Schriften von Georg R. Brinke
1. Mose 49,29-33; 50,1-15 - JAKOBS TOD1. Mose 49,29-33; 50,1-15 - JAKOBS TOD
Schon früher bemerkten wir, daß es schwer sei, die Berichte über das Leben der Erzväter getrennt voneinander zu geben, da sie so ineinander greifen, wie eine Familie in die andere hineinragt. So wäre noch manches über Jakobs Führungen hinzuzufügen, das aber mit der Geschichte Josefs aufs engste verbunden ist, so z. B. Jakobs Reise nach Ägypten, sein Wiedersehen mit dem Sohn Josef, seinen Segen für Pharao und seinen Segensspruch über die zwölf Stämme usw. Da wir aber hoffen, noch einen Band über das Leben Josefs herausgeben zu können, sollen diese Lücken später dort ausgefüllt werden. So wollen wir hier nur noch Jakobs Ende betrachten.
Rauh und stürmisch war Jakobs Leben gewesen, mehr als das der anderen Erzväter. So erfuhr er auch wie keiner vor ihm die Zucht Gottes so spürbar. Sie wirkte aber auch in ihm die friedsame Frucht der Gerechtigkeit, die Gott mit jeder Züchtigung an den Seinen bezweckt (Heb 12,11). Weil sich Jakob oft nicht mit den Augen Gottes leiten ließ, legte ihm der Herr Zaum und Zügel an, durch die Er ihn zu der Reife führte, die wir am Ende seines Lebens so herrlich sehen dürfen. Ruhig und friedlich durfte er nun im Kreise seiner zahlreichen Familie die letzten Jahre verbringen. Seine größte Freude war zweifellos noch die, Josef wiederzufinden und seine Gemeinschaft bis zu seinem Lebensabend zu genießen.
Der heimkehrende Sieger. Jakob hatte sein Leben vollendet, und als der Israel Gottes kehrte er heim. Gott hatte in Seiner Treue das in ihm angefangene Werk vollendet, trotz der mancherlei Windungen und Zickzackwege im Leben Jakobs. Eben noch hatte er seine letzten Anordnungen getroffen, seinen Söhnen den Segen erteilt, und nun wartet er getrost auf den Heimruf. Mit Paulus darf er sagen: „Ich habe den guten Kampf gekämpft, ich habe den Lauf vollendet.“ Nun darf er mit seinen Vätern den herrlichen Platz einnehmen, von dem der Herr sagt: „Sie werden mit Abraham, Isaak und Jakob im Reiche der Himmel sitzen.“ Wäre unser Heimgang auch ein so fröhlicher und getroster, wenn er jetzt geschähe?
Die letzten Anordnungen. Mit tiefer Seelenruhe und tiefem Herzensfrieden lag Jakob auf seinem Sterbebett und wartete auf den göttlichen Heimruf.
Seine letzte Anweisung (Kap. 49,29-33). Jakob gebot seinen Söhnen, ihn im Erbbegräbnis seiner Väter zu begraben (Kap. 23). Warum wollte er nicht neben seinem Lieblingsweibe Rahel in Bethlehem begraben werden? Im Tode sieht das Gotteskind über die natürlichen Beziehungen hinweg hin zu den Gedanken Gottes.
Jakobs Glaube. Genauso wie einst Abraham befahl, daß sein Sohn Isaak unter gar keinen Umständen zurück nach Mesopotamien dürfe (Kap. 24,6), weil Kanaan das Land der Verheißung war, so wollte auch Jakob nur im Verheißungslande begraben sein und auferstehen. Diese Tatsache beweist, wie stark Jakobs Glaube mit den Gedanken Gottes einig gingen. Bei Jakob war es endlich soweit gekommen, daß alles seinem Gott gehörte, auch sein erstorbener Leib. Ägypten, das Bild der Welt, sollte nicht das Geringste von ihm besitzen. Das wurde durch einen Eid erhärtet (Kap. 50,5).
Sein Heimgang. Der reife Pilger kommt uns hier vor wie ein Mensch, der in fernem Lande freudig das Schiff zur Heimreise besteigt. Jakob starb. Es setzte eine große Trauer um ihn ein, die sich in doppelter Weise vollzog:
In der Familie (Kap. 50,1.12). Josefs Liebe fand keine Grenzen seinem verstorbenen Vater gegenüber. Die ganze Familie rüstete sich zur letzten weiten Reise, um den Vater zu bestatten. Jeder Hader, der vorher unter den Kindern bestanden hatte, war beseitigt, jeder Schatten war entfernt. Hier gilt gewiß das Wort: „Wer so stirbt, der stirbt wohl.“
In der Öffentlichkeit. Eine umfassende Landestrauer setzte ein wie bei einem Pharao. Nach königlicher Sitte wurde Jakob in vierzig Tagen einbalsamiert und während siebzig Tagen vom ganzen Volk beweint. Pharao ordnete ein Staatsbegräbnis an. Josef, seine Brüder und die Würdenträger Ägyptens bereiteten sich vor für den weiten Weg nach Kanaan, um ihn daselbst zu begraben. Diese Teilnahme zeigt wohl zunächst den großen Einfluß, den Josef hatte. Durch ihn war das Ansehen Jakobs so groß geworden. Hier ist Josef für alle Kinder ein lehrreiches Vor bild. Wie groß und eindrucksvoll die ganze Bestattungsfeier war, zeigt die Bemerkung der Kanaaniter, die Zeugen waren und sagten: „Das ist eine schwere Trauer“ (Vers 10.11).
Jakob ein Kämpfer Gottes. Diesen hervorragenden Titel erhielt Jakob in Pniel. Von jenem Zeitpunkt hinweg sehen wir nicht mehr so viel vom Wesen des alten Jakob, vielmehr von dem, was er dort wurde, ein Sieger, ein Überwinder. Von dieser Stunde an gab es mit einigen Ausnahmen eine ständige Aufwärtsbewegung im Glaubensleben des Patriarchen, Hier in unserm Abschnitt finden wir ihn als Fürst unter Menschen, denn seine Beerdigung ist geradezu fürstlich. Als später Israels Könige starben, so lesen wir, daß sie begraben wurden in ihres Vaters David Stadt, aber Jakobs Begräbnis überragt alle. In Kapitel 43,32 und Kapitel 46,34 lesen wir von der natürlichen Abneigung der Ägypter gegen die Israeliten, aber Jakob, der Fürst Gottes, hatte sich auch zu einem Fürsten unter den Menschen emporgeschwungen. Bei ihm sehen wir jenes Pauluswort erfüllt: „Die Gottseligkeit ist zu allen Dingen nütze und hat die Verheißung dieses und des zukünftigen Lebens“ (1Tim 4,8).
Versammelt zu seinen Vätern. Das geschah in zweifacher Weise. Jakob wurde als letzter in der Höhle Machpela begraben. Dort ruht er noch heute mit seinen Vätern, bis die Stimme des Sohnes Gottes auch in jene Höhle dringen wird (Joh 5,28.29). Zugleich aber sagt der Herr in Markus 12,27 (vgl. Mt 22,32), daß Gott nicht der Toten Gott sei, sondern der Lebendigen. Der Herr selbst zeigt uns dereinst jene Toten aus der Höhle Machpela noch an anderer Stelle, nämlich dort im Reiche der Himmel. Ebenso zitiert der Herr Abraham in Lukas 16,23 nicht als Toten in der Höhle Machpela, sondern als zum Himmel gelangt, und zwar im Gespräch mit dem reichen Manne.
Jakob ‑ Israel. Zwischen diesen beiden Polen liegt eine lange und, wie uns immer wieder klar wurde, sehr schmerzvolle Entwicklung des dritten aus der Reihe der Erzväter. Sein Leben fing als „Fersenhalter“, als Überlister“ an, und immer wieder brach dieser Charakterzug bei ihm durch, bis endlich ihm der neue Name Israel = „Gotteskämpfer“ von Gott geschenkt und zu wiederholten Malen erneut bestätigt wurde. Wollten wir über Jakobs Leben ein Bibelwort als Motto setzen, so möchten wir mit Paulus dankbar und freudig und zugleich auch zum Trost und zur Ermunterung für viele Leser feststellen: „Wo aber die Sünde mächtig geworden ist, da ist die Gnade viel mächtiger geworden“ (Römer 5,20).