Schriften von Georg R. Brinke
Die Weltreiche im Lichte der Prophetie
Dan 2,12-23 - Eine ernste Gebetsstunde in BabylonDan 2,12-23 - Eine ernste Gebetsstunde in Babylon
Das Versagen der Vertreter der Religion Babels war offenbar und Nebukadnezar war im Begriff, seine entsetzliche Drohjung, „alle Weisen umzubringen“, auszuführen. Er mag sich gesagt haben: sie sind ja doch nur Betrüger und des Todes schuldig. Diesbezüglich hatte er letzten Endes nicht ganz unrecht. Nichtsdestoweniger steht die Tatsache fest, daß Nebukadnezar ein grausamer Tyrann war, der kein Erbarmen kannte. Ohne Rücksicht auf Weiber und Kinder sollten die Häuser der Weisen ausgerottet werden. Die Scharfrichter waren offenbar schon auf dem Wege, ihre Mission auszuführen, und erschienen auch vor Daniel und seinen Freunden, die jedoch noch nichts von der Verordnung des Königs wußten. Warum war wohl der zehnmal klügere Daniel übersehen worden? Wir antworten: alles mußte den weisen Absichten Gottes dienen.
Ein satanischer Plan. Der allmächtige Gott, der die
Geschicke der Völker in Seiner Hand hat, leitete die ganze Angelegenheit
des Traumes, und schon machte sich Satan, Gottes Gegner, auf und suchte
sofort Nutzen aus der Begebenheit zu ziehen. Längst waren ihm Daniel und
seine Genossen ein Dorn im Auge; denn alle, die sich vornehmen, sich
nicht zu verunreinigen, werden stets die besondere Zielscheibe Satans
sein. Wer sich wie ein Daniel vornimmt, allein seinem Gott zu leben und
keinerlei Konzessionen an die Welt zu machen, muß nicht nur bereit sein,
verkannt zu werden, sondern auch sein Leben um Christi willen zu
verlieren. Wohl ist es der allein weise Gott, der alles lenkt, doch
schließt das die Einwirkung gottfeindlicher Mächte nicht aus. Dies
geschieht unter göttlicher Zufassung. So ist der Zorn des Königs, über
die Unwissenheit der babylonischen Weisen, auf den Einfluß böser
geistlicher Mächte zurückzuführen (Eph 6,12). Wer gerade dann, wenn
der Gottesfürchtige die Zielscheibe Satans ist, erfährt er wie ein
Daniel, das Eingreifen und die Bewahrung Gottes. Es kann kein Haar von
unserem Haupte fallen, ohne den Willen Gottes (2Pet 2,9;
In die Ecke gestellte Gottesmänner. Wir verwunderten uns bereits darüber, baß Nebukadnezar Daniel und seine Freunde nicht hatte rufen lassen. Was mag die Ursache gewesen sein? Es ist wohl anzunehmen, daß Nebukadnezar kein Freund frommer Gesellschaft war. Solche Leute passen nicht an einen königlichen Hof, sie sind dort nur Spaßverderber und bringen zu grelles Licht in das leider bunte Treiben. So war es immer und so wird es stetst bleiben! Hat man nicht schon oft gerade die Besten auf die Seite gestellt? Doch die Stunde ist noch immer gekommen, in der man sie gern wieder aus ihrem Winkel herausholte.
Daniel erwiderte mit Verstand und Einsicht dem Obersten der Leibwache, der ihn und seine Kameraden suchte, um sie umzubringen: „Warum der strenge Befehl des Königs?“ Seine Frage zeigt eindeutig, daß er von allem, was ihm drohte, nichts wußte. Ist Daniel in dieser Hinsicht etwa allein? Nein, Unzählige müssen, nichts Böses ahnend, bis in unsere Tage hinein schuldlos, vielleicht nur auf Verleumdung und Mißgunst hin, einem grausamen Schicksal entgegengehen. Es geschieht also nichts Neues unter bei Sonne! Arioch erzählt nun Daniel und seinen Freunden die ganze Angelegenheit des Traumes Nebukadnezars und verschweigt vor allem das Versagen der Weisen nicht. Daraufhin ging Daniel mutig zum König. Nebukadnezar wird bald erkannt haben, daß er in seiner Aufregung und in seinem Zorn gar nicht mehr an den zehnmal klügeren, frommen Daniel gedacht hatte. Neue Hoffnung auf die Deutung seines Traumes erfüllte ihn. Daniel fand Gnade vor dem König, der ihm sogar eine Frist einräumte, was er den andern Weisen versagt hatte. Dock, wie benützte Daniel diese Frist? Er verließ den Thron des Königs und begab sich mit seinen Freunden:
Zum Thron der Gnade. Daniel verwirklichte die spätere Verheißung: „Wo zwei unter euch eins werden, worum sie mich bitten, das soll ihnen widerfahren.“ Wie anders, als allein durch das Gebet, konnten sie mit der schweren Aufgabe fertig werden. Wofür flehten sie zunächst? Um Gnade, damit sie nicht auch mit den übrigen Weisen Babels umkämen. Schon in Kapitel 1, 9 hatten sie Gnade erlangt von ihrem Gott, diesmal aber erwarteten sie noch viel mehr. Ist übrigens Daniel nicht der Mann, von dem wir in Kapitel 6 lesen, daß er gewohnt war, dreimal des Tages seine Knie zu beugen? Welch ein Anblick für Gott und die Engelwelt, vier Jünglinge auf ihren Knien in heißem Ringen zu sehen, und zwar inmitten eines verkehrten und verderbten Geschlechtes. Sie flehten ernstlich zum Gott des Himmels, indem sie vielleicht an ihren Erzvater Jakob dachten, als er vor Pniel mit Gott rang, und sich auch in Todesgefahr befand, weil sich Esau, mit dem er nickt im reinen war, mit vierhundert Mann ihm nahte. Gemeinsames Gebet ist die stärkste und wirksamste Waffe der Gläubigen. Man lese die Apostelgeschichte mit ihren vielen Beispielen. So lange wir die schönte Verheißung haben: „Wo zwei unter euch eins werden“ ist Großes zu erwarten. Das haben auch die vier Heiligen in Babel erfahren. In der Fremde waren sie allein auf das Gebet angewiesen, und sie konnten nicht mehr, wie früher in der Heimat, die Urim und Thumim befragen, noch waren hier Priester und Altar vorhanden. Sie hatten bereits gelernt, was später der Herr der Samariterin sagte, daß nicht Jerusalem allein der Ort sei, wo man anbete, sondern, daß die wahrhaftigen Anbeter Gott überall im Geiste und in der Wahrheit anbeten können. Die herrlichen Tage, in denen Gott sich mit Seinem Volke Israel eins machte und vor den siegreichen Scharen des Volkes herzog, waren vorüber (Josua 3,11,13; 5,14). Aber trotz aller Untreue der Gesamtheit des Volkes, antwortete Er doch, wie wir sehen, auf den Glauben der Einzelnen. So beteten jene vier Jünglinge, umgeben von dunkelstem Heidentum, und sie wurden erhört. Ein Jona betete sogar im Fisch. Und der Gott, den Jona aus dem Bauche des Fisches rettete, vermochte auch sie zu retten. Wieder andere beteten in Höhlen und Klüften und Katakomben (Heb 11,38). Noch immer hat Gottes Volk den Sieg davongetragen, wenn es sich zu ernstem Gebet vereinigte. Unmögliches lag vor den vier Jünglingen, aber bei Gott sind alle Dinge möglich. Lernen wir von dieser Gebetsstunde in Babylon, wie wichtig und erfolgreich gemeinsames Gebet ist. Dazu kannten jene vier Beter die herrlichen Verheißungen noch nicht in dem Maße, wie wir sie heute kennen. Sie beteten zu dem „Gott des Himmels“ und wir zu dem „Vater unseres Herrn Jesus Christus“. Wir dürfen in Seinem Namen kommen und daran denken, daß Er gesagt hat: „So ihr den Vater etwas bitten werdet in meinem Namen, so wird er es euch geben.“
Ein siebenfaches Lob. Der Erhörer der Gebete antwortete auf das Schreien der Seinen. Der Herr schenkte Daniel beides; den Traum und die Deutung. Daniel vergaß das Danken nicht. Er eilte nicht zuerst zum König, wie jene neun vom Aussatz geheilten, die einfach heimgingen, so aß der Herr fragen mußte: „Wo sind die neun?“ Wie werden die Angesichter der drei Freunde Daniels geleuchtet haben, als er ihnen den Traum kund tat ‑ und auch sie werden gemeinsam mit Daniel gedankt haben. Daniels Loblied beginnt mit dem „Gott des Himmels“ und endet mit dem „Gott der Väter“ (Vers 19, 23). Sein Loblied lautet: „Gepriesen sei der Name Gottes von Ewigkeit zu Ewigkeit.“ Er dankt dem Gott, welcher derselbe ist, gestern, heute und in Ewigkeit; dem Gott, der sich schon den Vätern so mächtiglich geoffenbart hatte.
Er fährt weiter fort und sagt: „Weisheit und Macht sind sein.“ Daniel bildete sich nichts darauf ein, daß er zehnmal klüger war als die andern. Er schrieb die Weisheit allein Gott zu. Das muß uns allen zu denken geben und uns ermuntern, Gott die Ehre zu geben, wenn wir Ihn um Weisheit bitten und er sie uns schenkt. Wem Weisheit mangelt, der bitte von Gott. Christus ist uns zur Weisheit gemacht. Er ist die Weisheit Gottes.
Ferner sagt Daniel: „Er ändert Zeiten und ,Zeitpunkte.“ Daniel wußte, daß Israels Stunde geschlagen und die Zeiten der Nationen begonnen hatten. So demütigend und bitter ihm der Untergang Judas auch geworden war, so dankte er dennoch dafür. „Er setzt Könige ab und hebt andere auf den Thron.“ Dabei mag Daniel an Judas letzten König gedacht haben, den Gott abgesetzt und dafür Nebukadnezar auf den Thron erhoben hatte. Gott ist souverän und handelt wie Er will. Er gibt den Völkern die Macht, und er nimmt sie ihnen.
Weiter rühmt Daniel: „Er offenbart das Tiefe und das Verborgene.“ So offenbart er die Sünden der Menschen, auch die verborgenen, und tut jedem Bußfertigen die Tiefe Seiner Gnade durch Sündenvergebung kund. „Er weiß was in der Finsternis ist und bei Ihm wohnt das Licht!“ Er offenbart Seine Geheimnisse Seinen Dienern. Wir erinnern an den Apostel Paulus, dm Gott s große Geheimnisse geoffenbart hat, daß er staunend ausrief: „Welch eine Tiefe des Reichtums“ (Röm 11,33-36). In Daniels Fall offenbarte Gott den vergessenen Traum Nebukadnezars.
Schließlich steigert sich sein Dank in Vers 23 zu einem gewaltigen Lobpreis.