Schriften von Cor Bruins
Kapitel 5 - Der Dienst östlich des Jordan (in Peräa)
Mk 10,17-31 Mt 19,16-30 Lk 18,18-30 - Der reiche JünglingMk 10,17-31 Mt 19,16-30 Lk 18,18-30 - Der reiche Jüngling
Markus 10,17-31; Matthäus 19,16-30; Lukas 18,18-30
Markus 10,17-31. Markus benutzt wie Matthäus 15 Verse für diese rührende Begebenheit. Jeder Evangelist berichtet auf seine eigene Weise. Gerade die kleinen Unterschiede im Detail bestätigen immer wieder die göttliche Inspiration - und nicht die Fehler eines Abschreibers!
Beachte in Vers 17, wie Markus das Herannahen des Jünglings zu Jesus Christus beschreibt. Wie lebendig - „er lief herzu, fiel vor ihm auf die Kniee.“ Diese beiden Worte „laufen“ und „knieen“ sind typisch für Markus.
Der junge Mann fragt: „Guter Lehrer, was soll ich tun, auf daß ich ewiges Leben ererbe?“ Vielleicht will der Herr Jesus ihm mit Seiner Antwort sagen: „Wenn du vor mir niederkniest als vor einem Menschen, so muß ich deine Ehrbezeugung ablehnen, denn alle Menschen sind gefallen und sind Sünder; wenn du aber die volle Bedeutung deines Niederknieens und deiner Worte, mich gut zu heißen, verstehst, dann will ich deine Anbetung in ihrer tiefsten Bedeutung annehmen.“
In Vers 19 zitiert Markus aus 5. Mose 24,12 und fügt hinzu, „du sollst nichts vorenthalten“, womit er auf die sofortige Bezahlung von Tagelöhnern hinwies. Dieser reiche Jüngling hatte vielleicht Diener beschäftigt, und so ist es ganz folgerichtig, daß dieses Gebot zu dem im Matthäusexangelium Genannten hinzugefügt wird. Wenn Markus hinzufügt, „du sollst nichts vorenthalten“, so fehlt bei ihm „du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst“, was wir bei Matthäus finden.
Wie Lukas gibt auch Markus die Antwort des Jünglings in Vers 20 wieder. „Dieses alles habe ich beobachtet von meiner Jugend an.“ (Matthäus sagt „Alles dieses habe ich beobachtet“, einige Manuskripte fügen an „von meiner Jugend an“, wieder andere lassen es weg.) Ist dies vielleicht ein Hinweis darauf, daß der als Jüngling Bezeichnete schon etwas älter war, da er doch Oberster und somit ein geachtetes Mitglied des Synedriums war?
Beachte Vers 21. Was hier über den Herrn Jesus gesagt wird, ist wieder typisch für Markus: „Jesus aber blickte ihn an, liebte ihn “ Auf der einen Seite sehen wir die Strenge Jesu einem liebenswerten Menschen und einem Geist der Selbstgerechtigkeit gegenüber, der den wunden Punkt in seinem Herzen nicht kennt; auf der anderen
Seite schätzt Jesus das Gute und Anziehende in der menschlichen Natur. Er schätzt einen Menschen, der die von Gott gegebenen Gebote würdigt. In diesem Vers sagt Jesus dem Obersten deutlich, daß ihm etwas fehlt; bei Matthäus fragt der Oberste, was ihm noch fehlt.
In Vers 24 erwähnt Markus einen anderen Satz von grundlegender Bedeutung, der von den anderen Evangelisten nicht berichtet wird. Er sagt uns, warum es für einen reichen Mann so schwierig ist, errettet zu werden: „Kinder, wie schwer ist es, daß die, welche auf Güter vertrauen, in das Reich Gottes eingehen!“ Es ist keine Sünde, Güter zu besitzen; aber es ist eine Sünde, darauf zu vertrauen, seine Seele daran zu hängen und seine Seele dabei zu verlieren.
In den Versen 30 und 31 weist Markus eine weitere Besonderheit auf, von der die anderen Evangelisten nicht berichten. Er wiederholt die Worte „Häuser und Brüder und Schwestern und Mütter (er läßt die „Väter“ aus) und Kinder und Äcker“, und fügt zu Beginn dieser Verse „jetzt in dieser Zeit“ an. Am Ende dieses Verses fügt er noch hinzu „mit Verfolgungen“ und am Ende von Vers 29 „um des Evangeliums willen“. Der Gläubige wird in dieser oder jener Form mit Verfolgungen rechnen müssen, aber der Herr wird ihn dafür in Seiner Gnade reich belohnen.
Markus verweist nicht wie Matthäus in Kap. 19,28 auf die „zwölf Throne“ — es war vielleicht für die heidnischen Römer kaum von Interesse, weil es mehr jüdischen Charakter trug - sondern die Worte, die er anfügt, zeigen, daß er einen weiten Blick für das Evangelium hatte. Die Worte „um meinetwillen“ zeigen den einzig wahrhaftigen Beweggrund für allen Dienst am Evangelium.
Matthäus 19,16-30. Alle drei synoptischen Evangelisten berichten von der Begegnung Christi mit dem .Jüngling“ (Matthäus 19,20), der ein „Oberster“ (Lukas 18,18) und „reich“ war (alle drei Evangelien).
Matthäus sagt uns, wie der Jüngling, überzeugt von seinen Fähigkeiten, zu Christus kam. „Lehrer, welches Gute soll ich tun?“ Er nennt Jesus hier nicht „guter Lehrer“ wie in Markus und Lukas, sondern scheint überzeugt, daß nur die Notwendigkeit bestand, Gutes zu tun. Der Herr antwortet; „Was fragst du mich über das Gute? Einer ist gut“, oder, wie eine Fußnote in Darbys Übersetzung ausweist, 'Vor „gut“ steht ein Artikel, „der Gute“. Hier kann damit eine Person oder eine Eigenschaft gemeint sein. Markus und Lukas schreiben beide „Was heißt du mich gut?“
In den Versen 18 und 19 zählt Jesus die Forderungen des Gesetzes in folgender Ordnung auf:
Matthäus | Markus | Lukas | |
---|---|---|---|
1. | Du sollst nicht töten | Nicht ehebrechen | Nicht ehebrechen |
2. | Du sollst nicht ehebrechen | Nicht töten | Nicht töten |
3. | Du sollst nicht stehlen | ebenso | ebenso |
4. | Du sollst nicht falsches Zeugnis geben | ebenso | ebenso |
5. | Ehre deinen Vater und deine Mutter | Du sollst nichts vorenthalten | Ehre deinen Vater und deine Mutter |
6. | Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst | Ehre deinen Vater und deine Mutter |
Bei Matthäus fragt der junge Oberste: „Was fehlt mir noch?“ Bei Markus und Lukas ist es der Herr Jesus, der ihm kundtut, „Eines fehlt dir.“
In Vers 21 heißt es, „Wenn du vollkommen sein willst“ - wiederum nur bei Matthäus. Leider ist der Mensch von Natur unvollkommen und kann den Forderungen Gottes nicht entsprechen. Matthäus berichtet uns, daß, nachdem der Jüngling weggegangen war, Jesus sich sofort an Seine Jünger wendet (V. 23), während wir bei Markus den Eindruck bekommen, daß noch andere Zuhörer da waren. Die Worte „und Jesus blickte umher“ weisen darauf hin. Sie lassen die Möglichkeit offen, daß Er Seine Worte außer an Seine Jünger noch an andere richtete. Nur Lukas hebt in Vers 24 hervor: „Als aber Jesus sah, daß er sehr betrübt wurde“. Der Herr Jesus konzentrierte sich auf diesen jungen Mann und durchforschte ihn. Er wollte ihm so gern helfen, den richtigen Entschluß zu fassen. Aber der hatte bereits eine Entscheidung getroffen - er wählte lieber irdische Güter als einen Schatz im Himmel.
Der Herr spricht in Vers 26 wie auch in Markus 10,27 Seine Jünger an und zeigt ihnen, daß allein Gott retten kann.
Nur Matthäus offenbart uns die Gedanken des Petrus in diesem Moment, wenn er in Vers 27 sagt, „was wird uns nun werden?“ Manche werten es als einen Erfolg, gelobt zu werden, wenn sie irgendetwas für den Herrn Jesus geopfert haben. Sind unsere Beweggründe immer rein? Was die Jünger betrifft, so erwidert der Herr in Seiner Freundlichkeit in Vers 28, wieder nur bei Matthäus: „Ihr, die ihr mir nachgefolgt seid, auch ihr werdet in der Wiedergeburt, wenn der Sohn des Menschen sitzen wird auf seinem Throne der Herrlichkeit, auf zwölf Thronen sitzen und richten die zwölf Stämme Israels.“ Dieses Wort „Wiedergeburt“ (palingenesia) kommt im ganzen Neuen Testament nur hier und in Titus 3,5 vor, wo von dem Bad der Wiedergeburt und der Erneuerung des Heiligen Geistes die Rede ist. In diesem Evangelium des Königs paßt dieser Vers wiederum sehr gut an diese Stelle. Das Sitzen auf den Thronen wird auch noch in Lukas 22,29.30 erwähnt.
Vers 29 erwähnt die Belohnung derer, die dem Herrn Jesus den ersten Platz geben.
Wenn wir die Einzelheiten der drei Evangelien vergleichen, so sind wir beeindruckt von der göttlichen Inspiration jedes Schreibers. Matthäus und Markus weisen auf die Belohnung hin, die „hundertfältig“ sein wird, und Lukas fügt hinzu „in dieser Zeit“, d.h. in dieser zeitlichen Welt. In Bezug auf die Ewigkeit stimmen alle drei Evangelisten überein: alle werden ewiges Leben erhalten, nicht nur weil sie ihre Besitztümer aufgaben, sondern weil ihnen aus Liebe zu Christus nichts zu viel war, um es für Ihn zu opfern.
Matthäus schließt in Vers 30 mit den Worten: „Aber viele Erste werden Letzte, und Letzte Erste sein.“ Markus schreibt dasselbe, während Lukas es ausläßt.
Lukas teilt uns mit, daß der junge Mann, der so eilig zu Jesus kam und vor Ihm niederkniete, ein Oberster war! Ein kleines Wort fügt Lukas noch in Vers 23 hinzu: „er wurde sehr (oder außerordentlich) betrübt.“ Die ganze Aufmerksamkeit richtet sich auf ihn. Jesus sieht hier nur ihn, nicht Seine Jünger noch die Volksmenge — Er befaßt sich mit dieser einzelnen Seele. So wird Jesus hier auch gesehen, wie Er Sich in Vers 24 speziell an den jungen Mann wendet, wenn Er sagt, „Wie schwerlich werden die, welche Güter haben, in das Reich Gottes eingehen!“ Die Reaktion in Vers 26 kommt von solchen, „die es hörten“. Es waren wohl nicht nur die Jünger.
Lukas fügt in seiner Aufzählung in Vers 29 hinzu, „oder Weib“. Er läßt „Schwestern“ und „Äcker“ aus und schreibt „Eltern“ statt „Vater und Mutter“.
Was wir in diesem Evangelium finden, ist, daß der Herr offenbarmacht, daß oft Dinge, die in sich selbst gut sind - dieser Jüngling hatte „alles beobachtet von seiner Jugend an“ - für den Segen unserer Seele ein entscheidendes Hindernis darstellen können. Hier geht es nicht um Sünden, sondern um Dinge, die an sich gut und richtig sind, aber dennoch ein Hindernis sein können.
Aber haben Petrus und die anderen Jünger nicht auch ein wenig die gleichen Probleme wie dieser reiche Jüngling? Er wollte nicht alles aufgeben und Jesus nachfolgen. Sie waren Jesus gefolgt, aber hatten sie tatsächlich im Innersten ihrer Herzen alles für Jesus aufgegeben? Achteten sie nun alles, was sie einst besaßen, für Dreck?
Offenbar nicht! Es scheint, daß sie diese Dinge auf der Waagschale gegen Belohnung abwogen. Ihr Problem war, ob sie von Gott wohl das wiederbekämen, was sie aufgegeben hatten. Muß der Herr vielleicht auch uns sagen: „Eines fehlt dir“?
Gott ist niemandes Schuldner. In Seiner unumschränkten Gnade wird Er ihre Erwartungen weit übertreffen! Aber es ist reine Gnade und keine Belohnung, daß Er als erstes ewiges Leben schenkt. Und darüberhinaus will Er noch viel mehr geben, sagt Lukas! Hier wird nicht die Grenze des „hundertfältig“ gesetzt, wie bei Matthäus und Markus. Wunderbare Gnade Jesu! Möchte Seine Gnade uns davor bewahren, Gottes Gnade und Freigiebigkeit zu mißbrauchen.