Mit Rücksicht auf die große Bedeutung, die der vorliegende Bericht über dieses zwiefache Opfer für uns hat, wollen wir diesen Gegenstand eingehend behandeln.
Die Darbringung der zwei Böcke am großen Versöhnungstage beleuchtet mehr als irgend ein anderes alttestamentliches Bild die restlose Sühnung der Sünde. Beide Böcke, sowohl derjenige, der getötet wurde, als auch der zweite, der in die Wüste geschickt wurde, sind nötig, um ein vollkommenes Bild des Erlösungswerkes zu bekommen. In der näheren Betrachtung dieses vielsagenden Vorbildes wandern natürlich unsere Gedanken wieder hin auf Christus, unsern Sündenträger, auf Sein Leiden und Sterben für uns. Die Böcke aber weisen hin auf den ganzen Ernst der Sünde und ihre furchtbaren Folgen, zugleich aber auch auf den sicheren Ausweg der Sühnung durch das Blut.
Die beiden Böcke wurden von der Gemeinde zur Verfügung gestellt und vor den Eingang des Zeltes zu Aaron, dem Hohenpriester, gebracht. Es wurde das Los über sie geworfen, der eine war zum Tode bestimmt, und der andere wurde in die Wüste gejagt, wo er hoffnungslos dem Verderben ausgeliefert war. Die Israeliten sahen das Zucken des sterbenden Bockes, sahen sein Blut fließen, hörten den Todesschrei und wußten, daß das alles ihrer Sünde wegen geschah. Einen ungleich schwereren Opfergang erlebten der Hauptmann und die Volksmengen unter dem Kreuz, kein Wunden, daß sie an ihre Brust schlugen, als sie auf den Gekreuzigten blickten und die wahre Erfüllung dieses alttestamentlichen Vorbildes erlebten (Lk 23,47-49).
Der Bock, der geschlachtet wurde. Wir sahen bereits, daß er durch das Los bestimmt worden war, für die Schuld des Volkes Sühnung zu tun. Er ist gewiß ein Hinweis auf den Einen, den Gott vor Grundlegung der Welt zur Sühnung unserer Schuld erwählt hat. Petrus sagt in Apostelgeschichte 2,23, daß unser Herr nach Gottes Rat und Vorkenntnis durch die Hand der Gottlosen umgebracht worden ist. Ja, der Herr selbst bezeugt vor Seinem Tode, daß „der Sohn dahin geht, wie geschrieben steht“ (Mt 26,24). Er kam in die Welt, um für Sünder zu sterben (Mt 20,28). Die Sünde bedarf einer ausreichenden Sühne, wenn sie vergeben werden soll (Heb 9,22). Alle diese wichtigen Wahrheiten sind hier vorgeschattet. Der Bock wurde nun geschlachtet, aber was geschah mit dem Blut? Der Hohepriester ging damit ins Allerheiligste, besprengte siebenmal den Sühndeckel, den Vorhang, sowie alle Geräte des Heiligtums. Das gesprengte Blut sprach für das damals lebende Volk Israel vor Gott, aber das Blut Christi, das für uns geflossen ist, redet noch eine ganz andere, für alle Zeiten gültige Sprache vor Gott (Heb 12,24).
Es reinigt von Sünde (Heb 9,13.14). Es tilgt die Sünde und bewirkt Sühnung (1Joh 2,2). Es bringt dem verwundeten Gewissen Frieden (Heb 10,19-22). Es gibt Sieg über alle Feinde (1Sam 7,9.10; Off 12,10.11). Es schließt den Weg ins Verderben (2. Mose 12,13). Es öffnet den Weg zum Himmel (Lk 23,43; Off 7,14). Sein Lob erfüllt den ganzen Himmel (Off 5,9).
Christi Stellvertretung hat volle Genüge geleistet, die Sünde ist nun restlos gesühnt und getilgt. Das Volk konnte niemals seine Sünde selbst sühnen; aber es durfte die Böcke zur Sühnung bringen. Der heilige und gerechte Gott kann nur auf Grund des Blutes Seines Sohnes Gottlose gerecht sprechen (Röm 4,5). Jede Forderung des dreimal heiligen Gottes ist nun in Christo erfüllt. Der Verkläger ist zum Schweigen gebracht (Röm 8,33.34). Der Sünder besitzt nun die volle Gewißheit der Hoffnung des ewigen Lebens (Heb 6,11) und darf sich schon jetzt im Glauben Gott freimütig nahen, den er zuvor mit Regt fürchtete. Christi Opfer reicht aus zur Reinigung eines jeden Sünders, sofern er dieses Opfer im Glauben annimmt (Mt 12,31).
Der Bock, der in die Wüste gejagt wurde. Der geschlachtete Bock ist ein Zeugnis dafür, daß es ohne Blutvergießen keine Vergebung gibt und daß die Sünde gesühnt werden muß. Der Bock, der an Israels Stelle starb, starb mit und für dessen Sünde. Das Schicksal des zweiten Bockes aber deutete an, daß die Sünde für immer vom Sünder weggenommen war. Ober den zweiten Bock bekannte der Hohepriester die Sünden des Volkes, legte beide Hände auf denselben, und so übertrug er alle Schuld auf ihn. Das ist es, was mit unserm Herrn geschah. Unser aller Sünde wurde auf Ihn gelegt. Der mit Schuld beladene Bock wurde nun in die Wüste geführt, um nie mehr zurückzukehren. Und wie der Bock nie mehr zurückkehrt, ebensowenig kehrt die Sünde zurück. Es gibt selten ein so schönes Bild der Vergebung wie dieses.
Die Sünde ist von uns entfernt wie der Bock von Israel, der nie mehr zurückkehrte (Jes 38,17). Gott gedenkt ihrer Sünde nicht mehr (Heb 10,17).
Er hat die Sünde hinter Sich geworfen und damit für immer völlig entfernt (Ps 103,12). Sie ist ins Meer versenkt, da es am tiefsten ist (Micha 7,19).
Sie ist völlig ausgetilgt (Jes 44,22; Jer 31,34).
Eine gesegnete Folge. Beim Betrachten des Opfers Christi, vorgebildet in den zwei Böcken, fühlen wir, was wir verdient haben: den Tod, wie der erste Bock, und fortgejagt zu werden vom Angesichte Gottes, wie der zweite Bock. Beim Nachsinnen darüber bekommen wir so recht einen Einblick in das liebende Herz unseres Gottes, der Seinen eingeborenen Sohn nicht verschonte, sondern Ihn für uns alle dahingab (Röm 8,32; 1Joh 4,10). Petrus fragt: Wie sollten wir dann geschickt sein zu heiligem Wandel? (2Pet 3,11). Wahres Erkennen des Opfers Christi wird zu Heiligkeit und neuem Leben führen, zu einem Leben fleißig in guten Werken.