In diesem Wort lesen wir zum ersten Male von einem Gelübde. Bis dahin sicherte Gott dem an Ihn glaubenden Menschen alles bedingungslos zu. Hier aber ist es der Mensch, der durch heilige Versprechungen Gott Segnungen sozusagen ablocken möchte, als ob er, der Ärmste, dem unendlich reichen Gott etwas bieten könnte. Er gleicht da jenem Kinde, das die Mutter um Geld bat. Als die Mutter es fragte, wofür es das Geld wolle, antwortete es: „Ich möchte dir gern etwas zum Geburtstag schenken“. Hier ist es also der Mensch, der Gott gegenüber eine Verpflichtung eingeht. Aus der Ehrfurcht und inneren Bewegung angesichts der Offenbarung Gottes erstand sein Gelübde, als eine ganz spontane Handlung. Mit einer einzigen Ausnahme finden wir Gelübde nur im Alten Testament verzeichnet. Jenes Gelübde, das Paulus tat, war ihm von Menschen aufgezwungen worden und endete in einem Fiasko. Es war ein Zurückkehren zu dem, was Paulus seiner Erkenntnis nach längst als bloßen Schatten richtig erkannt hatte (Apg 21). Mose sagte zu Israel, wenn es ein Gelübde mache, sei es auch verpflichtet, dieses zu halten (4. Mose 30,3; 5. Mose 23,21.22). Wer kein Gelöbnis machte, handelte recht, aber wer ein solches einging, war daran gebunden. Man denke an das bekannte Nasiräergelübde in 4. Mose 6 und dessen strenge Vorschriften. Es sind uns auch andere Gelübde bekannt. Wir erinnern an das Gelübde der Hanna (1Sam 1,11, vergl. 1Sam 1,28 ff). Ferner an jenes der Eltern Simsons (Ri 13). Gelübde sind oft unüberlegt und voreilig ausgesprochen worden, z. B. das Gelübde des Jephta, das bittere Reue zur Folge hatte (Ri 11). Gelübde führen oft zu schweren Konflikten und Gewissensnöten. Dazu seien noch die ganz unbiblischen Gelübde genannt, die man Kindern bei der Konfirmation abnimmt, Gelübde, die meistens ganz unbedacht getan werden, ohne daß die Kinder sich klar darüber sind, die oft gar nicht daran denken, es zu halten. Im eigenen Interesse bürdet man andern Gelübde auf, und das ist völlig schriftwidrig. Der aus Gott geborene Mensch, der die große Liebe Gottes erkannt hat, ergibt sich Gott bedingungslos, das ist unendlich mehr als ein gefordertes Gelübde. Jakob kannte sich selbst zu wenig, er war kaum über eine Sprosse der Leiter hinaufgestiegen, und in diesem Zustand machte er ein Gelübde, das er gar zu bald brach. Darum mußte Gott ihn später daran erinnern.
Der Inhalt des Gelübdes des Jakob. Jakob erbat sich von Gott vielerlei und gelobte Gott dreierlei für den Fall der Erhörung.
Was waren Jakobs Bitten?
1. Er bat um göttliches Geleit: „Wenn Gott mit mir ist“. Er war oberflächlich im Hören, denn Gott hatte ihm ja schon bedingungslos Sein Geleit zugesichert (Vers 15). Warum also die nochmalige Bitte unter Beifügung eines Gelübdes?
2. Jakob bat um Bewahrung: „Und mich behütet auf dem Wege". Auch das hatte ihm Gott garantiert (Vers 15). Obwohl Jakob von der Vision zutiefst ergriffen war, hatte er doch den Gott, der ihn auserwählt hatte, noch nicht in Seiner ganzen Heiligkeit und Barmherzigkeit erkannt.
3. Jakob bat um Versorgung: „Und mir Brot zu essen gibt und Kleider anzuziehen“. Seine Bitte war sehr bescheiden, biblisch gesprochen hieß sie: „Unser täglich Brot gib uns heute“. Auch diese Bitte war unnötig, denn Gott hatte ihm ein großes, fruchtbares Land verheißen, den Segen der Erde und den Tau des Himmels. Wir wollen dennoch versuchen, Jakob zu verstehen. Bis dahin hatte er daheim aus der Fülle geschöpft, nun stand er plötzlich auf eigenen Füßen. So beschäftigte ihn, wie die meisten Menschen, die Brotfrage ganz besonders. Bis heute muß uns der Herr vor dieser unnötigen Sorge warnen (Mt 6,31-33). Bis in unsere Tage beschäftigen sich die meisten Gotteskinder mehr mit den irdischen Dingen als mit dem Reiche Gottes.
4. Jakob bat Gott darum, daß Er ihn in Frieden wieder heimführen möge: „Und ich in Frieden heimkehre“. Im Unfrieden hatte er die Heimat verlassen müssen und hatte sich durch seine Sünde den Rückweg verriegelt, darum bittet er nun den Herrn, ihm doch den Rückweg zu bahnen ‑ was ihm Gott allerdings auch schon in Vers 15 zugesichert hatte. Diese Bitte hat Gott nach Kap. 33, 1-16 gnädig erhört.
Was waren Jakobs Versprechungen? Er gelobte Gott dreierlei.
1. Hingabe an Gott. Er sagt: „Dieser Gott soll mein Gott sein“. Dieser Ausspruch beweist, daß Jakob trotz des frommen Elternhauses, in dem er aufgewachsen war, und der guten religiösen Erziehung sich noch nicht zu einer bewußten Obergabe an Gott durchgerungen hatte. Auch ihm hätte Gott das Wort sagen können, das Er durch Jesaja Seinem Volk sagen ließ (Jes 43,24.25).
2. Jakob versprach, diesem Gott, der ihm erschienen war, ein Haus zu bauen, um Ihn anzubeten. Er sagt: „Dieser Stein soll ein Haus Gottes sein“. Jakobs Gelübde bewies, daß er selbst wenig wußte, denn die gnädigen Verheißungen Gottes, die er eben von der Leiter herab gehört hatte, hätten ihn zunächst zur Buße leiten sollen. So ist es oft auch bei uns. Wir lieben Ihn, weil Er uns zuerst geliebt hat. Hiob dachte und handelte ganz anders. Er lobte Gott selbst dann, als Er ihm alles genommen hatte. Hiob wußte, daß Gott in jedem Fall Lob gebührt, ob Er gibt oder nimmt (Hiob 1,21). Jakob aber war ein bescheidener Anfänger im Glaubensleben; eben hatte er erst die unterste Sprosse der Glaubensleiter bestiegen, er mußte noch viel lernen. Zunächst hatte er den Stein errichtet, und dieser sollte ihn später an das große Geschehen jener Nacht erinnern. Wir bedürfen oft gewisser Mittel, um an Gottes Güte und Treue erinnert zu werden, z. B. des Abendmahls, das uns an die große Gabe Gottes erinnert und an die unaussprechliche Liebe Christi am Kreuz.
3. Jakob gelobte Gott den Zehnten (Vers 22). „Und von allem, was Du mir geben wirst, werde ich Dir gewißlich den Zehnten geben.“ Jakob anerkennt damit, daß alles, was er hat und erhält, doch von Gott kommt und nicht durch eigene Kraft. Er sagt ausdrücklich: von allem, was Du mir gibst“. Hier begegnen wir zum zweiten Mal dem Zehnten. Das erste Mal war es bei Abraham in Kap. 14,20. Jakob stand im Begriff, eine Familie zu gründen, und gelobte Gott gerade in dieser Situation den Zehnten. So sollten es alle Brautleute machen! Schon bevor sie die Ehe schließen, sollten sie als Dank dem Geber aller guten Gaben den Zehnten oder mehr weihen. Das ist ein biblischer Grundsatz und hat bestimmt reiche Segnungen zur Folge. Gerade Abraham und Jakob sind deutliche Beweise dafür. Und wie war es im umgekehrten Fall? Weil Israel in den Tagen Maleachis Gott den Zehnten vorenthielt, litt es Mangel (Mal 3,8). In Israel wurde der Zehnte zum Gesetz erhoben und zum Unterhalt des Priesterdienstes verwendet. Später, als dieser aufhörte, wird der Zehnte nicht mehr erwähnt, doch der Grundsatz des Gebens selbst bleibt bestehen. Da das Neue Testament diese edle Handlung ausführlich kommentiert, so kann sie nur auf göttlicher Eingebung beruhen (Heb 7,4 ff). Viele überlassen das Geben dem Zufall und sehen es nicht als göttliche Anordnung an. Sie kritisieren Jakob in manchen seiner Handlungen; aber wo er echt handelt, ahmen sie sein Vorbild nicht nach. Wird in Wortbetrachtungen die Bedeutung des Zehnten erwähnt, so ärgern sich viele darüber. Warum wohl? Sie haben nie gelernt, daß Silber und Gold Gott gehört, und weil sie in dem Stück nicht in Ordnung sind, stoßen sie sich an der Mahnung. Gott hat ein ganz systematisches Geben angeordnet, und es steht uns nicht zu, davon abzuweichen. Gott hat aber auch dem Geber zugesichert, daß Er die Fenster des Himmels über ihm offen halten will, um Segen die Fülle herabzuschütten. Israel selbst ist der beste Beweis dafür, denn das einstige Sklavenvolk ist zeitweilig das reichste Volk der Welt gewesen. So steht Gott zu denen, die Seine Worte erfüllen.