Schriften von Georg R. Brinke
1. Mose 31 - VOR J A K O B S ABREISE1. Mose 31 - VOR J A K O B S ABREISE
In den Kapiteln 29 und 30 hatten wir Gelegenheit, den Aufenthalt Jakobs in Haran zu betrachten und die Gründung seiner zahlreichen Familie. Wir sahen auch, wie er zu seinem Reichtum gelangt ist. Aber auch sein oft ungeistliches Verhalten blieb uns nicht verborgen. Gott erfüllte an Jakob treulich die ihm in Bethel gegebene Verheißung. Jakob aber blieb weit zurück. Haran war eine harte Schule für Jakob. Hier sollte der Erbe der Verheißung für seine hohe Aufgabe vorbereitet werden; aber Jakob war, wie wir wohl alle, schwer erziehbar. Gottes Auserwählte vergessen nur zu leicht und oft ihre göttliche Bestimmung (Eph 1,3-6). Jakob wurde reich, und das gefällt auch meistens dem irdisch gesinnten Gotteskind. Er vergaß darüber das Land der Väter und handelte ähnlich wie seine Nachkommen in späteren Jahren, da Moses ihnen sagen mußte: „Lange genug seid ihr an diesem Berge gewesen.“ Gott hat Mittel und Wege, die Seinen von den irdischen Dingen zu lösen und sie geschickt zu machen, nach dem zu trachten, was droben ist und nicht nach dem, was auf Erden ist. Vergessen wir nie, daß wir in die Gemeinschaft Seines Sohnes berufen sind (1Kor 1,9), sonst muß Gott Zucht anwenden wie hier bei Jakob.
Gottes Zuchtmittel: Zaum und Gebiß. David sagt: „Seid nicht wie Rosse und Maultiere, denen man Zaum und Zügel anlegen muß (Ps 32,9). Was waren nun die Zaum und Zügel, die Jakob endlich zur Rückkehr bewogen?
In dem Maße, wie Jakobs Segnungen wuchsen, nahmen auch der Neid und die Ungunst Labans und seiner Söhne zu (Vers 1.2; Spr 27,4; Pred 4,4). Obwohl Jakob oft recht fleischlich handelte, so ruhte dennoch Gottes Segen sichtbar auf ihm (Vers 912). Sein ständig zunehmender Reichtum blieb nicht verborgen. Die Bemerkung der Söhne Labans in Vers 1: „Jakob hat alles genommen, was unserem Vater gehörte“, war nicht ganz grundlos, denn sie durchschauten auch Jakobs ungeistliches Handeln und seine List. Hingegen übersahen sie völlig die Durchtriebenheit ihres Vaters Laban, der ja dem Jakob zehnmal den Lohn geändert hatte (Vers 7). Und hätte es in Labans Macht gestanden, so hätte er Jakob leer heimziehen lassen. Diese Nöte machten das Bleiben Jakobs in Haran unmöglich. Das alles aber war von Gott zugelassen, damit Jakob endlich heimkehrte. Sodann lag ein deutlicher zweimaliger Befehl Gottes zur Rückkehr Jakobs vor. Gott gebot ihm: „Kehre zurück in das Land deiner Verwandtschaft!“ (Vers 3,13). Der Herr versicherte ihm, sein Begleiter zu sein, und war es auch ganz sichtbar. Jakob lebte in Haran ohne Altar, ohne Gemeinschaft mit Gott. So befahl ihm Gott endlich auszuziehen, damit Jakob in Bethel zum Hause Gottes, zu seiner göttlichen Bestimmung und seinem Gelübde zurückkehre.
Weiter war es die Treue Gottes, die ihn loslöste und heimbrachte. In Vers 13 tritt Gott als der Gott Bethels vor Seinen Knecht. Es war der Gott, der ihm damals erschienen war und ihm zugesagt hatte, mit ihm zu sein und ihn auch zurückzubringen. Diese Worte haben Jakob gewiß an Gottes Treue erinnert und an sein damaliges Elend. Jakob mochte ob alles Reichtums Gott und sein Ihm gegebenes Gelübde vergessen haben, aber Gott hatte ihn nicht vergessen und Gottes Auge ruhte auf Seinem Erwählten. So wenig Gott die Welt geschaffen und sie sich selbst überlassen hat, ebenso wenig vergißt Er die Seinen. Gott ruft niemanden, um ihn nachher im Stich zu lassen. Er, Der um Raben und Sperlinge besorgt ist und die Lilien kleidet, richtet Sein Auge beständig auf Seine Geliebten. Warum aber erschien der Herr Seinem Knechte als der Gott Bethels und nicht wie früher als der Gott Abrahams? Er sagte: „Ich bin der Gott Bethels.“ Damit wollte der Herr den Jakob an das große Geschehen im Traum von der Himmelsleiter erinnern und daran, was Jakob an jenem Morgen gelobt hatte. Gott versuchte, ihn auf diese Weise zur Selbsterkenntnis und zum Selbstgericht zu leiten.
Jakobs Gehorsam. Neben so mancherlei Unschönem in Jakobs Charakter finden wir auch viel Ermunterndes. Dazu gehört hier sein Gehorsam. Was tat er?
Er beriet sich sofort mit seiner Familie. Während er mit ihr allein auf dem Felde war, berichtete er besonders seinen Frauen den göttlichen Befehl. Hier gibt Jakob denjenigen Ehemännern, die oft so eigenmächtig handeln, ein gutes Beispiel. Ehemänner, die dem Herrn nachfolgen, denken daran, daß Mann und Weib nach Gottes Willen ein Fleisch sind und haben in allem Gemeinschaft untereinander, sogar in der Kasse, kurzum in Entschlüssen aller Art: sie teilen Freude und Leid.
Jakob hob auch das veränderte Benehmen Labans und seiner Söhne seinen Frauen gegenüber hervor. Schon Labans Blicke verrieten seine bösen Gedanken Jakob gegenüber (Vers 2,5; Spr 23,6).
Jakob betont aber zugleich das Erbarmen Gottes über ihn, wie Er mit ihm war (Vers 5). Er schreibt alle Segnungen seinem Gott zu. Jakob wollte nicht ohne Einverständnis der Seinen handeln. Wenn Gott uns einen Auftrag gibt, so ebnet Er auch den Weg und lenkt die Herzen der Mitmenschen. So machte Gott auch die Frauen willig, ihre Heimat für immer zu verlassen, wenngleich das gewiß nicht ganz leicht für sie war (Vers 14-16). Die Frauen hörten sich nicht nur das Urteil ihres Mannes an, sondern bekräftigten es. Sie selbst hatten die Handlungsweise ihres Vaters gesehen, seine Hinterlist und Selbstsucht durchschaut. Sie erkannten, daß er sie nicht nur leer entlassen, sondern sie sogar ihres Besitzes berauben wollte. Diese Ermunterung: den Beistand seiner Frauen, hatte Jakob wohl nötig; er sah, wie Gott den Weg bahnte, und wird daran gedacht haben, wie der Herr im Traum von der Himmelsleiter gesagt hatte: „Ich werde dich zurückbringen“.
Die Abreise. Jakob vollzog sie während der Tage, da Laban durch die Schafschur beansprucht war (Vers 19). Das war eine günstige Zeit. Nun konnte Jakob im stillen alles vorbereiten, das Seine sammeln und wegziehen. Er handelte hier ganz ehrlich, er nahm nichts mit, was nicht ihm gehörte (Vers 18). Jakob beschritt nun denselben Weg, den er 20 Jahre zuvor gegangen war. Gottes Handeln mit den Seinen ist allenthalben nur Güte. Erst weckte Gott selbst das Heimweh in Jakobs Herz, dann benützte er Labans Unehrlichkeit, und schließlich machte Er die Frauen willig, mit Jakob auszuziehen. So leitet der Herr noch heute alle diejenigen, die sich von Ihm führen lassen wollen. „Befiehl dem Herrn deine Wege und hoffe auf Ihn, Er wird’s wohl machen“ (Ps 37,5).