Schriften von Georg R. Brinke
Die Weltreiche im Lichte der Prophetie
Dan 11,20-45 - Der kommende AntichristDan 11,20-45 - Der kommende Antichrist
Die Schrift beschäftigt sich nicht ohne Grund so viel mit dem kleinen Horn, dem Antichristus. Seine große Geschicklichkeit, seine Ausdauer und Entschlossenheit, sowie sein Genie verschaffen ihm Größe und Ansehen und machen ihn in kurzer Zeit zum uneingeschränkten Weltherrscher. Nach Vers 23 tritt er mit wenig Volk auf, was auf seinen anfänglich kleinen Anhang hinweist; darum wird er auch das kleine Horn genannt, im Gegensatz zu den mächtigen Königen seiner Tage. Er ist ein bis dahin Unbekannter, der aber genau weiß, wer er ist und was er will. Wenn er auch ein „Verachteter“ genannt wird, für den man die Königswürde nicht bestimmt hat, so verfolgt er doch unentwegt, trotz allem Widerspruch, sein Ziel. Hier treten am Antichristus Eigenschaften zutage und geschehen Dinge, wie wir sie am wahren Christus in auffallender Parallele wieder finden. Auch Er kam, menschlich gesprochen, als Unbekannter, als Verachteter in die Welt, denn die Seinen nahmen Ihn nicht auf. Auch Er überragte in Wort und Werk alle Gelehrten Seiner Tage. Auch Ihm wurde die Königswürde entzogen und doch verfolgte Er unentwegt, durch alle Leiden hindurch Sein Ziel, indem Er gehorsam ward bis zum Tode am Kreuze und endlich den Sieg über Welt, Satan und dessen Christus davongetragen hat. Der Antichristus wird sich alle erdenkliche Mühe geben, dem wahren Christus so ähnlich als möglich zu scheinen, damit er Glauben und Anhang findet. Er wird nicht nur wegen seiner geringen Abstammung ein Verachteter sein, sondern wohl auch deshalb, weil seine Politik, seine großen und idealen Pläne, die er den Völker vorlegt, als unerreichbar betrachtet und darum lächerlich gemacht werden. Anfangserscheinungen nach der Seite hin haben wir schon heute. Da dem Antichristus das übliche Vorrecht der Königswürde versagt wird, versteht er es doch ausgezeichnet, durch besondere Liebenswürdigkeit und Schmeichelei einen immer größeren Anhängerkreis zu gewinnen im Gegensatz zum wahren Christus, der oft ernste und harte Worte redete und nur einen kleinen Jüngerkreis hatte. Bald hat der Antichrist die stärkste Partei um sich. Über diesen „ Verachteten“, mit dem wir es nun bis zum Schluß des Buches zu tun haben, steigen dem Leser mancherlei Fragen auf. Auslegern, die sich in den Versen 21‑-5 noch auf Antiochus beziehen, und erst von Vers 36 an den kommenden Antichristen sehen wollen, muß man die Frage stellen, wie es sich mit Vers 35 verhält, da der Ausdruck bis a n s E n d e steht. Antiochus lebte doch nicht in her Endzeit! Daniel legt den Greuel der Verwüstung a n s E n d e und eben do der Herr selbst, wenn Er in Matthäus 24,15-31 Daniel zitiert. Vergleichen wir z. B. Vers 31 mit Kapitel 12,11: „Und Streitkräfte von ihm werden dastehen; und sie werden das Heiligtum, die Feste, entweihen, und werden das beständige Opfer abschaffen und den verwüsteten Greuel aufstellen.“ „Und von der Zeit an, da das beständige Opfer abgeschafft wird, und zwar um den verwüsteten
Greuel aufzustellen, sind tausendzweihundert und neunzig Tage.“
Da alle Ausleger sich darin eins sind, daß es sich in Kapitel 12, 11 um den „Antichristen“ handelt, so muß notwendigerweise der „Verachtete“ in Kapitel 11, 31 auch der Antichrist sein.
Mit Vers 23 treten wir in die letzte Woche ein, die wir bereits in Kapitel 9, 27 betrachtet haben. Sie beginnt mit dem Bündnis, das die gottlosen Juden mit dem Verwüster, d. i. das kleine Horn oder Antichrist, machen werden. Dieser Bund dient nur dem Betrug und Selbstzweck des Verwüsters. Während der ersten Hälfte der Bundesdauer erhält Israel seine ersehnte Freiheit und darf sich nun ruhig dem Aufbau seines Landes widmen. In derselben Zeit führt der Verwüster seine siegreichen Kriege, bis er sich nach 3 ½ Jahren stark fühlt und anerkannter Herrscher geworben ist.
Seine kriegerische Tätigkeit. Sie ist sehr vielseitig und vor allem siegreich. Als Herr der Lage zertrümmert er nun mit seiner schlagfertigen Armee alles, selbst seine Bundesgenossen, mit denen er sich zuvor, um stark zu werben, eins gemacht hatte (Vers 23). Von vornherein hatte er beabsichtigt, den unehrlichen, auf Lug und Trug aufgebauten Bund im gegebenen Augenblick zu brechen. Eine Politik der Falschheit auf der ganzen Linie!
Immer wieder ist die Rede von zwei Reichen: vom Süd- und vom Nordreich, Ägypten und Assyrien. Wer diese beiden Reiche zur Zeit des Antichristen sein werden, kann heute nicht mit Genauigkeit festgestellt werden. Gegenwärtig ist Ägypten unter britischer Herrschaft. Unter dem Nordreich dürfte wohl Rußland miteingeschlossen sein. Um jene Zeit wird aber die südliche Macht die stärkere sein. Der erste Krieg, den der König des Nordens gegen den König des Südens siegreich führt, steht in Vers 25. Durch Verräter im Heerlager des Königs des Südens, die den König zerschmettern, wird der Sieg noch verstärkt (Vers 26). Mit reicher Beute zieht der Verwüster, der Antichrist, ab (Vers 28). Berauscht von den Siegen bricht er nun in der Hälfte der Woche den Vertrag mit Israel. Bald offenbart er seine langgelegte, bis dahin verborgene Feindschaft gegen Israel. Denjenigen aus Israel, die sich anfänglich vom Antichristen verblenden ließen und ihn als großmütig priesen, gehen nun in der zweiten Hälfte der Vertragszeit die Augen auf. Sie erfahren alsdann die Bestätigung dessen, was Jeremia geweissagt hat, daß der Bund ein Bund mit dem Tode und dem Scheol ist. Der Bund enthält unter anderem die Klausel, daß Israel das kleine Horn, d. i. der Antichrist, zugleich als seinen Messias anerkennt. Nun aber befiehlt der Antichrist die Abschaffung der jüdischen Gottesdienste, gibt sich selbst als Gott aus, setzt sich in den Tempel und fordert göttliche Verehrung.
Nach Vers 29 unternimmt er einen neuen Feldzug; doch hier tritt ihm
eine maritime Macht entgegen, Schiffe von Kittim, und sie zwingen ihn
zur Umkehr. (In der Anmerkung der Elberfelder Bibel heißt es zu Kittim
(Hes 27,6), das ist Cyprier; die allgemeine Benennung der Bewohner der
Inseln und Küstenländer des Mittelmeers.) Es dürfte sich hier um eine
starke Mittelmeerflotte handeln. Auf die erlittene Niederlage hin läßt
der Antichrist erst recht seinen Grimm an Israel aus, das er auf dem
Rückzug schrecklich zurichtet, indem er das Heiligtum entweiht, sein
eignes Bild in den Tempel setzt und Israel stark verfolgt (
Der ungehinderte Siegeslauf des Antichristen (Vers 36-45). Der König (Antichrist) handelt, nachdem er so stark geworden, ganz nach seinem Gutdünken (2Thes 2,4; Lk 21,20-24). Er kennt nur noch s e i n e n Willen, ist Alleinherrscher, ein zweiter Nebukadnezar, der wahre König von Babel, auf welchen der erste Nebukadnezar nur ein Vorbild war. Er überhebt sich nicht nur über alle Mitmenschen, sondern selbst über den Gott des Himmels, den er öffentlich lästert. Getreue Gläubige jener Tage werden sich fragen, warum Gott ihn nicht beseitigt. Aber er ist von Gott zur Züchtigung Israels zugelassen, bis der Zorn vollendet ist. Hernach wird auch ihn nach göttlichem Beschluß das Strafgericht treffen.
Zu allem Schrecklichen gesellt sich zum Antichristen noch ein besonderer Helfer, der falsche P r o p h e t, das zweite Tier in Offenbarung 13. Dieser falsche Prophet wird den Antichrist restlos unterstützen und verherrlichen; auch läßt er ein Bildnis von diesem anfertigen, das Symbol der Staatsreligion, ähnlich dem des Nebukadnezar in Kapitel 3. Überzeugend wird der falsche Prophet zur Menge reden und von jedermann die Verehrung des Bildes fordern. Der Höhepunkt der Einweihungsfeier wird der sein, daß Feuer vom Himmel fallen wird, wie das bei der Einweihung des salomonischen Tempels der Fall war (2Chr 7,1-3). Und da das Bild sogar zur Volksmenge reden wirb, werden alle laut ausrufen: „Wer ist dem Tiere gleich!“ Doch wehe den Nichtmitmachern! ‑ .Immerhin wird der Herr auch in den kommenden furchtbaren Tagen einen treuen Überrest aus Israel erretten.
Das große Geheimnis der Kraft des Antichristen. Es bleibt der verblendeten Volksmenge gänzlich verborgen; sie ahnt nicht, daß er sowohl die Macht als auch den Thron Satans erhalten hat (Off 13,1-7). Nun regiert er über die Reiche der Welt und kennt nur noch Erfolge bis zu seinem schrecklichen Ende. Jedermann wird seine unübertroffene Staatsklugheit, sein finanztechnisches Geschick, sein diplomatisches wie militärisches Genie restlos anerkennen. So werden ihm alle huldigen, mit Ausnahme jener, deren Namen im Lebensbuch geschrieben stehen. Auch wird ihm niemand widersprechen, außer den zwei Zeugen und den andern Knechten Gottes. Streifen wir noch ergänzend:
Die religiöse Seite des Antichristen oder kleinen Horns. Er hat seine eigene Religion, ist also nicht religionslos, vielmehr vertritt er den Grundsatz Kains „weg vom lebendigen Gott“. Wir sehen also:
Die Verfo1ger. Sie stehen jenen Verklägern in den Tagen Nebukadnezars und des Darius an Eifer nicht nach. Wer sich damals vor dem Standbilde nicht beugte, erfuhr den glühenden Ofen, und wer von einem andern als Darius etwas erbat, sollte im Löwengraben enden. Desgleichen werden die Verfolger der kommenden Tage darüber wachen, daß keiner zu jemandem betet als allein zum Antichristen, dessen Gott der „Gott der Festungen“ genannt wird und dessen Apostel Scharfrichter sein werden. Hier wird man keinen Verwandtschaftsgrad kennen. Kinder werden gegen ihre Eltern und Brüder gegen Brüder auftreten. Sie werden einander verklagen und dem Tode überliefern, genau so wie der es Herr vorausgesagt hat (Lk 21,16). Die Frommen werden von allen gehaßt sein (Mk 13,12). Und Israel wird die Weissagung in Jer 9,4-9 erleben.
Die Verfolgten. Die Hitze der Trübsal wird in jenen Tagen den Höchstgrad erlangt haben. Weizen und Spreu werden sich schnell voneinander scheiden.
Das Ende des Antichristen (Vers 40). „Und zur Zeit des Endes.“ Der Antichrist ist auf seiner schwindelnden Höhe angelangt. Sein gestecktes Ziel hat er erreicht, seine Pläne verwirklicht, seinen Größenwahn befriedigt und nun muß er selbst die Rechnung bezahlen (Gal 6,7; (Spr 22,8). Wer immer es noch wagen sollte, sich gegen ihn zu erheben, wird nach Vers 40 geradezu erdrückt. Die Kostbarkeiten Ägyptens (Sinnbild der Welt), Gold und Silber, sind sein. Prahlend durchzieht er mit den Gefangenen die Lande. Doch da erschrecken ihn beängstigende Gerüchte von Osten und Norden, und mit großem Grimme zieht er nun gegen die Feinde und vernichtet deren viele (Vers 44). Voll Zorn und Haß läßt er am Ende nochmals seine besondere Wut an Israel aus, schlägt sein Palastzelt in Palästina auf und findet bei diesem seinem letzten Unternehmen den Tod. Keiner wird ihm helfen können, denn der Herr selbst schlägt ihn (Jes 11,4; Sach Kapitel 12 und 14; 2Thes 2,8; Off 19,20). Das wird geschehen bei der Erscheinung Christi in Herrlichkeit mit allen Seinen Heiligen, wenn Seine Füße auf dem Ölberg stehen werden. Der Antichrist findet kein Grab, sondern wird zugleich mit dem falschen Propheten in den Feuersee geworfen.