Schriften von Georg R. Brinke
1Mo 22 - Das stellvertretende Opfer für Isaak1Mo 22 - Das stellvertretende Opfer für Isaak
Wenn man den biblischen Bericht über Isaaks Opferung betrachtet, dann steht in der Regel Abraham im Brennpunkt der Geschehnisse, was ganz verständlich ist, er ist ja ausschließlich der Handelnde. Gibt man sich aber Mühe, einmal Isaak ins Zentrum zu stellen, dann ergeben sich ganz neue Gesichtspunkte, die uns von gleicher Wichtigkeit werden können. Wenngleich Isaak kaum irgendwie selbständig handelt, hat uns doch sein Anteil an den Ereignissen sehr viel zu sagen. Wenn wir erst diese Geschichte auf den himmlischen Vater und das Opfer Seines Sohnes anwenden, so tritt nicht nur Abraham, sondern auch Isaak besonders hervor.
Der geliebte Sohn. Was Isaak in Abrahams Familie war, ist uns bekannt. Er war der heißgeliebte Sohn, der verheißene Erbe, der Träger der göttlichen Verheißung, die Wonne und Freude der Eltern, auf ihm ruhte ihre ganze Hoffnung. Bestimmt wußte er auch um seine wunderbare Geburt, und der Vater wird schon aus erzieherischen Gründen ihn mit den großen Gedanken vertraut gemacht haben, die Gott mit ihm hatte.
Unendlich größer erscheint uns das Wort „der geliebte Sohn“, wenn wir es auf unseren Herrn anwenden, den Sohn des Höchsten, den Abglanz der Herrlichkeit Gottes, den alle Engel anbeten. Wie heiß der Gottessohn geliebt und geehrt ist, vermag niemand zu beschreiben.
Isaaks Gehorsam. Schon in Kap. 18,19 lasen wir von Abrahams wohlgeordnetem, vorbildlichem Hause, und hier sehen wir Isaak als vorbildlich erzogenen jungen Mann. Obwohl er der einzige Sohn war und in hohem Alter geboren, war er keineswegs verwöhnt. Isaak war auch sehr gottesfürchtig. Gern unternahm er mit seinem Vater eine dreitägige Fußwanderung, dessen Zweck ein Gottesdienst war. Er verrichtet peinlich genau, was der Vater befiehlt. Doch niemals langt Isaak an Den heran, den er ohne Zweifel hier vorschattet, an den Herrn. Nur Er konnte sagen: „Ich tue allezeit, was Meinem Vater wohlgefällt“ (Joh 8,29).
Der Weg nach Morija. Oft werden Vater und Sohn durch Fluren, Felder und Wälder zusammen gewandert sein, aber kein Weg muß Isaak so eigen vorgekommen sein wie dieser. Sonst wurde über allerlei Interessantes geplaudert, diesmal aber war nur eisiges Schweigen. Der Vater erblickt die Opferstätte von ferne und befiehlt den Knechten, zurückzubleiben, während er mit Isaak den Rest des Weges weitergeht. Isaak fragt seinen Vater nach dem Opfertier, denn immer wurde ein Schaf oder ein anderes Opfertier mitgeführt. Jetzt scheint es ihm fast, als habe der Vater das Wichtigste vergessen. Wir können uns gut vorstellen, wie diese Frage den Vater tief ins Herz schnitt. Die Frage Isaaks nach dem Schaf zum Brandopfer scheint die einzige Unterbrechung gewesen zu sein. Die Antwort des Vaters war mehr als menschliches Wort, sie war von oben eingegeben. (Vs. 8).
Schwer war Isaaks Weg nach Morija, aber unendlich viel schwerer war der Weg des Herrn nach Golgatha. Wohl trugen beide das Holz, aber unser Herr trug unendlich viel mehr als das Fluchholz, Er trug die Last unserer Sünde (Jes 53). Isaak ging den Weg mit seinem Vater, der Herr aber ging ihn allein, denn alle Jünger hatten Ihn verlassen, ja mehr, Er war selbst von Gott verlassen worden (Mt 27,46). Isaak ahnte nicht, was vor ihm lag, der Herr aber kannte den unbeschreiblichen Ausgang Seines Weges.
Gehorsam bis zum Tode. Mit tiefer Bewunderung beobachten wir die letzten Vorbereitungen Abrahams auf Morija. Er richtet den Altar her und legt das Holz auf. Wer könnte die Gefühle beschreiben, die sein Herz dabei erfüllten? Nun enthüllt der Vater dem Sohn den göttlichen Auftrag und macht ihm klar, daß es für ihn nur eins gibt, ihn zu erfüllen. Isaaks Angesicht erbleicht wie Schnee, Schrecken erfüllt sein Herz, und er, der sich längst als Erbe des väterlichen Reichtums sah, muß dem Tode ins Angesicht blicken. Was sehen wir in Isaak? Einen nie dagewesenen Kindesgehorsam. Isaak war kein Knabe mehr, wie er etwa auf Opferbildern dargestellt wird. Josephus sagt, daß Isaak etwa 25 Jahre alt war, als er sich opfern ließ, und mit Leichtigkeit hätte er sich dem Vater widersetzen können. Ergeben läßt er sich aber binden und wartet auf Messer und Feuer, die seinem jungen Leben ein Ende bereiten sollen. Immer wieder sollten Kinder dieses Kapitel betrachten und es mit ihrem Verhalten den Eltern gegenüber vergleichen.
Unvergleichlich größer aber ist neben Isaaks Gehorsam der Gehorsam des Sohnes Gottes, der freiwillig den schlimmsten Tod erduldete. Bei Ihm war kein Binden nötig. All die vorausgegangenen Leiden und Kämpfe, die der Herr bereits in Gethsemane, vor dem Hohen Rat und vor Pilatus mit der entsetzlichen Geißelung erduldet hatte, kannte Isaak nicht. Der Herr war in die Welt gekommen mit der Absicht, für uns zu sterben, um Sühnung für unsere Sünde zu tun.
Das große Geheimnis der Stellvertretung. Während noch Abraham und Isaak zur Opferstätte schritten, fragte Isaak nach dem Schaf zum Brandopfer. Abraham antwortete ihm: „Gott wird sich ersehen ein Schaf zum Brandopfer.“ Isaak blieb zwar die Todesangst nicht erspart, aber das Letzte, den Todesstoß, mußte er nicht schmecken. Hier am Altar vernahm wohl Isaak zum ersten Male die Stimme Gottes, das herrliche Wort: Abraham, Abraham, tue ihm nichts zu leide, denn nun weiß ich, daß du Gott fürchtest und deinen Sohn, deinen einzigen, Mir nicht vorenthalten hast.“ Isaak lernte am Altar die Wege Gottes kennen, was für ihn als Erben der Verheißung nötig war. An Isaaks Stelle mußte ein Widder sterben. Christus aber hat sein Leben dahingegeben trotz der Warnung Seines Jüngers Petrus: „Das widerfahre Dir nur nicht“ (Mt 16,22), trotz der Gewißheit, wie schwer der Opfergang werden würde, trotz des Wissens um die „mehr denn zwölf Legionen Engel“, die Gott ihm zugesandt hätte, wenn Er nur gewollt hätte (Mt 26,53). Noch nie zuvor ist Isaak ein Opfer am Altar so wichtig geworden wie dieses. Er wußte: Gott hat sich meiner erbarmt und mir einen Stellvertreter gegeben und mich vom Tode befreit. Allerlei Gedanken müssen durch Isaaks Herz gegangen sein, als er das Blut fließen sah und den Widder in Flammen aufgehen. Es wird auch Isaak klar geworden sein, daß er als Sünder nichts anderes als den Tod verdient hatte und daß der Widder an seiner Stelle sterben mußte. Hätte Isaak das schöne Lied gekannt: „Auf dem Lamm ruht meine Seele, betet voll Bewunderung an“, so hätte er es gewiß gesungen.
Siehe, das Lamm Gottes. Für Isaak gab es einen
Stellvertreter, nicht aber für unsern Herrn. Er war das Lamm, das
geschlachtet werden sollte, vor Grundlegung der Welt für uns bestimmt
(Off 13,8; 1Pet 1,19.20). Am Kreuz sehen wir in Christus unsern
Stellvertreter, das Urteil Gottes über unsere Sünde. Die schreckliche
Not, in der Isaak war, zeigt, was wir für unsere Sünde verdient haben.
Hätte uns nicht der Vater so geliebt, daß er bereit war, Seinen Sohn für
uns dahinzugeben, und hätte der Sohn nicht dieselbe Liebe bewiesen, um
an unserer Stelle zu sterben, dann gingen wir alle in die ewige Pein. Da
der Herr für uns starb wie der Widder für Isaak, gehen wir nicht nur
frei aus, sondern dürfen sogar wie Isaak mit dem Vater ins Vaterhaus
heimkehren (Joh 1,29; Apg 8,32; 1Pet 1,19;
Beachten wir zum Schluß noch kurz die Verse 15-24. Abrahams Opfer versetzte selbst Gott in großes Staunen, und Er erneuerte die Verheißung an ihn mit einem Schwur: „Ich schwöre bei Mir selbst, spricht Jehova, daß, weil du dieses getan und deinen Sohn, deinen einzigen, Mir nicht vorenthalten hast, Ich dich reichlich segnen und deinen Samen sehr mehren werde wie die Sterne des Himmels und der Sand, der am Ufer des Meeres ist, und in deinem Samen werden sich segnen alle Nationen der Erde, darum, daß du Meiner Stimme gehorcht hast.“ Den einen, Isaak, opferte Abraham, und dieses Gehorsams wegen wurde ihm nun die Menge geschenkt. Hierin erkennen wir wiederum Isaak als Vorbild auf Christus. In Jes. 53,10 lesen wir: „Doch Jehova gefiel es, Ihn zu zerschlagen, Er hat Ihn leiden lassen. Wenn Seine Seele das Schuldopfer gestellt haben wird, so wird Er Samen sehen ‑ ‑ ‑. Von der Mühsal Seiner Seele wird er Frucht sehen und sich sättigen“ usw. Und der Herr selbst sagt in Joh 12,24: „Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und stirbt, bleibt es allein; wenn es aber stirbt, bringt es viel Frucht.“ Er, der sich das Weizenkorn nennt, ist in die Erde gefallen, und wir selbst sind nun die Weizenkörner als Frucht Seines Todes. Nun darf Er sagen: „Ich und die Kinder, die Du Mir gegeben hast“.
Im nächsten Vers (25) fügt der Herr hinzu: „Wer sein Leben liebt, wird es verlieren; und wer sein Leben in dieser Welt haßt, wird es zum ewigen Leben bewahren.“ Was sagt uns diese wichtige Wahrheit? Daß es nur durch Sterben Frucht gibt. Wer nicht bereitwillig auf Pauli Worte eingeht: „Ich bin mit Christo gestorben“, kann unmöglich Frucht für Jesus bringen. Nur mit Christo Gestorbene werden wie Er die Menge zur Beute bekommen werden, Seelengewinner sein. Lieber Leser, wir wollen über diese Wahrheit ernstlich nachdenken und mit uns selbst ins Gericht gehen, um nicht an jenem Tage leer vor dem Herrn erscheinen zu müssen.