Die Folgen der Begegnung Abrams mit dem Priesterkönig Melchisedek auf seinem siegreichen Heimweg aus der Schlacht der Könige wurden bald offenbar. Meldzisedeks Brot und Wein, dazu sein Segen, hatten Abram gestärkt und für den weiteren Marsch gekräftigt. Als Abram in den Krieg zog, fanden wir ihn in Hebron unter der Therebinte Mamres, und bei der Rückkehr finden wir ihn in Gemeinschaft mit dem Priester Gottes des Höchsten. Solche Wohnstätten und Begegnungen müssen dem Gläubigen eigen sein, dann ist er den Versuchungen Satans gewachsen.
Die neue Versuchung. Abrams Heimkehr aus der Schlacht sollte für ihn und seine Leute ein großer Ehrentag werden. Der König von Sodom und die mit ihm Entronnenen gingen Abram entgegen. Da erschien der 83jährige greise Pilger und siegreiche Krieger, wohl neben ihm sein befreiter Neffe Lot. Hinter ihnen die 318 Knechte, seine tapferen Soldaten. Anschließend mögen Aner und Eskol ihm gefolgt sein und schließlich der lange Zug der Befreiten. Ihnen entgegen kommt der König von Sodom. Die Freude über die Rettung vor dem sicheren Verderben, vor Tod oder Sklaverei, löste größten Jubel aus. Der König von Sodom wollte dem Dank aller Geretteten dadurch Ausdruck geben, daß er Abram die ganze Siegesbeute anbot. So anerkennenswert und edel diese seine Absicht auch war, Abram erkannte doch, daß er das Siegesgeschenk nicht annehmen durfte, wollte er seinen Gott nicht enttäuschen. Die reichen Geschenke, die er einst aus Ägvpten heimbrachte, hatten sich nicht als Segen erwiesen, und darum lehnte er jetzt ab. Kluge Menschen lernen aus ihren Fehlern, damit sie diese nicht wiederholen. Abram wollte als Glaubensmann nichts von der Welt. Sein Gott war ihm zugleich ein reicher Vater, der die Bedürfnisse der Seinen kennt. Viele sind heute gar weit von diesen vorbildlichen Grundsätzen abgewichen. Sie betteln sogar bei der Welt. So etwas tut wahrer Glaube nicht. Der Seen und die Verheißungen Gottes genügen ihm (Phil 4,6).
Ein entschiedenes Nein. Der König von Sodom sagt zu Abram: „Gib mir die Leute: die Güter, die Beute nimm für dich“, das war das königliche Angebot an Abram. Diesem Angebot wären heute gar viele Christen erlegen, Abram aber sagt: „Nichts für mich.“ In heiliger Verachtung weist er die Güter Sodoms zurück. Dieses entschiedene Nein erforderte viel Mut, denn es kam einer Beleidigung des Königs gleich. Gleichzeitig bezeugte Abram damit, daß er nicht um Gewinnes willen in den Kampf gezogen sei, sondern aus Bruderliebe. Er handelte wie Elisa, der auch nichts vom reichen Naeman nahm (2Kön 5). Nur mit einem kompromißlosen Nein werden wir in der Stunde der Versuchung siegen wie Abram, Josef oder Daniel (1. Mose 39,9; Dan 1,8).
Die Gründe dieses Neins. Abram hatte etliche Gründe. Sein Eid. Im Auftrage Gottes war Abram ausgezogen. Er suchte also nicht der Menschen Ruhm, Ehre noch Lohn. Abram begehrte nichts in seinem Hause zu haben, außer was Gott ihm gab. Nicht das Geringste, nicht einen Faden oder Schuhriemen begehrte er vom Sodomiterkönig. Er nahm es genau bis ins Kleinste.
Die Ehre Gottes. Niemand sollte sagen können, daß ein anderer als Gott den Abram reich gemacht habe. Abram wohnte inmitten eines Volkes, das durch ihn Gott kennenlernen sollte. Bisher hatte man merken können, daß er von Gott gesegnet war und Ihm seinen Wohlstand verdankte. Jetzt sollten sie nicht von ihm sagen können, dem König von Sodom habe er seinen Reichtum zu verdanken. Auch wußte Abram, daß er und sein Same Erben der Verheißung waren und bald das ganze Land in seiner Fülle besitzen würde. Vertrauen in Gott macht in jeder Hinsicht reich.
Sein Beispiel. Das bestimmte Nein Abrams mußte einen tiefen Eindruck auf Lot gemacht haben und natürlich auch auf viele andere. Hier sah Lot aufs neue die Selbstlosigkeit seines Onkels. Mehr denn je hätte sich nun Lot zu seinem Onkel hingezogen fühlen müssen. Aber er kehrte nach Sodom zurück, um nach einiger Zeit Schwereres denn je zu erleben. Viele Gotteskinder sind unbelehrbar und verharren auf ihrem eigenen Wege bis ins Verderben wie Lot.
Abram und seine Mitkämpfer. Abram nahm es sehr genau mit sich selbst. Seinen Eid hielt er treu. Dagegen machte er anderen keinerlei Vorschriften. Sie waren frei, nach eigenem Ermessen zu handeln. Darin sehen wir wiederum das Vorbild wahren Glaubenslebens. Es gibt Gemeindeleiter, die jedem Mitglied ihre eigene Handlungsweise aufnötigen möchten. Das ist aber kein Glaubensleben, sondern gesetzlicher Zwang. Hat z. B. jemand keine Freiheit, den Arzt zu brauchen, so hat er noch nicht das Recht, das anderen zu befehlen oder ihnen Unglauben vorzuwerfen. Andere dürfen in keiner Versicherung sein; man lasse doch einem jeden die Freiheit nach seinem Ermessen. Wer anderen Gesetze aufbürdet, die die Schrift nicht erläßt, handelt wie die Schriftgelehrten, die anderen schwere Lasten aufluden, aber selbst sie nicht zu tragen bereit waren. Wir haben kein Recht, anderen unsere Erkenntnis aufzuzwingen, es sei denn Gottes Gebot. Abram selbst durfte nichts vom Sodomiterkönig nehmen; aber seinen Bundesgenossen ließ er Freiheit. Wir dürfen wie Abram anderen ein gutes Beispiel geben und sollen einander anreizen zur Liebe und zu guten Werken, das ist wohlgefällig vor Gott (Heb 10,24). Wir haben als Gotteskinder mancherlei Freiheiten (Röm 8,21; 2Kor 3,17; Gal 5,13), aber wir tun gut, dem Beispiel des Apostels Paulus zu folgen (1Kor 6,12).
Edle Grundsätze entdecken wir in diesem Kapitel. Haben wir sie auch? Sind wir wie Abram durchdrungen von Bruderliebe, selbst gegen die, die uns weh getan haben? Kennen wir wie Abram wahre Selbstlosigkeit, dieses „Nichts für mich", aber auch echte Freiheit anderen gegenüber? Wenn ja, dann sind wir echte Glaubenskinder Abrams.