Schriften von Georg R. Brinke
1. Mose 25,27-34 - DER HANDEL UM DAS ERSTGEBURTSRECHT1. Mose 25,27-34 - DER HANDEL UM DAS ERSTGEBURTSRECHT
Obwohl sonst viel über Jakob berichtet wird, hören wir von seiner Kindheit und Jugendzeit eigentlich nichts. Im Bericht über sein Mannesalter wird uns einleitend erzählt, daß er ein sanfter Mann war und in Zelten wohnte und daß sein Bruder Esau ein Jäger war.
Bei der Alltagsbeschäftigung. Esau wie Jakob gingen ihrer üblichen Beschäftigung, ihrem Beruf nach: Jakob hütete die Herden und Esau ging zur Jagd. An einem schönen Tage schien Esau wenig Glück gehabt zu haben. Er kehrte ermüdet, vielleicht ohne Beute, heim. Jakob, nachdem er seine Herden in die Hürde getrieben hatte, ging heim und bereitete sein Essen. Scheinbar zufällig war es an jenem Tage das Lieblingsgericht des Esau, ein Linsengericht. Als Esau heimkehrte, weckte der Duft der Mahlzeit Heißhunger in dem Erschöpften, der offenbar auch etwas mißmutig war. „Dienet einander!" So sagt Gottes Wort (1Pet 4,10). Diesem Wort entsprechend wäre es zweifellos Jakobs Bruderpflicht gewesen, seinen hungrigen Bruder zu speisen. Wir dürfen gewiß annehmen, daß Jakob oft vom Wildbret seines Bruders gegessen hat. Doch daran dachte er jetzt nicht, vielmehr dachte er an seinen eigenen Nutzen. Ganz anders war es bei den ersten Christen: dort war keiner, der Mangel litt. Man ging sogar so weit und verkaufte sein Eigentum, um dem Bruder in der Not zu dienen. Der hungrige Esau bat seinen Bruder, das Mahl mit ihm zu teilen, und Jakob willigte gern ein, jedoch um den höchsten Preis. In Jakob sehen wir hier recht deutlich den wahren Egoisten, der den gegebenen Augenblick wohl auszunützen weiß. Ohne Zweifel lag hier auch ein geistliches Moment zugrunde: der hohe Wert des Erstgeburtsrechtes mit den darauf ruhenden wunderbaren Verheißungen; aber leider erwarb es Jakob auf einem sehr ungeistlichen Wege und keineswegs auf dem Wege des Glaubens. Manchmal mögen die zwei Brüder über diesen Gegenstand gesprochen haben, und Jakob wird vielleicht gemerkt haben, daß Esau dieses Recht nicht besonders hoch bewertete. Aber ganz umsonst wollte Esau gewiß auch nicht darauf verzichten. Für Jakob schien jetzt die beste Gelegenheit gekommen zu sein, sie galt es auszukaufen. Nüchtern, berechnend, wie Jakob war, zog er sofort Nutzen aus Esaus Notlage. Ohne die schwerwiegenden Folgen zu bedenken, nimmt Esau die Forderung an. Ja, er bestätigte sogar den Handel mit einem Schwur, um ihn nie mehr rückgängig zu machen (Heb 6,16). Esau sagt: „Wozu soll mir das Erstgeburtsrecht, ich muß ja doch sterben.“ Er gehört zu der großen Schar der Gleichgültigen, denen die höchsten Vorrechte Nebensache sind, bis der schreckliche Augenblick kommt, da sie aus ihrem Schlaf erwachen und die Folgen ihrer Torheit erkennen. Aber dann ist es zu spät. War denn Esau so vergeßlich, daß er nicht mehr wußte, daß mit dem Erstgeburtsrecht sieben große Segnungen verbunden waren? Das mußte er doch wissen, denn zweifellos war im Elternhaus öfter davon die Rede gewesen. Hätte er nicht mit seinem Hunger zur Mutter gehen können, um bei ihr zu essen, anstatt den unermeßlich hohen Preis bedenkenlos zu entrichten. Aber was veranlaßte ihn einzuwilligen? Seine Eßlust, seine unbezähmbare Gier, die er nicht überwinden wollte. Wie nahe liegt da der Vergleich mit Evas Niederlage (1. Mose 3). Esau hatte, wie so viele Menschen bis heute, nie überwinden gelernt; aber nur Überwinder erhalten die Krone (Jak 1,12; Off 2 u. 3). Esau scheint mehr zu der Klasse der Sadduzäer gehört zu haben, deren Motto lautet: „Lasset uns essen und trinken, denn morgen sind wir tot“ (Jes 22,13). Die verhängnisvolle Mahlzeit bestand aus wohlschmeckenden Linsen, einem in Kanaan bekannten Gericht (2Sam 17,28; 23,11; Hes 4,9). Gegen jede bessere Erkenntnis verkaufte Esau die teuersten Güter, um sich einen einmaligen Genuß zu verschaffen. So wirkt er für alle Zeiten als ein abschreckendes Beispiel für alle jene, die um ihrer Sinneslust willen göttliche Segnungen aufgeben. Wir dürfen aber auch Jakob nicht nur als Betrüger sehen, sondern müssen daran denken, daß er zwar nach dem Höchsten trachtete ‑ aber leider auf ungeistlichem Wege.
Was waren die Vorrechte des Erstgeburtsrechtes und die Vorzüge des Erstgeborenen seinen Brüdern gegenüber? Der ihm zufallende Segen war ein siebenfacher!
1. Der Erstgeborene gehörte besonders dem Herrn (
2. Er genoß die größte Familienehre und die größten Rechte (1. Mose 49,3).
3. Er hatte ein Anrecht auf den doppelten Teil des Erbes (
4. Er war das Familien‑ oder Stammesoberhaupt (2Chr 21,3).
5. Er trug die geistliche Verantwortung (2. Mose 4,22).
6. Er herrschte über seine Brüder (Ps 89,28).
7. Der Erstgeborene war ein Hinweis auf den einen Erstgeborenen, Christus, der der Erstgeborene vieler Brüder genannt wird, ebenso auf die Gemeinde der Erstgeborenen, deren Namen im Himmel angeschrieben sind (Heb 12,23).
All diese großen Vorrechte verschmähte Esau, und das um eines einmaligen zeitlichen Genusses willen. Kein Wunder, daß ihn die Schrift einen Ungöttlichen nennt (Heb 12,16.17).
Gibt es auch heute noch ein Erstgeburtsrecht? Jawohl, wenn auch nicht im alttestamentlichen Sinne. Wir alle sind zu hohen göttlichen Zielen und Absichten geschaffen worden (1. Mose 1,26 ff). Obwohl wir von dieser Höhe durch den Betrug der Sünde tief gefallen sind, so sind uns doch in Christo die reichsten Segnungen verheißen. Wir sind zum ewigen Leben bestimmt, zu Kindern, zu Erben, zu Gottes Erben und Miterben Christi (Röm 8,17). Die Wiedergeburt, die uns allen verkündigt und angeboten wird, ist der Weg zu diesen ewigen Segnungen. Und es gibt auch jetzt noch so viele törichte Menschen, die wie ein Esau diese Vorrechte verkaufen. Und wofür? Einige aus Liebe zur Welt wie ein Demas (2Tim 4,10), andere aus Liebe zum Gelde wie der reiche Jüngling (Mt 19,22), andere der Fleischeslust wegen oder des Hochmutes, der Unversöhnlichkeit wegen usw. Solche Menschen nennt die Schrift gemeine Menschen. Gemein sein hat entsetzliche Folgen und bedeutet, wenn keine Umkehr erfolgt, ewig dem Gemeinsten, dem Satan, unterjocht zu sein, fern allen Segnungen (Mt 7,22-23; 25,11-13; Lk 13,25-28). Im ersten Buch Mose wird uns über verschiedene Menschen berichtet, die, wie Esau, dieses Erstgeburtsrecht verschmähten. Man denke an Kain, den Erstgeborenen aller Erstgeborenen, der es durch seinen Haß gegen seinen Bruder Abel verscherzte; an Ismael, der seinen Bruder verspottete; an Ruben, der mit seiner Fleischeslust sein Erstgeburtsrecht verlor. Widerstehe in der Kraft Gottes der Versuchung, dein Erstgeburtsrecht, deine Wiedergeburt, zu verkaufen gegen eine zeitliche Ergötzung durch die Sünde. Jesus, der Erstgeborene vieler Brüder, wurde versucht wie wir, z. B. auch im Hunger wie Esau, aber Er überwand siegreich. Wir sind Erben göttlicher Gnadenwahl, wenn wir sie nicht wie Esau leichtsinnig verschmähen.