Der eherne Altar, der auch Brandopferaltar genannt wurde, war der größte und wohl auch bedeutendste Gegenstand im Vorhof. Er stellte den gnädigen Treffpunkt des Sünders mit Gott dar und ist zugleich ein Hinweis oder Vorbild auf den Weg zu Gott, den Heilsweg. Durch den Altar kam der Israelit in Gemeinschaft mit Gott. Er war für ihn die Jakobsleiter. Vor dem Altar erscheinen hieß für jeden, mit dem dreimalheiligen Gott zusammenkommen, um das verdiente Gericht über sich ergehen zu lassen, das aber das vorschriftsmäßig mitgebrachte Opfer traf.
Der Standort des Altars. Gleich nach dem Eintritt in den Vorhof stand der Israelit zuerst vor diesem Altar. Jeder, der das Bedürfnis nach Gemeinschaft mit Gott empfand und diese suchte, fand diese nur vor dem ehernen Altar. Das war der von Gott dafür bestimmte Ort. Aber was sah der Eintretende hier? Das Feuer, das Tag und Nacht darauf brannte und die Opfer verzehrte, die der Sünder brachte (2. Mose 29,36-46). Hier merkte der Israelit etwas von der absoluten Gerechtigkeit und Heiligkeit Gottes und der Unbeugsamkeit des Gesetzes. Hier lernte er, daß der Übertreter des Gesetzes sterben muß, daß der Tod der Sünde Sold ist (Röm 6,23). Hier wurde ihm klar, daß dem schuldiggewordenen Menschen keine guten Werke, noch irgend welche Entschuldigungen helfen; auch gab es keinerlei mildernde Umstände. Nur die völlige Erfüllung des Gesetzes, das Israel zu halten versprochen hatte, hätte Geltung gehabt vor Gott. Aber alle ohne Ausnahme waren Sünder und ermangelten des Ruhmes, den sie vor Gott haben sollten (Röm 3,23). Mithin bedurfte jeder eines Opfers. Hier aber lernte der Sünder nicht nur die Gerechtigkeit Gottes kennen, sondern auch Sein großes Erbarmen über den Sünder, Seine unaussprechliche Liebe, die nicht den Tod des Sünders will, sondern daß er lebe (Hes 33,11). Gott hat als Ausweg eine ewige Erlösung erfunden (Heb 9,12), indem Er unsere Sünden auf das Opferlamm legte. Was dem Israeliten damals der eherne Altar war, das ist uns heute das Kreuz von Golgatha. In Christo hat Gott Selbst für unsere Sünde Sühnung getan. Wer also mit seiner Schuld glaubensvoll zu dem Lamme Gottes kommt, ist für ewig gerettet, ist Gott angenehm gemacht (Eph 1,6) und hat nun beständigen Zutritt zu Gott wie ein Kind zu seinem Vater. Für den unter seiner Schuld seufzenden Israeliten war also der Weg zum Altar der erste Schritt zum Frieden mit Gott. Das lernen wir wiederum kennen bei der Rückkehr Judas aus der babylonischen Gefangenschaft. Der Sünde wegen war das Volk dorthin gekommen. Dort seufzte es unter dem Druck seiner siegreichen Feinde (Ps 137,2) und hing die Harfen auf die Weiden, denn die Sünde bewirkt nur Traurigkeit. Nach langer Zeit tat Israel endlich Buße, Gott erbarmte sich Seines Volkes und führte es unter Esra und Nehemia zurück ins Land der Verheißung. Juda erkannte bald. daß nicht die Buße von sich aus Sünde tilgt, sondern allein das Blut, das am Altar floß. Darum wurde zuerst wieder der eherne Altar errichtet. Dieses herrliche Vorbild sollte jeden Rückfälligen ermuntern, der wie einst Israel den neuen Weg verlassen hat und wiederum in die Welt und Sünde zurückgegangen ist, doch umzukehren. Auch für ihn gibt es einen Altar, und der heißt das Kreuz von Golgatha. Ihm möchten wir mit dem Dichter zurufen:
„Komm zum Kreuz mit deinen Lasten, müder Pilger du. Bei dem Kreuze kannst du rasten, da ist Ruh.“
Es ist mir, als höre ich noch heute den greisen Heilsarmeegeneral Booth in die großen Versammlungen hineinrufen: „Backslider come along, come along, come along.“ (Abtrünniger, komm zurück, komm, komm!) Und ich sehe im Geiste so manchen den Weg zum Kreuz zurückfinden. Sollten diese Zeilen so einem friedelosen Abtrünnigen in die Hände kommen, dann möchte ich ihn ermuntern, zurückzukehren zum Herrn, denn Er wartet auf ihn. Er hat Gaben empfangen für Abtrünnige. Die schöne Geschichte in Lk 15 vorn verlorenen Sohn ist der beste Beweis dafür.
Die Gestaltung des ehernen Altars. Es war eine Art Kasten aus Akazienholz, mit Erz, also einem ganz anderen Material, überzogen. Solch ein Gedanke wäre kaum jemandem gekommen. Dem Akazienholz werden wir noch öfters begegnen, es ist unverwüstlich und darum am besten geeignet, jedem Wetter ausgesetzt zu sein. Es ist ein Hinweis auf die menschliche Natur Christi als dem Reis aus dürrem Erdreich (Jes 53,2). In diesem Holz sehen wir Den vorgeschattet, der unsertwegen Fleisch und Blut wurde, der Knechtsgestalt annahm und an Gebärden als ein Mensch erfunden worden ist (Heb 2,14; Phil 2,6-8). Unser Herr ist beides, Gott und Mensch, das allein befähigt Ihn, Mittler zu sein zwischen Gott und Mensch (1Tim 2,5.6).
Den zweiten Bestandteil des Altars bildete das Erz, damit war der ganze Altar überzogen, so daß man nichts mehr vom Holz sah. Als der Herr in Off 1 dem Johannes in richtender Gestalt erschien, fiel dieser wie ein Toter zu Seinen Füßen. Dort sehen wir die Füße von Erz. Habakuk sagt Kap. 1,13 „Du bist zu rein von Augen, um Böses zu sehen", aber Er muß das Böse richten. Gott richtet die Sünde und schont niemanden. Er schonte weder Mose noch David, den Mann nach Seinem Herzen, vor allem nicht Seinen geliebten Sohn. Als die Sünde auf Ihn gelegt wurde, behandelte Ihn Gott wie einen Sünder, und Er mußte fremde Schuld mit dem Tode büßen.
Der Altar war viereckig, je fünf Ellen lang und breit und drei Ellen hoch. Er stand also fest und konnte nicht umgeworfen werden. Das Kreuz Christi stand fest, bis es seine Aufgabe erfüllt hatte. Bildlich gesprochen steht es fest bis in alle Ewigkeit. An den vier Ecken hatte der Altar Hörner, ein Bild der Kraft. Der Stier hat seine Kraft in den Hörnern. An die Hörner wurden wohl die Opfertiere gebunden, die zum Opfer gebracht wurden. Die Hörner haben noch eine andere Bedeutung: zu ihnen nahm mancher Schutzsuchende Zuflucht vor seinen Verfolgern (1Kön 1,50; 2,28; 2. Mose 21,14). Die Hörner wurden mit Blut bestrichen (2. Mose 29,12). Man berührte sie auch beim Reigen, um Gottes Kraft zu erfahren. An zwei Stellen des Altars befanden sich zwei Stangen zum Tragen. Erhob sich die Wolkensäule, so folgten ihr die Leviten, die die Stiftshütte mit all ihrem Gerät trugen. Oben auf dem Altar befand sich ein ehernes Gitter, durch welches die Asche fiel. Der Altar selbst war unansehnlich. Man denke nur an das viele Blut, das darüber gesprengt wurde. Er ist so recht ein Bild von dem, der „keine Gestalt noch Schönheit hatte, der so verunstaltet war, daß man das Angesicht vor Ihm verbarg“(Jes 53,3). Auch alle zum Altar nötigen Geräte, wie Schaufeln, Zangen, Pfannen usw., waren von Erz.
Der Dienst am ehernen Altar. Dieser Dienst wurde von den Priestern getan. Der Priester, der an Gottes Stelle diente, empfing den Sünder mit einem Opfertier. Der Sünder legte seine Hand auf den Kopf des Tieres und bekannte seine Sünde. Die Sünde wurde also auf das Tier gelegt. Dieses nahm freilich unbewußt und ungewollt die Schuld des Sünders auf sich, damit aber auch die verdiente Strafe. Der Priester trat mit seinem Messer heran und schlachtete das Tier, nahm dessen Blut und sprengte es zur Sühne an den Altar, das Tier selbst wurde auf dem Altar verbrannt. Es ist nicht schwer zu sagen, wer der Schuldige war, der Opfernde oder das Tier, das an dessen Stelle das Leben lassen mußte. Das Tier mochte stöhnen oder sich wehren, da half nichts, es mußte sterben. Jeder aufrichtig forschende Bibelleser sieht gewiß in dem Vorbilde Den, der am Kreuze für uns starb, der aber nicht von einem Priester, sondern von Gott selbst geschlagen wurde (Jes 53,4). Vergessen wir nicht, wie unser Herr im Garten Gethsemane mit dem Tode rang und Sein Schweiß war wie große Blutstropfen (Lk 22,44). Hier half kein Bitten: „Vater, wenn es möglich ist, so gehe dieser Kelch von Mir“ (Mach. 26,39). Der Herr hatte sich schon vor Grundlegung der Welt bereit erklärt, als das Lamm Gottes unsere Sünde zu sühnen, und so mußte Er an unserer Statt sterben (Off 13,8). Wir fallen nieder und beten an, wenn wir uns in diese beispiellose Opferbereitschaft des Herrn vertiefen. Wir danken dem Vater, der das Reinste uns zu gut dahin gab, Seinen eingeborenen Sohn, der in Seinem Schoße lag. Wir beten aber auch den Sohn an, der Sich beladen ließ mit all unseren Sünden und Vergehungen und sie hinweg trug (Joh. 1,29). Unmöglich konnte das Blut von Böcken und Stieren Sünde hinwegnehmen, es hatte nur symbolhafte Bedeutung. Da aber kam Er und opferte Sich für uns (Heb 10,4-10). Unser aller Sünde wurde auf Ihn gelegt (Jes 53,6; 1Pet 2,24; 2Kor 5,21). Der Gerechte starb für die Ungerechten (1Pet 3,18). Niemand mußte den Tod so bitter empfinden wie Er, der sich selbst das Leben nannte, aber Er hat trotzdem gesagt: „Deinen Willen, o Gott, tue Ich gern“ (Ps 40,9).
Der eherne Altar war nach ganz genauer Vorschrift von Menschenhand hergestellt. So ist unser Herr nach dem Rat Gottes durch die Hände der Gesetzlosen gekreuzigt worden (Apg 2,23). Wie der Israelit auf keinem andern Wege Gott nahen konnte als vor dem ehernen Altar, ebenso kann der Sünder heute auf keinem andern Wege das Heil finden als vor dem Kreuz Christi. Nur im Kreuz ist Heil. Alle, die das Lamm Gottes aufnehmen, haben das Recht, sich Gotteskinder zu nennen (Joh 1,12.13). Er ist und bleibt das Lamm in allen Aeonen (Off 1,18; 4,9; 5,14).
Der Altar weist uns auch hin auf unsern Missionsauftrag. Er war, wie wir bereits sahen, ausgestattet mit vier Ringen und zwei Stangen zum Tragen. Erhob sich die Wolkensäule, so nahmen die Priester den Altar und trugen ihn ihr nach. Wir sahen auch bereits, daß der eherne Altar ein Vorbild auf das Kreuz des Herrn ist. So muß die frohe Botschaft vom Kreuz, daß der Herr um unserer Sünde willen starb und um unserer Gerechtigkeit willen auferweckt worden ist (Röm 4,25), in alle Welt hinausgetragen werden. Das hat der Auferstandene geboten (Mt 28,20). Und Er will uns führen, wie Israel durch die Wolkensäule geführt wurde. Paulus rühmte sich allein des Kreuzes und begehrte nichts anderes zu wissen (Gal 6,14). Die Liebe Christi, die reichlich in sein Herz ausgegossen war (Röm 5,5), trieb ihn dazu (2Kor 5,14), so daß er sagen durfte, daß er die ganze Welt mit dem Evangelium erfüllt habe. Es ist auch unsere Pflicht, allen zu sagen: Lasset euch versöhnen mit Gott“ (2Kor 5,20).
Selbst die Asche des Opfertieres redet zu uns. Nachdem das Tier verbrannt war, wurde die Asche hinaus an einen reinen Ort geschafft. Es blieb also buchstäblich gar nichts zurück vom Opfertier als dem Träger der Sündenlast. Die Asche war der Beweis für die Vollendung des Opfers. Die Leiden und Schmerzen waren vorüber. Darin liegt ein weiterer Hinweis auf den, der zuletzt ausgerufen hat: „Es ist vollbracht“ und der nach Seinem Tod auch hinweggetragen wurde an einen reinen Ort und zwar in ein neues Grab (Lk 23,53). Was hat uns das zu sagen? Gott sieht nichts mehr von unserer Sünde. Er gedenkt ihrer nicht mehr, Er hat sie ins Meer versenkt, da es am tiefsten ist. Unsere Sünde ist in Christus völlig beseitigt, und da Gott nicht mehr an sie gedenkt, so müssen wir es auch nicht mehr. Uns aber, die wir gereinigt sind, sieht Gott an als Seine Kinder (Mt 12,50).
Das Feuer auf dem Altar. Es brannte beständig. Wer entzündete es aber zuerst? In 3. Mose 9,24 finden wir die Antwort. Gott selbst entzündete das Opfer. Das Feuer ist ein Symbol der Heiligkeit Gottes, des Gerichtes, denn unser Gott ist ein verzehrendes Feuer (Heb 12,29). Das Feuer vom Himmel fiel auf das Opfer; wäre es nicht auf dieses gefallen, so hätte es den Sünder verzehrt, der an dieser Stätte Versöhnung mit Gott suchte. Bei der Einweihung des Tempels finden wir dieselbe Tatsache bestätigt (2Chr 7,1). Als ich vor Jahren eine Woche hindurch Lichtbildervorträge über die Stiftshütte hielt, hörte auch ein junger Mann zu. Er war tief ergriffen von dem Bilde des ehernen Altars und allem, was er darüber hörte, und wurde an jenem Abend ein Gotteskind. Er kam verspätet heim, da fragte ihn der Vater nach dem Grunde der Verspätung. Voller Freude berichtete der Sohn und sagte zum Vater: Heute habe ich erfahren, wie man ein Gotteskind wird und glauben darf, daß der Herr für uns gestorben ist. Der Redner erklärte uns, entweder brenne das Lamm für uns, oder wir selbst müssen unserer Sünde wegen in der Hölle brennen. Vater, ich muß es nicht mehr, weil ich weiß, daß Jesus für mich starb, und ich mich Ihm übergeben habe. Aber du mußt es, weil du noch nicht ein Eigentum des Lammes geworden bist. Vater und Mutter waren so ergriffen vom Zeugnis ihres Sohnes, daß sie beide in derselben Woche die letzten Vorträge besuchten und ebenfalls Frieden fanden.
Zum Schluß sei noch auf weitere Opferstätten bzw. Altäre hingewiesen, denen wir bei besonders bedeutsamen Neuanfängen begegnen. Sie alle bezeugen uns die Wichtigkeit der Sühne am Altar.
Das erste Opfer, durch Menschen gebracht, das Blut forderte, wird uns in 1. Mose 4,4 berichtet. Abel brachte von den Erstlingen seiner Herde und schuf damit ein Vorbild auf alle folgenden. Er erkannte das Bedürfnis einer Versöhnung durch das Blut und weist damit hin auf das eine Lamm, das unsere Sünde hinweg trägt (Joh 1,29).
Über den ersten eigentlichen Altar, den Noah dem Herrn errichtete, lesen wir in 1. Mose 8,20-22.
Ihm folgt der Altar, den Abraham beim Eintritt in das verheißene Land dem Herrn baute (1. Mose 12,7).
Der nächstfolgende ist der eherne Altar im Vorhof der Stiftshütte, der uns in dem vorstehenden Kapitel beschäftigt hat.
Dann folgt die Opferstätte, die Salomo im Tempel weihte (1Kön 8,64).
Der sechste Altar wurde nach Israels Rückkehr aus Babylon erstellt. Wir haben ihn schon erwähnt (Esra 3,2).
Zuletzt nennt die Schrift den Altar im kommenden Millennium, den Israel wiederum errichten wird, wenn es nach der großen Trübsal in sein Land zurückkehren wird (Hes 40).
Mögen diese Anregungen dazu dienen, daß wir noch mehr über den Altar und dessen neutestamentliche Bedeutung, das Kreuz, nachdenken und noch freudiger und inniger Gottes Barmherzigkeit anbeten.