Schriften von Cor Bruins
Kapitel 8 - Die Erscheinungen des auferstandenen Herrn
Mk 16,14 Lk 24,36-43 Joh 20,19-25 - Jesus erscheint den Jüngern (ohne Thomas) (Fünfte Erscheinung)Mk 16,14 Lk 24,36-43 Joh 20,19-25 - Jesus erscheint den Jüngern (ohne Thomas) (Fünfte Erscheinung)
Markus 16,14; Lukas 24,36-43; Johannes 20,19-25
Markus 16,14: Jesus erscheint zum fünften Mal, diesmal den Elfen es waren allerdings nur zehn zugegen. Liegt nicht so etwas wie ein leiser Vorwurf darin, daß Er ihnen, Seinen Aposteln, nicht zuerst erschien? Stattdessen erschien Er zuerst einer Frau, danach anderen Frauen und den beiden Jüngern auf dem Weg nach Emmaus. Sie hatten keinem dieser Zeugen Glauben geschenkt. Sogar jetzt, als Er in Seinem verherrlichten geistlichen Leib von Fleisch und Bein (die ein Geist nicht hat) in ihrer Mitte stand, waren sie bestürzt und erschrocken (Lukas 24,37).
Markus sagt, Jesus „schalt ihren Unglauben und ihre Herzenshärtigkeit, daß sie denen, die ihn auferweckt gesehen, nicht geglaubt hatten“ (V. 14). Wie erstaunlich ist die Gnade, daß Jesus sie trotz alledem anschließend beauftragte: „Geht hin in die ganze Welt“ (V. 15)!
Johannes berichtet uns, daß der arme Thomas bei dieser Gelegenheit nicht dabei war. Noch ein Ernüchterter, Enttäuschter, der vermutlich wie Petrus, Johannes und die Emmausjünger nach Hause gegangen war! Aber der Herr Jesus wird auch ihm nachgehen und nicht ruhen, bis am nächsten Tag des Herrn auch sein Herz wieder Mut gefaßt hat.
Mancher Leser könnte einwenden, daß hier gesagt wird, Jesus habe sich den Elfen geoffenbart, was doch Thomas offensichtlich mit einschließt. Ganz recht, aber „die Elfe“ bezeichnet die Jüngergruppe, wie sie damals bestand, als Gesamtheit, nicht die Anzahl derer, die bei den einzelnen Gelegenheiten tatsächlich anwesend waren. Wie wir schon sahen, sagt Johannes ganz klar, daß Thomas bei jenem ersten Mal nicht dabei war.
Lukas 24,36-43: Noch während die beiden Emmausjünger ihr Erlebnis berichten, stand „er selbst in ihrer Mitte.“ Hier hören wir keinen Vorwurf, sondern einfach das tröstliche „Friede euch!“ (V. 36). Wie passend für dieses Evangelium!
Dennoch blieben sie verwirrt und voller Furcht; sie meinten, Er stände als Geist ohne Körper vor ihnen. Alle sind bestürzt. Dürfen sie wirklich glauben, was ihre Augen da - hoffentlich richtig - sehen? Ist es das Wiedererscheinen Dessen, den sie so gut kannten, als Er noch lebend unter ihnen weilte? Jesus kann ihre Verlegenheit gut verstehen und fordert sie auf, sich doch zu vergewissern: „Betastet mich und seht, denn ein Geist hat nicht Fleisch und Bein, wie ihr seht, daß ich habe“ (V. 39). Und Er zeigte ihnen Seine Hände und Seine Füße; Johannes ergänzt - Seine Seite.
Es klingt verwunderlich, ja unglaublich, daß sie ihren Augen und Ohren noch immer nicht trauen wollen. In unendlich zärtlicher Hirtenfürsorge läßt Sich der Herr dann herab, einen weiteren Beweis von der Realität Seines verherrlichten Leibes zu geben, indem Er vor ihren Augen ißt (Vers 42; siehe auch Apostelgeschichte 10,41).
Danach beruft Er Sich auf die Schriften, die sich an Ihm erfüllt haben. Er öffnet nicht nur Augen (V. 31); Er öffnet ihnen auch das Verständnis (V. 45). Deckt sich diese Handlung vielleicht mit der, die Johannes in Johannes 20,22 beschreibt: „er hauchte in sie“?
Beachte, daß es hier in diesem kostbaren Kapitel fünf geöffnete Dinge gibt:
die geöffnete Gruft (V. 2),
die geöffneten Augen (V. 31),
die geöffneten Schriften (V. 27.32),
das geöffnete Verständnis (V. 45),
den geöffneten Himmel (V. 51).
Jetzt, nachdem sie das alles gesehen und gehört haben, sind sie zum Zeugnis fähig (V. 48.49). Wir können kein Zeugnis ablegen, es sei denn, unser Verständnis ist durch den Geist Gottes geöffnet worden und wir erleben Seine kraftspendende Gegenwart in uns.
Die Dienste, mit denen Jesus Seine Jünger betraut, entsprechen jeweils dem Charakter des Evangeliums, in dem sie aufgezeichnet sind. Da jedes Evangelium einem ganz bestimmten Zweck dient, finden wir auch, daß der Herr Jesus Sich in jedem anders ausdrückt. Schauen wir nun, was Lukas in den Versen 46-49 berichtet:
Jesus wendet Sich nicht ausdrücklich nur an die Elf, sondern auch an die, die mit ihnen versammelt waren (V. 33).
Ihr Dienst sollte in Jerusalem beginnen, nicht irgendwo anders (V. 47). Welche Gnade gegenüber dieser schuldbeladenen Stadt, wie passend für dieses Evangelium von der Gnade Gottes! Und beachte: ihre Sendung bestand in der Predigt von Buße und Sündenvergebung.
Sie durften ihrer Sendung nicht nachkommen, bevor sie nicht etwas empfangen haben würden, das sie noch nicht besaßen und das Jesus ihnen nicht geben konnte, solange Er auf der Erde bei ihnen weilte: die Kraft des Heiligen Geistes. Das alles bedeutete Loslösung von der rein irdischen oder jüdischen Ordnung. Es steht daher in voller Übereinstimmung mit dem Charakter des Lufarsevangeliums, wo Jesus nicht ausschließlich in Verbindung mit dem Judentum gesehen wird; Er ist da wahrer Mensch für alle, für Juden und Nationen.
Es wird nichts von bestätigenden Zeichen oder der Taufe gesagt.
Den offiziellen Bericht über die Ausführung dieser Sendung haben wir dann in der Apostelgeschichte (wörtl. Taten der Apostel); eigentlich sind es die Taten des Heiligen Geistes.
Johannes 20,19-25: Johannes bringt eine Menge Einzelheiten in diesen sieben Versen unter, die wir sonst nirgends finden.
Berichtet Lukas, wie erschrocken und verwirrt die Jünger waren, so unterstreicht Johannes das durch die Bemerkung, daß „die Türen, wo die Jünger waren,... verschlossen waren“ (V. 19).
Von Frieden hatte Er zuletzt zu ihnen gesprochen, bevor Er nach Gethsemane aufbrach (s. Johannes 14,27); jetzt ist „Friede“ das erste Wort nach Seiner Auferstehung an sie. Er zeigt ihnen hier Seine durchbohrten Hände und Seine durchstochene Seite, aus der Blut und Wasser herausgekommen war (Lukas erwähnt noch Seine Füße). Der Friede und das Zeigen Seiner Hände und Seite sind innig miteinander verbunden, denn es gibt keinen Frieden als nur durch das Blut Seines Kreuzes (Kol 1,20). Nun ist Freude das Ergebnis (V. 20).
Das erste „Friede euch!“ Jesu galt jedem einzelnen persönlich; sie mußten erst persönlich Frieden haben, ehe sie anderen Frieden verkündigen konnten. Beim zweiten „Friede euch!“ finden wir dann den Auftrag, die Friedensbotschaft anderen zu bringen (V. 21).
Hier in Johannes haben wir keine Beauftragung mit einer Sendung oder einem Dienst, weder von einem Berg aus, noch von Galiläa oder von Bethanien aus. Ihr Dienst beginnt hier nicht von Jerusalem aus, sondern sie werden vom Vater ausgesandt (V. 21). Jerusalem wird hier überhaupt nicht erwähnt: Jesus hatte es für den Augenblick aufgegeben. Beachte auch, daß hier nicht von Aposteln die Rede ist, sondern einfach nur von Jüngern.
Aber wir wollen nun wieder auf ihren persönlichen Frieden und den Auftrag, Frieden zu verkündigen, zurückkommen. Und zwar sollte das Letztere in der Kraft des Heiligen Geistes geschehen. Aber der Heilige Geist war ja noch nicht gekommen, weil Jesus noch nicht erhöht und verherrlicht worden war (Johannes 7,39). Wenn Jesus daher in Vers 22 in sie haucht mit den Worten: „Empfanget (den) Heiligen Geist!“, so war dies eine symbolische Handlung im Blick auf das, was am Pfmgsttag stattfinden sollte. Mit Seinen Worten bereitet Er sie auf jenen Tag vor. Es war sowohl eine prophetische als auch eine symbolische Handlung.
Die Situation der Jünger vor der Himmelfahrt und der Hemiedersendung des Heiligen Geistes war selbstverständlich einmalig; es gab sie danach nie wieder. Das gleiche trifft für Kornelius in Apostelgeschichte 10 und die Jünger in Ephesus in Apostelgeschichte 19 zu. Wir sollten daher auf diese Handlung Christi hier nicht irgendwelche Lehren gründen.
Sie befanden sich hier noch vor Pfingsten; wir leben danach. Die alttestamentlichen Gläubigen, wie alle Gläubigen bis Pfingsten überhaupt, hatten ohne Zweifel Leben. Aber wir können gewiß alle nach Pfingsten eine große Veränderung an den Jüngern wahmehmen. Wohl hatten sie schon vor Pfingsten ewiges Leben, doch danach besaßen sie es in Überfluß (Johannes 10,10). Vor Pfingsten besaßen sie das Leben objektiv in Christus, aber Jesus war noch nicht aufgefahren und hatte noch nicht den Heiligen Geist gesandt, um in ihnen zu wohnen und zu bewirken, daß sie subjektiv das ewige Leben und den Genuß desselben besaßen. Das konnte natürlich vor der Auffahrt Christi nicht der Fall sein.
Hier befanden sich die Jünger hinter dem Kreuz, aber noch vor dem Pfingsttag - eine außergewöhnliche Situation also, wie es sie später nicht noch einmal geben würde. Man darf daher das Handeln Jesu ebenso als außergewöhnlich ansehen. Als Er in sie hauchte - denn Er ist der lebendigmachende Geist (1Kor 15,45) - teilte Er ihnen mehr mit, als Gläubige bis zum Kreuz jemals empfangen hatten, jedoch weniger, als wir besitzen, die wir nach der Himmelfahrt und nach Pfingsten leben. Er teilte ihnen den Heiligen Geist gewissermaßen als Geist des Lebens und (für später dann) als Geist der Freiheit (im Sinn von Röm 8,1-11) mit. Aber zugleich schloß diese Handlung prophetisch die Pfingstverheißung in sich, wo dann der Heilige Geist als Geist der Kraft Wohnung in ihnen machen würde. Römer 7 schildert die seelische Verfassung von einem, der schon ewiges Leben empfangen hat, aber Römer 8 zeigt ihn in dem Genuß der Kraft, Freiheit und Freude, die aus dem Bewußtsein, in Christo zu sein, hervorkommen. „Denn das Gesetz des Geistes des Lebens in Christo Jesu hat mich freigemacht von dem Gesetz der Sünde und des Todes“ (Röm 8,2). Historisch gesehen war der Heilige Geist als das Leben schon da, bevor Er gegeben wurde, um in uns zu wohnen. Aber nun, nachdem Christus aufgefahren ist und der Heilige Geist gegeben worden ist, kann es für uns heute das eine ohne das andere nicht geben.
Beachten wir auch, daß Jesus in alle hauchte, die dort waren: Apostel und andere Jünger. Die Worte in Vers 23 sind somit auch an alle dort Versammelten gerichtet, nicht ausschließlich an die Apostel. Wie genau paßt dies alles ins Johannesz\angelium, wo wir das ewige Leben haben, das Christus ist und durch Christus als Sohn Gottes gegeben wird!
Vers 23 ist sehr wichtig. Der auferstandene Herr, im Begriff aufzufahren und diese Welt zu verlassen, betraut Seine Vertreter mit Handlungsvollmacht in bezug auf das Vergeben oder Behalten von Sünden - natürlich nicht im Blick auf die Ewigkeit, sondern im Blick auf Gottes Regierungswege.
Er hatte in Matthäus 16,19 zunächst Petrus mit dieser Vollmacht ausgestattet; dann wurde sie den Aposteln insgesamt übertragen (Matthäus 18,18). Doch bei beiden Gelegenheiten ging es um die Versammlung, um etwas noch Zukünftiges. Jetzt war der Augenblick gekommen, die Vollmacht tatsächlich zu verleihen.
Wenngleich diese Vollmacht vorrangig eine apostolische war und durch Petrus in Apostelgeschichte 5,1-11 ausgeübt wurde, sehen wir später aber auch, daß Paulus sie gebrauchte und die Korinther zum gemeinsamen Handeln mit ihm im Behalten der Sünde des Bösen auffordert. Aber in 2. Korinther 2,4-8 ruft dann Paulus die Versammlung auf, umgekehrt zu handeln und, nachdem der Böse Buße getan hatte, seine Sünde zu vergeben.
In unserem Vers wird dieses Vorrecht nicht nur Petrus oder den Aposteln allein übertragen, sondern der ganzen Schar der anwesenden Gläubigen.