Das von menschlichen Mängeln und Unvollkommenheiten berichtend Kapitel 27 liegt hinter uns. Wir fanden alle Personen dieses Kapitel fleischlich urteilen und handeln, sie erwiesen sich nicht als Auserkorene Gottes.
Alle offenbarten ihren rein irdischen Sinn, man merkt nichts von Gottseligkeit oder von Gottesfurcht bei ihnen. Da das Kapitel 27 von soviel Sünde und Ungerechtigkeit redet, darf es uns nicht verwundern, daß wir in diesem 28. Kapitel die Früchte fleischlichen Handelns zu sehen bekommen.
Da Jakob wegen Esaus Rachegedanken daheim seines Lebens nicht mehr sicher war, zog er auf den Rat seiner Eltern nach Haran zu Laban, dem Bruder seiner Mutter. Es war also die Trennung vom Elternhaus. Rebekka, die zuvor die listigen Pläne geschmiedet hatte, mußte nun erfahren, daß sie ihres eigenen Unglücks Schmied war und ihrem Liebling sogar zur Trennung vom Elternhaus raten mußte. Zwar hoffte sie, daß der Zorn Esaus sich bald abkühlen werde und sie somit ihren Lieblingssohn bald wieder daheim haben werde. Aber es kam so ganz anders. Sie sollte ihn nie mehr auf Erden sehen, er sollte nur noch neben ihr in der Höhle Machpela seine letzte irdische Ruhe finden. Das war eine schmerzliche Ernte ihrer Aussaat! Rebekka hatte auch gehofft, daß sich Jakob in der kurzen Abwesenheit verheiraten werde. Sie rechnete aber nicht mit der Geriebenheit ihres Bruders Laban, der Jakob vierzehn Jahre als Knecht, um nicht zu sagen als Sklave, festhielt und aus Jakobs Besuch und Heiratsplänen ein gutes Geschäft machte. Wer immer wie Rebekka sich natürlicher Schlauheit und allzu menschlichen Berechnungen hingibt, findet sich am Ende selbst überlistet. Alles war wohl schlau durchdacht, aber ohne Glauben, darum mußte es fehlschlagen.
Jakob mußte nun einen wesentlichen Teil seines Lebens unter größten Härten außerhalb des gelobten Landes verbringen. Durch lange Züchtigung wurde Jakob innerlich gereinigt und ging schließlich in Pniel als der Israel Gottes daraus hervor. Er ist der Stammvater der jüdischen Nation. Seine Nachkommen nannten sich nach seinem neuen Namen Israel, den er von Gott in Pniel erhielt. Durch eine gleiche Züchtigung wird sein Same gehen, der sich auch noch zum größten Teil außerhalb des Landes der Verheißung aufhalten muß, aber während der kommenden großen Trübsal beides, ein Bethel und ein Pniel erleben wird, um darnach zurückzukehren ins Land der Väter und mit seinem König Jesus Christus in Seinem verheißenen Königreich zu herrschen.
Ein neuer Segen. In Kapitel 27 mußten wir sehen, wie sich Jakob den Segen durch seine List angeeignet hatte. Hier aber erhält er ihn freiwillig von seinem Vater. Jakob hätte eher Tadel verdient als den Segen. Der eben empfangene Segen sagt uns zugleich, daß zwischen Vater und Sohn keine Kluft mehr bestand. Auch Isaak hat bestimmt inzwischen das Unrecht seines Planes, Esau zu segnen, eingesehen. Blinde Leute haben ja immer noch ein inneres Auge, und wohl ihnen, wenn sie dieses nicht vor Gott verschließen. Hinter allen Intrigen sah er letzten Endes das Walten Gottes. Isaak war nun bestimmt glücklich, daß sein ungöttlicher Plan vereitelt worden war. Er wird indessen gemerkt haben, daß der Schrei Esaus kein Bußschrei gewesen war; denn wer Buße getan hat, haßt nicht seinen Bruder, sondern liebt ihn. Esau bedauerte nur den erlittenen Verlust, aber nicht seine Sünde. Groß ist die Zahl derer, die nur weinen über die Folgen ihrer Sünde, aber nicht über die Sünde selbst. Isaak läßt nun Esau seinen Weg ziehen und ist ganz auf seiten Jakobs. Das ist ein Wink für uns alle! Wir halten es mit denen, die der Herr gesegnet hat, und nicht mit der Welt. Wir halten es mit David in Psalm 16,4; wir haben Wohlgefallen an den Heiligen, denn sie sind die Herrlichen in Gottes Augen, selbst dann, wenn noch vieles bei ihnen anders werden muß, wie das gerade bei Jakob der Fall war. Denken wir nur an die Juden, die sündige Menschen sind wie wir; dennoch wissen wir, sie sind die Geliebten um der Väter willen, und auch mit diesem Volk wird Gott, wie mit dir und mir, Sein Ziel erreichen. Er wird aus Jakobsleuten Israelsnaturen machen. Er wird auch uns ohne Flecken und Runzeln an jenem Tage Gott darstellen (Eph 5,27). Wir müssen Gottes Volk von der oberen Seite her betrachten, wie Gott es sieht, im Kleide der Gerechtigkeit Jesu Christi, und nicht in seinen Mängeln und Schwächen.
Der hier ausgesprochene Segen ist derselbe, den einst Gott dem Abraham durch Eidschwur zusicherte und wie er auch seinen Nachkommen galt. Hier wurde nun Jakob der Träger dieser unermeßlich großen Verheißungen. Es ist letztlich der Segen, der noch heute auch uns zufließt (Gal 3,14).
Kaum hatte Jakob diesen reichen Segen empfangen, mußte er fliehen. Obwohl er nun so unermeßlich reich war, zog er aus wie der ärmste Flüchtling. So ergeht es vielen, die nach geistlichem Segen trachten: sie werden verkannt, sie werden verfolgt (Joh 16,33; Heb 11,35-38). Das widerfuhr ganz besonders unserm Herrn. Kaum war er nach der Taufe im Jordan reich gesegnet worden, wurde Er vom Teufel hart versucht (Mt 4), und nach Seinem Dienst an Seinem Volke wurde Er hingerichtet wie ein Verbrecher.