeiten über dir vergehen, bis du erkennst, daß der Höchste über das Königtum der Menschen herrscht und es verleiht, wem er will.“ Das war eine äußerst harte Botschaft! Daniel mußte also dem König schweres persönliches Gericht anzeigen„ weil er es unterlassen hatte, Gott zu dienen. Irrsinn und Ausschluß aus der menschlichen Gesellschaft waren sein Teil für eine Zeitlang. Gleichzeitig aber ließ Daniel die Tür der Hoffnung offen. Er fügte hinzu: „Bis daß du erkannt hast, daß die Himmel herrschen“ (Vers 26).
Der Traum ist in jeder Hinsicht prophetischer Art. Er erfüllte sich durchwegs zuerst an Nebukadnezar. Wichtiger aber als die vorläufige Verwirklichung an ihm, ist seine unumstößliche Erfüllung zur Zeit des Endes. Der stolze Baum „Babylon“ wird noch einmal in voller Macht alle in Staunen versetzen. Der letzte Weltherrscher wird noch größer sein als Nebukadnezar es war, und sein Prahlen geradezu lästernd. Das Gericht über ihn wird infolgedessen auch entsprechend wuchtiger sein. Nebukadnezars Überbebung ist ein Vorbild auf das Tier, den Antichristen, den Menschen der Sünde, der sich über alles erheben wird, was Gott heißt. Ja, er wird sich sogar im Tempel Gottes zu Jerusalem verehren lassen (2Thes 2,4). Wir erfahren aus Off 19, daß der Herr selbst diesen mächtigen Baum fällen und ihn in den Feuersee werfen wird. Aber auch dann, im Millennium, wird der Wurzelstock der Völker stehen bleiben. Er wird neu ausschlagen und nie dagewesene Frucht tragen. Die Menschen werden d e n erkennen, den sie durchstochen, werden umkehren und in das Königreich Jesu Christi eingeben. Und wie Nebukadnezar am Ende, das heißt nach seiner Wiederherstellung, Gott lobte, so werden dann die Völker den großen König „ Jesus Christus“ loben und Ihn anbeten. Mit dem Dichter möchten wir singen: „0 großer Tag, wir warten dein mit Sehnen.“
Ein wohlgemeintes Schlußwort. „Darum, o König, laß
dir meinen Rat gefallen, und brich mit deinen Sünden durch Gerechtigkeit
und mit deinen Missetaten durch Barmherzigkeit gegen Elende, wenn deine
Wohlfahrt Dauer haben soll.“ Daniel hatte seinen König sehr lieb und
sehnte sich nach seinem inneren und äußeren Wohl. Auch in dieser
Beziehung dient Daniels Verhalten allen, die sich Gottes Diener nennen,
zum nachahmenswerten Beispiel. Er bat den König, mit seinen Sünden zu
brechen. Sünde aufgeben ist also Grundbedingung, wenn der Segen von
Dauer sein soll. Niemand darf sich ein Gotteskind nennen, der mit der
Sünde nicht gebrochen hat. In Jes 55,7 lesen wir: „Er kehre um, so
wird sich der Herr seiner erbarmen.“ Sünde ist Rebellion gegen Gott und
sie muß in erster Linie drangegeben werden. Doch das ist nur die
negative Seite; ihr folgt bei wahrer Umkehr zu Gott auch die positive.
Nebukadnezar sollte fortan Gerechtigkeit üben und rechtschaffene Früchte
der Buße bringen. Er sollte keine Ungerechtigkeit mehr im Lande dulden.
Nicht länger zusehen, daß der Gerechte unterdrückt wurde (