Schriften von Georg R. Brinke
Die Weltreiche im Lichte der Prophetie
Dan 2,44-45 - Die große KatastropheDan 2,44-45 - Die große Katastrophe
Nachdem der Prophet den Werdegang der Weltreiche der Reihe nach beschrieben hat, deutet er jenen Teil des Gesichtes, der Nebukadnezar vor allem andern am meisten interessieren mußte. Daniel erklärt die Loslösung des Steines, der zuerst auf die Füße des Standbildes fiel, und dann das ganze Standbild so gründlich zermalmte, daß es wie Spreu vom Winde verweht wurde. Diese Erklärung Daniels wird den König bestimmt zu ernstestem Nachdenken und In-sich-gehen gezwungen haben. Sollte wirklich das Ende der vielgepriesenen Weltreiche ein so erschütterndes sein? Daniel weist dann auf jenes Reich hin, das der Gott des Himmels aufrichten wird. Es wird auch ein irdisches, ein sichtbares Reich sein, natürlich und doch übernatürlich, das sich von Meer zu Meer erstrecken wird. Es wird ohne jede menschliche Hilfe entstehen, denn der Prophet zeigt ja, daß sich der Stein ohne Hände loslöst, und an Stelle der bisherigen Weltreiche ein unveränderliches, bleibendes Reich tritt. Jede menschliche Regierung hat noch immer ihr Ende gefunden, auch dann, wenn sie noch so fest zu stehen schien, aber von diesem Reich sagt Daniel, daß es „ewig“ bestehen wird. Vers 44, der auf das Königreich Jesu Christi hinweist, ist die Seele aller alttestamentlichen Weissagungen von Henoch bis Maleachi (Jud 14; Mal 4,1-3). Aber nicht allein die alttestamentlichen Propheten, sondern auch der Herr selbst und die Apostel haben auf diesen großen Tag hingewiesen. Mit allem Nachdruck möchten wir jedoch immer wieder betonen, daß dieses, von Daniel geschaute Reich, nicht die Gemeinde Jesu Christi ist, noch die zur Religion erstarrte Weltkirche. Dieser letzte Teil in Daniels, Auslegung ist geradezu unbegreiflich mißdeutet worden. So kann man unter anderem sehen, daß dieser sich loslösende Stein, die „Geburt Christi darstelle, daß dann im Laufe der Jahrhunderte der Stein die ganze Welt mit Christentum erfüllt habe, das an Stelle der, von Gott für immer verworfenen Judentums getreten sei. Solche Mißdeutungen sind nur möglich, wenn man den Kern der biblischen Weissagung übersieht, nämlich, daß es sich gerade ausgesprochen um das Volk „Israel“, sowie um das ihm verheißene Königreich handelt. Der Stein, der also hier ins Rollen kommt, ist der Herr, der sich selbst „Eckstein“ nennt und sagt, daß Er von den Bauleuten (Israel) verworfen wurde. Apostel und Propheten haben bezeugt, daß dieser Stein den Juden ein Ärgernis und ein Stein des Anstoßes geworden ist (Jes 8,14,15; Röm 9,33). Die Gemeinde aber hat Ihn als den kostbaren Stein erkannt und zu ihrer Grundlage erwählt (Eph 2,20-22; 1Pet 2,5). Christus aufnehmen heißt also auf diesen unerschütterlichen Felsen gegründet sein. Halten wir unbedingt Israel und die Gemeinde deutlich auseinander, sonst wird uns die Prophetie verhüllt bleiben. Der Herr wird erscheinen und auf dem Throne Davids sitzen und somit die geradezu zahllosen, unerfüllten Verheißungen in Bezug auf Israels Wiederherstellung erfüllen. Jedermann sollte also leicht erkennen können, daß die Zerschmetterung des Standbildes durch den Stein keine friedliche Entwicklung der Kirche darstellen kann, sondern von einem nie dagewesenen Zusammenbruch redet. Außerdem wird erst dann die ganze Erde von dem Stein (Christus) erfüllt werden, nachdem die Reiche dieser Welt zerschlagen worden sind. Der Stein, der auf das Bild fällt, ist Christus in Seinem Erscheinen in Macht und Herrlichkeit mit den Seinen, zur Errichtung Seines Reiches auf Erden (Off 19). Die Nationen werden ihr klägliches und wohlverdientes Ende in dem letzten Kriege vor Harmagedon finden. Dort werden das Tier und der falsche Prophet ergriffen und in den Feuersee geworfen, und die dort versammelten Völker mit dem Schwerte aus des Herrn Munde getötet (Off 19,21). Das Zeitalter der Gemeinde ist mit keiner Silbe in dem Standbilde erwähnt, somit kann also niemals die Kirche gemeint sein. Unwiderruflich folgt also erst die Zerschlagung der gegenwärtigen Weltordnung resp. Unordnung. Der Gedanke, daß alles, worauf der Weltmensch so stolz ist, zerschmettert werden wird, muß ihm unerträglich sein. Aber um so dankbarer wird er sein, wenn er die Wiederherstellung aller Dinge erleben darf, und unter der friedlichen Regierung des Königs der Könige „Jesus Christus“ stehen wird. Alle Propheten blickten sehnsüchtig aus nach diesem Reich. Dann wird der Jubelruf erschallen: „Das Reich der Welt unseres Herrn und Seines Christus ist gekommen und Er wird herrschen von Ewigkeit zu Ewigkeit“ (Off 11,15).
Ehe wir uns mit dem großen Staunen des Königs Nebukadnezar befassen, müssen wir noch ein wenig bei dem sich loslösenden Stein, der die ganze Erde erfüllen wird, verweilen. Wenn sich Nebukadnezar am Anfang durch Daniels Erklärung: „Du bist das goldene Haupt“ höchst geschmeichelt fühlen mußte, so wird die Auslegung über den alles Zermalmenden Stein gewiß niederschmetternd auf ihn gewirkt haben. Der sich von selbst loslösende Stein belehrte ihn, daß es Kräfte gibt, die mächtiger sind als alle Heere Babylons, und die jeder menschlichen Großtuerei Hohn sprechen. Unsere Staatsoberhäupter, mit ihren gewaltigen, ihnen zur Verfügung stehenden Heeren, mögen achselzuckend an solchen Weissagungen vorübergehen, oder sie gar ins Lächerliche ziehen, dennoch bleibt das Wort unseres Gottes in Ewigkeit. Zwar hören wir sie gelegentlich vom Allmächtigen und Seiner Vorsehung reden, aber sie stellen sich so wenig darunter, wie anfänglich Nebukadnezar.
Alle Freunde der biblischen Weissagung wissen aber, daß der Tag der Erfüllung sehr nahe ist. Die Menschheit wird sich nicht immer durch Heer oder Kraft wehren können, vielmehr wird Gottes Geist, der Hauch aus Gottes Munde aller Großtuerei plötzlich ein Ende machen.
Man beachte den gewaltigen Unterschied zwischen dem großartigen goldenen Haupt und dem geringen unansehnlichen Stein. Christus ist der Stein, und wo wir Ihm bis dahin begegnen, sehen wir Ihn in Seiner tiefen Demut und Niedrigkeit, in Seiner geheimnisvollen, von den Weisen dieser Welt umstrittenen Herkunft (Niemand wußte, woher der Stein kam, der an die Bildsäule gestoßen hatte.). Wenn aber die Zeit erfüllt sein wird, dann wird dieser Stein rollen und die Weltmächte lawinenartig in Staub legen.
Israel hat den Stein, der kostbar ist bei Gott, verworfen, und ist dadurch selbst für lange Zeit auf die Seite gestellt worden. Die Nationen haben dasselbe getan und werden ebenfalls verworfen werden. Doch es gibt ein Volk in dieser Welt, „die Gemeinde Gottes“, die diesen Stein, diesen Felsen, als einzig sicheren Standort erkannt und darauf gebaut hat. Schon David hatte seine Füße auf diesen Felsen gestellt und konnte sich nun seiner Sicherheit rühmen (Psalm 40). Leser, hast du auch einen sicheren Stand auf dem Felsen Christus? Wenn nicht, dann wird dich dieser Stein zermalmen.
Unauslöschliche Eindrücke. Man versetze sich ein wenig in jene spannenden Augenblicke, als der König und seine Großen den Auslegungen Daniels folgten, zumal das Ganze den König sehr persönlich anging. Daß Daniel den Traum ansagen konnte, war absoluter Beweis dafür, daß auch die Auslegung stimmen mußte. Hier sehen wir wieder einmal, wie Gott alles wunderbar lenkt. Hätte Nebukadnezar sich des Traumes erinnert und Daniel in diesem Fall nur die Auslegung geoffenbart, so hätte der König sie kaum angenommen, Daniel selbst wäre in größte Gefahr geraten. Lernen wir also durch diese Begebenheiten, alle Dinge aus Gottes Hand zu nehmen, aber auch alles in Seine Hände zu legen. Dann werden wir, wie Daniel, den Herrn reichlich erleben und andern dienen können.
Nebukadnezar war so überwältigt von Daniels Auslegung, daß er vor ihm niederfiel und ihm göttliche Verehrung zollen wollte. Es erging hier dem Propheten wie einst Paulus und Barnabas in Lystra (Apg 14,11-15), und wie Paulus auf Malta (Apg 28,6), als man den Aposteln auch göttliche Ehre erweisen wollte. Man sah offenbar ausgeprägte Gottseligkeit in diesen Männern. Was sehen sie Mitmenschen bei uns? Merken sie etwas von der in uns wohnenden Kraft Gottes? Müssen sie auch staunen? Wir bezweifeln nicht, daß Daniel die Huldigung ebensowenig annahm wie Petrus die im Hause des Kornelius (Apg 10,25-26), oder wie der Engel die Anbetung von Johannes (Off 22,8-9). Nebukadnezar bekundete Daniel in mehrfacher Weise seine Dankbarkeit:
Er machte Daniel groß (Vers 48). Daniel hatte seinen Gott groß gemacht und verherrlicht, und nun macht Gott Seinen Diener groß und ehrt ihn.
Er gab Daniel reiche Geschenke. Daniel mußte bei der Deportation alles verlieren, nun wurde ihm ein mehrfaches Maß wiedergegeben.
Er setzte ihn über alle Weisen Babylons. Außerdem machte ihn der König zum Herrscher über die ganze Landschaft Babel. Daniel saß im Tore des Königs; das war eine sehr hohe Stellung, der wir erstmals bei Lot in Sodom begegnen (1. Mose 19,1; 5. Mose 16,18; 1Kön 22,10; Esther 2,21).
Nebukadnezars Anerkennung des lebendigen Gottes. Wichtiger als die Ehrung Daniels ist die Ehrung, die Nebukadnezar Gott zollte. Der rohe Heide merkte, daß es einen lebendigen Gott gibt, der über alle Götter ist und alle Geheimnisse kennt. Das war das erste Anklopfen Gottes bei Nebukadnezar. Durch die Traumdeutung war nun Daniel in die Nähe des Königs gebracht, und gern hätte er ihm den weiteren Weg gewiesen, doch dafür hatte der König vorläufig noch kein Interesse. In dem Stück fand Nebukadnezar stets viele Nachahmer. Immerhin hatte Gott einen Grund beim König gelegt. Er hatte sich ihm geoffenbart, und somit war der Monarch ohne Entschuldigung.
Bruderliebe. In Vers 24 sehen wir, wie Daniel für die Weisen Fürbitte einlegte, die eigentlich Feinde der Gläubigen waren. Daniel lebte nicht sich selbst, er liebte Gott von ganzem Herzen und seinen Nächsten wie sich selbst. In Vers 49 flehte er um die Erhöhung seiner Brüder. Sie waren Teilhaber in seiner Not, nun sollten sie es in seiner Fülle werden. Daniel handelte nicht wie jener Schenke, der Josef vergaß, als es ihm gut ging. Ähnlich wie Daniel wird es der Herr dereinst mit Seinen Nachfolgern machen. Es steht geschrieben: „Leiden wir mit, so werden wir auch mitverherrlicht werden“ (Röm 8,17). Außerdem schien Daniel nichts so wichtig zu sein, als die Mitarbeit wahrhaft gläubiger Männer.