Schriften von Cor Bruins
Kapitel 5 - Der Dienst östlich des Jordan (in Peräa)
Mk 10,46-52 Mt 20,29-34 Lk 18,35-43 - Die Heilung des Blinden bei JerichoMk 10,46-52 Mt 20,29-34 Lk 18,35-43 - Die Heilung des Blinden bei Jericho
Markus 10,46-52; Matthäus 20,29-34; Lukas 18,35-43
Markus 10,46-52: Diese ergreifende Begebenheit wird von allen drei synoptischen Evangelisten berichtet. In allen drei Berichten kennzeichnet sie den Beginn des letzten Abschnittes des Dienstes Jesu. Sein Dienst als ein von Gott gesandter Prophet kommt hier zu seinem Ende - Er war verworfen worden. Aber Er ist nicht nur ein Prophet; Er ist auch der Sohn Davids, der König Israels! In allen drei Evangelien stellt Er Sich Israel zum letzten Mal als der Sohn Davids vor, als der Herr (vgl. die Tempelreinigung), als der König, (wie die Überschrift über dem Kreuz aussagt) und als der Messias Israels.
Markus berichtet uns, daß Jesus zunächst nach Jericho gekommen war, und dann wieder von dort fortging; Lukas schreibt, daß Er der Stadt nahte; und Matthäus sagt, daß sie aus der Stadt auszogen. Jericho war zu jener Zeit eine Doppelstadt, deren beide Teile 1,5 km voneinander entfernt lagen. (Anm. d. Herausg.) Dies gibt uns einen Überblick über den Aufenthalt Jesu an diesem Ort des Fluches. Nachdem Er Peräa durchquert hatte, das östlich vom Jordan lag, wandte sich Jesus nun nach Westen, überquerte den Jordan und machte in Jericho einen ersten Halt auf Seinem Weg nach Jerusalem.
Matthäus redet von zwei Blinden, die Jesus heilte, als Er Jericho verließ; Markus spricht nur von einem, der geheilt wurde, als Jesus aus der Stadt ging; Lukas spricht ebenfalls nur von einem blinden Menschen, der geheilt wurde, als der Herr sich der Stadt nahte. Ein Schreiber vermutet, daß ein Blinder geheilt wurde, als Jesus in die Stadt ging und der andere, als Er die Stadt verließ.
Wie gewöhnlich teilt uns Markus die Tatsachen mit und sogar die Namen, entsprechend der ihm eigenen Genauigkeit: er ist der einzige, der uns den Namen Bartimäus mitteilt. Das Erstaunliche an dieser Präzision in dem Bericht des Markus in Verbindung mit der Auslassung kleiner Details bei Matthäus und Lukas ist die Tatsache, daß Markus kein Augenzeuge dieser Ereignisse war! Aber der Heilige Geist veranlaßte ihn, diese Dinge mit noch mehr Details aufzuschreiben als Matthäus, der dort dabei war. In Vers 47 z.B. wird Jesus „der Nazarener“ genannt - dies wird nur von Markus erwähnt.
Unmittelbar darauf gibt Bartimäus diesem verachteten „Jesus, dem Nazaräer“ seinen rechtmäßigen Titel als Sohn Davids und zeigt damit als Blinder, im Gegensatz zu der Blindheit des Volkes, einen wunderbaren Glauben und geistliche Einsicht. Dies war gleichzeitig die Anerkennung Seines Anspruchs auf den Thron Davids als der König Israels. Er wird deshalb dreimal in Matthäus' Bericht als Herr angeredet in der Bedeutung „Herrscher“ bzw. „König“.
Die Verse 49 und 50 finden wir wieder nur im Ma/ln.vevangel i u m: „Und sie rufen den Blinden und sagen zu ihm: Sei gutes Mutes; stehe auf, er ruft dich! Er aber warf sein Gewand ab, sprang auf und kam zu Jesu.“ Lukas teilt uns mit, auf welche Weise er zu Jesus kam, obwohl er nicht sehen konnte (Lukas 18,40), hier aber sehen wir ihn alles abwerfen, was ihn daran hindert, zu Jesus zu kommen.
Und schließlich finden wir in Vers 51 ein aramäisches Wort, das auch nur Markus wiedergibt: „Rabbuni“. Dieser Blinde nahte Christus nicht nur mit Seinem öffentlichen Titel, sondern erkannte Ihn auch persönlich als seinen Herrn an. Wie wunderbar!
Matthäus 20,29-34: Dieser Evangelist redet von zwei Blinden (V. 30), während Markus und Lukas nur einen der beiden erwähnen. Tatsächlich waren es zwei; der eine, dessen Situation auffälliger war, wird von Markus namentlich erwähnt — Bartimäus.
Warum erwähnt Matthäus zwei? Dies ist in keiner Weise ungewöhnlich für die Weise des Matthäus in seiner Berichterstattung. Zu allererst war er Augenzeuge. Und in Kap. 9,27 spricht er von zwei anderen Blinden, die nur von ihm erwähnt werden; in Kap. 8,28-34 von zwei Besessenen, im Gegensatz zu Markus und Lukas, die immer nur von einem reden. Diese Unterschiede sind nicht willkürlich, sondern stehen in Übereinstimmung mit dem Charakter dieses Evangeliums der Juden. Denn die Juden wußten sehr gut, „auf die Aussage zweier Zeugen oder dreier Zeugen soll getötet werden, wer sterben soll; er soll nicht auf die Aussage eines einzelnen Zeugen getötet werden.“ Und, „auf zweier Zeugen Aussage oder auf dreier Zeugen Aussage soll eine Sache bestätigt werden“ (5. Mose 17,6; 19,16). Wir finden also in diesem Evangelium ein durch das Gesetz bestätigtes Zeugnis der Autorität Christi als der Sohn Davids, der König Israels.
Während wir schon auf einige Unterschiede bei Matthäus hingewiesen hatten, bleibt noch ein kleines Detail: nur Matthäus teilt uns in Vers 34 mit: „Jesus aber, innerlich bewegt, rührte ihre Augen an“. Hier finden wir sowohl den Beweggrund als auch die Art und Weise dieser wunderbaren Heilung, die allein dem Messias Israels zugerechnet werden konnte (siehe Jesaja 35,5.6: „Dann werden die Augen der Blinden aufgetan“). Das war der endgültige Beweis für die Gegenwart des Messias! Und Jesus hielt diesen Segen nicht bis zu Seiner Herrschaft zurück. Unzweifelhaft hat der Herr in diesen Tagen die Zeichen und Wunder „des zukünftigen Zeitalters“ getan - Er selbst war ja das Königreich!
Lukas 18,35-43: Man nimmt allgemein an, daß diese Heilung stattfand, als Jesus Jericho verließ, nicht als Er hineinging. Dazu kommt aber noch Sein Aufenthalt in dem Haus des Zachäus. Hatte Zachäus vielleicht von der Heilung gehört, die sich ereignet hatte, als Jesus Jericho betrat und suchte er deshalb Jesus zu sehen?
Wie dem auch sei, wir brauchen nicht dogmatisch zu werden, denn Lukas sagt einfach: „als er Jericho nahte“. Es geht eigentlich gar nicht um die Frage, ob Er in die Stadt ein- oder aus ihr ausging, sondern daß Er in der Nähe der Stadt war. Für Leser, die nicht recht befriedigt sind, möchte ich W. Kelly zitieren: „Wir wissen, daß, wie Matthäus aus seiner Sicht, so auch Lukas Tatsachen nicht immer in der zeitlichen Reihenfolge berichtet, um das moralische Bild einer Wahrheit deutlicher wiederzugeben. Ich habe kaum Zweifel, daß Lukas die Heilung des Blinden eher berichtet als das Verlassen der Stadt, weil der Herr sich für Jericho die wunderbare Berufung des Zachäus aufbewahrt hatte mit dem Ziel, diese Schilderung der Gnade, die für Sein erstes Kommen charakteristisch ist, neben die Frage und das Gleichnis vom Reich Gottes zu stellen, das Sein zweites Kommen illustriert. Denn unmittelbar anschließend finden wir, wie Er die Gedanken der Jünger korrigieren muß, das Reich Gottes stehe unmittelbar bevor, denn Er war auf dem Weg hinauf nach Jerusalem. Sie erwarteten, Er werde sofort den Thron Davids einnehmen. Aus diesem Grund stellt Lukas diese beiden Dinge nebeneinander - die Gnade als Hinweis auf Sein erstes Kommen und den wahren Charakter des zweiten Kommens Christi, sofern es die Erscheinung des Reiches Gottes betrifft. Hätte man die Geschichte des blinden Mannes an ihrer historischen Stelle belassen, wäre dieser Gedankengang dann unterbrochen worden. Ich denke, daß es der göttlichen Weisheit entspricht, daß der Geist Gottes den Schreiber so inspiriert hat, die Geschichte gerade an diesem Platz wiederzugeben. Deshalb heißt es auch nicht, wie in der englischen Version, „als er in die Nähe Jerichos kam“, sondern einfach, „als er nahe bei Jericho war“, und überläßt es anderen Schriftstellen, dies zeitlich zu präzisieren. Er stellt lediglich fest, daß der Herr Sich in der Nähe aufhielt. Die anderen Evangelisten teilen uns dann bestätigend mit, daß es geschah, als Er die Stadt verließ.“
Während sich Jesus nun in der Nähe Jerichos aufhielt, teilt uns Lukas in Vers 37 mit, „sie verkündeten ihm aber, daß Jesus, der Nazaräer, vorübergehe“. Aber dieselbe Volksmenge, die hier Bartimäus Mut macht, bedroht ihn in Vers 39! Dennoch - und diese Tatsache berichtet in Vers 40 allein Lukas - war es diese Volksmenge, die ihn zu Jesus führte.
Ein ergreifendes Bild: wir sehen hier den hilflosen Zustand des Menschen - blind, arm, nackt (ohne Gewand, Markus 10,50), unfähig, aus eigener Kraft Jesus zu nahen, aber der Heilige Geist führt ihn! Markus und Lukas berichten übereinstimmend, daß es sein Glaube war, der belohnt wurde.
Nur Lukas berichtet noch etwas mehr als die Tatsache, daß sie Jesus nachfolgten. Es war kein stilles Nachfolgen, sondern „das ganze Volk, das es sah, gab Gott Lob“.