Schriften von Cor Bruins
Mk 15,20-41 Mt 27,31-56 Lk 23,26-49 Joh 19,17-30 - Die KreuzigungMk 15,20-41 Mt 27,31-56 Lk 23,26-49 Joh 19,17-30 - Die Kreuzigung
Markus 15,20-41; Matthäus 27,31-56; Lukas 23,26-49; Johannes 19,17-30
Markus 15,20-41: „Und sie führten ihn hinaus, auf daß sie ihn kreuzigten“, lautet Vers 20.
Das Gesetz schrieb vor: „Führe den Flucher außerhalb des Lagers ... und die ganze Gemeinde soll ihn steinigen“ (3Mo 24,14). So wurde der unschuldige Naboth hinausgeführt, um ermordet zu werden, ebenso Stephanus, der erste Märtyrer der Versammlung (1Kön 21,13; Apg 7,58).
Der Herr Selbst hatte es im Gleichnis von den bösen Weingärtnem in Matthäus 21,39 vorhergesagt: „Und sie nahmen ihn, warfen ihn zum Weinberg hinaus und töteten ihn“.
Zweifellos hat der Herr Jesus das Kreuz zunächst Selbst getragen (Johannes 19,17). Wurde es Ihm dann zu schwer? Jedenfalls teilt uns Markus nicht nur den Namen dessen mit, der es für Ihn trug - Simon von Kyrene, ein Afrikaner aus dem heutigen Libyen (vgl. Apg 2,10) - sondern auch die Namen seiner Söhne: Alexander und Rufus (V. 21). Die gleichen Namen werden in Römer 16,13 angeführt; offenbar waren die beiden unter den ersten Christen bekannt.
Wie kam Simon dazu, das Kreuz zu tragen? „Diesen zwangen sie“ (Matthäus 27,32); auch hier: „Und sie zwingen“; in Lukas lesen wir, daß sie einen gewissen Simon ergriffen (Lukas 23,26). Johannes berichtet gar nichts davon, dort trug Jesus das Kreuz Selbst. Man kann sicher annehmen, daß Jesus Selbst das Kreuz trug bis der Zug das Stadttor erreichte, und daß es von da an Simon für Ihn trug. Er ging gerade im richtigen Augenblick vorüber. Wie wunderbar sind Gottes Führungen im Leben des Einzelnen! Obwohl die verwendeten Ausdrücke ein gewisses Widerstreben bei Simon erkennen lassen, dürfen wir überzeugt sein, daß er später dieses Ereignis als das Bedeutsamste seines Lebens ansah.
Alle Evangelien stimmen überein, daß der Ort, wo Jesus gekreuzigt werden sollte, Golgatha hieß. Das ist das hebräische Wort für „Schädel“ (Lukas 23,33 hat nur diesen letzteren Ausdruck, nicht Golgatha stehen) - eigentlich die aramäische Form des hebräischen Wortes für „Schädel“. Lateinisch lautet es „Calvarium“; daher kommt unser „Kalvarienhügel“ (engl. Calvary). Dieser Ausdruck wird in der deutschen (bzw. auch englischen) Bibel nicht benutzt (— wohl aber im katholischen Schrifttum - Anm. d. Übers.).
Nur Markus und Matthäus erwähnen, daß man Jesus einen Betäubungstrank anbot, den Er allerdings zurückwies. Markus sagt, es sei „Wein, mit Myrrhen vermischt“ gewesen (Matthäus 27,34). Darin liegt kein Widerspruch. Die römischen Soldaten bekamen eine saure Weinsorte zu trinken (vgl. die Fußnote zu Matthäus 27,34 in J.N.Darbys engl. Übers.), die sich kaum oder gar nicht von Essig unterschied. So besteht zwischen dem „Wein mit Myrrhen vermischt“ bei Markus und dem „Essig mit Galle vermischt“ bei Matthäus kein grundlegender Unterschied (s.a. 5Mo 29,18; 32,32; Jer 8,14; Klgl 3,19; Arnos 6,12; Ps 45,8; Hld 4,6). Man reichte den Verurteilten einen derartigen Trank, um ihr Schmerzempfinden zu vermindern und sie in einen Dämmerzustand zu versetzen. Natürlich wies der Herr Jesus so etwas zurück! Er mußte bei klarem Bewußtsein alles das erdulden, was Sein stellvertretendes Leiden für unsere Sünde in sich schloß!
Viele Schriftforscher hat Vers 25 etwas verwirrt; er kommt nur bei Markus vor. Er paßt scheinbar nicht zu Johannes 19,14, wo wir von einer „sechsten Stunde“ lesen.
Wir glauben, daß in den Evangelien zwei verschiedene Arten der Stundenzählung Vorkommen - die jüdische und die römische. Wenn Johannes Zeitangaben macht, weichen sie regelmäßig von denen bei Markus ab. Wir müssen im Auge behalten, daß - historisch gesehen - Markus sein Evangelium vor Johannes schrieb. Johannes schrieb lange nach der Zerstörung Jerusalems im Jahr 70 n. Chr., zu einer Zeit also, als die jüdische Stundenzählung nicht mehr üblich war, sondern ausschließlich die römische.
Die (zwölf) Tagesstunden rechnen in der Schrift gewöhnlich von 6 bis 18 Uhr. Somit entspricht die „dritte Stunde“ unserem „9 Uhr“, die „sechste Stunde“ unserem „12 Uhr (mittags)“, die „neunte Stunde“ unserem „15 Uhr“ usw. Johannes dagegen rechnet von Mitternacht zu Mitternacht. Dies löst die durch Johannes 19,14 entstehende Schwierigkeit, wo es heißt, daß das Verhör „um die sechste Stunde“ bereits lief, während in Markus 15,25 steht: „Es war aber die dritte Stunde, und sie kreuzigten ihn.“ Ein Vergleich der Stellen zeigt uns, daß sich die „6 Uhr“-Angabe (Johannes 19,14) durchaus damit deckt, daß das Verhör „frühmorgens“ (Johannes 18,28) anfing. Ebenso paßt dazu, daß die Kreuzigung um 9 Uhr — um die „dritte Stunde“ nach jüdischer Zählung (Markus 15,25) — begann.
Vielleicht sollte hier auch W. Kelly zu Wort kommen: „Die Juden rechneten den Tag von Abend zu Abend; es ist daher falsch anzunehmen, daß der Herr mit Seinen Jüngern an einem Tag das Passah aß und am nächsten litt. Das würde für unser übliches westliches Zeitempfinden zutreffend sein, nicht aber für das von Juden, die unter dem Gesetz aufgewachsen waren. Sie aßen an unserem Donnerstag das Passah und Er litt an unserem Freitag, aber für die Juden war das ein und derselbe Tag. Daher blieb auch noch für die Juden Zeit zum Essen des Passahmahls, die wegen des Scheinverhörs und der Verurteilung Jesu zu beschäftigt gewesen waren, sofern sie sich nicht unterdessen nach dem Gesetz verunreinigt hatten. Mit Rüsttag des Passah (Johannes 19,14) ist nicht der 13. sondern der 14. Nisan gemeint. Es war der Tag vor dem Passahsabbat, also bei dieser Gelegenheit ein Doppelsabbat und daher besonders heilig.
Es scheint so, als ob Johannes eine andere Stundenzählung anwendet, von Mitternacht zu Mitternacht, wie wir auch. Mit Sicherheit taten es die Römer für den bürgerlichen Tag. Das würde ausgezeichnet zu allen Stundenangaben im Johannesevangelium passen und darüber hinaus mit Markus' dritter, sechster und neunter Stunde des natürlichen Sonnentages übereinstimmen. Das hilft auch bei der Erklärung der andernfalls sonderbaren Botschaft der Frau des Pilatus (Matthäus 27,19), worin sie sagt „viel habe ich heute im Traum gelitten“. Für Procula als Römerin rechnete der Tag von Mitternacht zu Mitternacht, anscheinend wohl auch bei den Stundenangaben im gesamten Johannesevangelium, nicht jedoch in den Synoptikern“. (W. Kelly, Exposition of the Gospel of John, S. 392-393)
Alle Evangelien berichten, daß man zwei Übeltäter kreuzigte, einen zur Rechten und den anderen zur Linken Jesu. Johannes fügt als Augenzeuge das bewegende Detail hinzu: „Jesum aber in der Mitte“ (Johannes 19,18).
Die Überschrift Seiner Beschuldigung ist im wesentlichen in allen Evangelien die gleiche: „Der König der Juden“ (V. 26); Markus gibt sie uns in dieser kürzesten Form wieder. Er erwähnt lediglich die Beschuldigung, nicht aber alles, was tatsächlich auf dem Holzbrettchen am Kreuz über dem Haupt Christi stand. Anscheinend gibt uns Matthäus den hebräischen, Lukas den griechischen und Johannes den lateinischen Wortlaut der Inschrift wieder. Die „Abweichungen“ sind vielleicht darauf zurückzuführen, daß die Überschrift in diesen drei Sprachen verfaßt war (Lukas 23,38).
In manchen Handschriften fehlt Markus 15,28. Die „Elberfelder“ und J.N.Darbys Übersetzung haben diesen Vers in Klammem. In Lukas 22,37 steht allerdings: „Und er ist unter die Gesetzlosen gerechnet worden.“ Diese Schriftstelle wurde hier tatsächlich erfüllt (s. Jes 53,12).
Nur Markus (V. 29) und Matthäus haben das Lästern und Kopfschütteln der Vorübergehenden festgehalten, obwohl auch Lukas die hohnlachenden Spötter vermerkt (Lukas 23,35). Vergleiche auch Psalm 22,17. Alle drei synoptischen Schreiber haben die Aufforderung, herabzusteigen und Sich Selbst zu retten, aufgezeichnet. Markus hier in V. 20. Matthäus und Lukas erwähnen noch eine zusätzliche Herausforderung: „Wenn du Gottes Sohn bist“ (Matthäus 27,40) und „wenn dieser der Christus ist, der Auserwählte Gottes“ (Lukas 23,35). In diesem Evangelium hier haben wir sie vielleicht in etwas anderer Form in Vers 32: „Der Christus, der König Israels; steige jetzt herab vom Kreuze.“ Markus berichtet auch, daß sich anfangs beide Übeltäter an den Schmähungen beteiligten; Matthäus schreibt dasselbe. Lukas dagegen nimmt einen davon aus; den Grund dafür werden wir noch sehen.
Dann folgt bei den Synoptikern die Beschreibung der übernatürlichen Finsternis, die von der sechsten bis zur neunten Stunde (von 12 bis 15 Uhr) über das ganze Land kam (V. 33). Wir denken, daß mit dem „ganzen Land“ das Land Israel gemeint ist. Ein ähnliches Wunder war einst in Ägypten geschehen (2Mo 10,22.23), als bei den Ägyptern dichte Finsternis herrschte, während die Israeliten durch ein Wunder Licht hatten.
Es waren jetzt die heißesten Stunden des Tages, wo die Sonne normalerweise wie ein glühender Feuerball im Zenit stand. Wieviele Leiden hatte der teure Heiland bereits von Menschenhand erdulden müssen! Doch alles das war nichts im Vergleich mit den Leiden der nächsten drei Stunden. Da sollte das Schwert der Gerechtigkeit Gottes das Haupt Seines „Genossen“ (vgl. Sach 13,17) treffen. Da sollte der Gute Hirte, weil Er zugleich der Unendliche ist, die ewige Trennung von Gott, wie wir sie verdient hatten, erdulden. Das mag sehr wohl ein Grund für die schreckliche Finsternis gewesen sein. Kein Auge durfte diese Leiden anschauen. Markus und Matthäus stellen uns Christus als Sünd- und Schuldopfer vor, das anstelle des Sünders stirbt. Lukas zeigt uns Christus als Speisopfer, wie der vollkommene Mensch von den Menschen verworfen und vom Himmel verlassen wurde. Im Johannese\angelium, wo wir nicht lesen, daß Er von Gott verlassen wurde, ist Er Der, der Sich durch den ewigen Geist Gott als Brandopfer darbrachte.
Wenn die Umstehenden Ihn auch nicht sehen konnten, so konnten sie doch Seinen furchtbaren Schrei hören: „Eloi, Eloi, lama sabachthani?“ (V. 34). Es ist der einzige der sieben Aussprüche des Herrn am Kreuz, den Markus aufgezeichnet hat. Die Reaktion der Umstehenden wird von Markus und Matthäus wiedergegeben: sie meinten, der Herr rufe nach Elias (V. 35). Dann gibt man Ihm mit Hilfe eines Schwammes zu trinken. Johannes verbindet diese Handlung, mit der Psalm 69,21 Erfüllung fand, allerdings mit dem nächsten Ausruf des Herrn: „Mich dürstet!“ (Johannes 19,28). Es scheint übrigens, daß die Umstehenden auch jetzt spotteten, wenn sie sagten: „Siehe, er ruft den Elias.“ „Eloi“ hier ist die aramäische, „Eli“ in Matthäus dagegen die hebräische Form von „mein Gott“. Es gibt wirklich keinen Grund für die Annahme, sie hätten sich verhört. Es heißt auch, daß Jesus diese Worte mit lauter Stimme schrie.
Wie beschreiben die vier Evangelien das Sterben des Herrn?
a. Markus schreibt, Er „verschied“ (V. 37),
b. Matthäus, Er „gab den Geist auf* (Matthäus 27,50),
c. Lukas sagt, daß Er „verschied“ nach den Worten: „Vater, in deine Hände übergebe ich meinen Geist“ (Lukas 23,46),
d. Johannes, Er „übergab den Geist“ (Johannes 19,30).
In keiner dieser vier Schriftstellen findet sich das Wort „starb“, um den Ausgang der Kreuzigung Jesu zu beschreiben. Von Jesus allein konnte es heißen: „Er übergab Seinen Geist.“ Das bedeutet etwas völlig anderes, als der von Markus hier gebrauchte Ausdruck „verscheiden“, der für jeden beliebigen Menschen zutreffend wäre. Dennoch ist die Verwendung von „verscheiden“ sehr passend für dieses Evangelium, das vom Diener handelt, da Jesus darin in Seiner Erniedrigung, in Seiner Gestalt wie ein Mensch erfunden, gesehen wird. Der anderen Zielsetzung des Johannesevangeliums entsprechend lautet der betreffende Ausdruck dort natürlich völlig anders.
Alle drei synoptischen Evangelien berichten das Zerreißen des Tempelvorhangs (V. 38), die Worte des Hauptmanns (V. 39) und die Frauen, die von fern zusahen (V. 40).
Der Vorhang verkörpert die unter dem jüdischen System existierende Trennung: Gott ist da, aber der Mensch steht draußen und hat keinen Zugang zu Ihm. Das hat nun aufgehört; es ist gänzlich vorbei mit dem Judentum. Die übernatürliche Finsternis war ein Bild der gesamten jüdischen Haushaltung unter dem Gesetz. Dieses Zeitalter fand jetzt mit dem Zerreißen des Vorhangs sein Ende. Der Weg ins Allerheiligste steht nun durch das Opfer des Leibes Christi allen offen.
Vielleicht fragt jemand, wie dieses Ereignis bekannt geworden sein mag, da ja nur die Priester den Tempelvorhang sehen konnten. Die Antwort ist, daß sich später viele dieser Priester bekehrten (Apg 6,7) und diese Tatsache bezeugen konnten. Beachte, daß der Vorhang „von oben bis unten“ zerriß. Ein göttlicher Akt, von oben an die Menschen auf Erden gerichtet. Gott Selbst machte den Weg frei!
Höre das Zeugnis des heidnischen Soldaten: „Wahrhaftig, dieser Mensch war Gottes Sohn!“ (V. 39). Wir wissen nicht, wie weit das Verständnis dieses Mannes ging oder was er mit seinen Worten ausdrücken wollte. Vielleicht mußte er einfach unter dem Eindruck des Geschehenen bekennen, daß dieser Jesus nicht ein gewöhnlicher Mensch sein konnte. Der bestimmte Artikel fehlt hier; es heißt „Gottes Sohn“, nicht der Sohn Gottes.“ Deshalb haben einige vermutet, daß dieser Mann, in gängigen heidnischen Vorstellungen befangen, lediglich äußerte, er halte Jesus für einen Sohn der Götter. Wir können uns dieser Vermutung nicht anschließen. Als Römer sagte der Hauptmann sicher auf lateinisch: „Filius Dei“, und das Lateinische kennt ja keinen bestimmten Artikel.
Die Verse 40 und 41 berichten uns, daß sich unter den Zuschauern solche befanden, die Jesus liebten. Obwohl hier nur Frauen genannt werden, stand auch Johannes bei dem Kreuz (Johannes 19,26). Unter diesen Frauen finden wir Maria, die Mutter Jesu (Johannes 19,26). Eine weitere Maria ist dabei, die Schwester Seiner Mutter. In Matthäus 28,1 wird sie „die andere Maria“ genannt und war vermutlich die Frau des Kleopas oder Alphäus (Johannes 19,25; Lukas 24,18) und die Mutter von Jakobus und Joses (Matthäus 27,56; Markus 15,40.47). Dann waren dort Maria Magdalene (oder von Magdala) und eine andere Frau, Salome, die wohl die Frau des Zebedäus war (vgl. Matthäus 27,56 mit Markus 15,40). Aber da viele Frauen dort waren (Matthäus 27,55), müssen die beiden Evangelisten nicht unbedingt die gleichen drei namentlich erwähnt haben.
In diesem Evangelium hören wir nichts davon, daß die Erde bebte, daß sich Grüfte auftaten und daß entschlafene Heilige in Jerusalem erschienen. Jedoch - so genau in dieses Evangelium des Dieners passend! - wird hier erwähnt, daß die Frauen Ihm gedient hatten (Vers 41). Sie hatten Ihm während Seines Lebens gedient und würden dies auch in Seinem Tode getan haben, hätte es sich nicht durch Seine Auferstehung erübrigt. Bewundernswerte göttliche Inspiration!
Matthäus 27,31-56: Wir wollen nicht auf Gemeinsamkeiten mit den anderen Evangelien eingehen, die das Matthäusevangelium aufweist, sondern mehr auf Unterschiede und zusätzliche Angaben.
Die völlige Gefühllosigkeit und Gleichgültigkeit des sündigen Menschen kommt sehr treffend in dem Verhalten der Soldaten in Vers 36 zum Ausdruck: „Und sie saßen und bewachten ihn daselbst.“ Es standen außer den Soldaten noch andere da und sahen zu (Lukas 23,35). In der Tat, welch seltsames Schauspiel bot sich ihren Blicken - der große Schöpfer hängt an einem Schandpfahl!
Die Kreuzesüberschrift war auch in Hebräisch geschrieben und lautete: „Dieser ist Jesus, der König der Juden“ (V. 37). Das steht mit dem Charakter des A/atfMwsevangeliums völlig im Einklang, wo Jesus der Messias, der König der Juden, ist. Die Frage des Pilatus lautete ja auch: „Bist du der König der Juden?“ Jesus hatte das nicht verneint. Die Juden hätten erkennen müssen, daß der Mensch Jesus in Wirklichkeit ihr verheißener Messias und König war.
Die spöttische Aufforderung in V. 40 lautet: „Wenn du Gottes Sohn bist“, in Lukas dagegen „wenn dieser der Christus ist, der Auserwählte Gottes“ (Lukas 23,55). Sie machen sich über Ihn lustig, daß Er, der den Tempel abbrechen und in drei Tagen aufbauen könne, Sich Selbst nicht retten könne. In Wirklichkeit waren sie die Zerstörer „des Tempels Seines Leibes“ und würden in drei Tagen bezeugen müssen, daß das alles wahr ist, wenn Er nämlich auferstehen würde.
Es war richtig, Er würde Sich Selbst nicht retten! Der grausamste Hohn jedoch, den Matthäus allein wiedergibt, findet sich in Vers 43: „Er vertraute auf Gott, der rette ihn jetzt, wenn er ihn begehrt; denn er sagte: Ich bin Gottes Sohn.“ Aber es erfolgt jetzt keine Fürsprache von Gottes Seite! Es kommt keine Stimme aus dem Himmel: „Dieser ist mein geliebter Sohn, an welchem ich Wohlgefallen gefunden habe!“ Der Himmel blieb stumm. O welche Tiefen der Schande und des ringenden Kampfes!
Und dann hören wir die herzzerreißende Klage des leidenden Sohnes: „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“ (V. 46) Dieser Schrei wurde in Psalm 22,1 bereits vorhergesagt, und dort wird auch der Grund für Sein Verlassenwerden von Gott angegeben. In Vers 3 dieses Psalms lesen wir: „doch du bist heilig.“ Weil Gott heilig ist, kann Er Sünde nicht sehen. Und Jesus wurde für uns zur Sünde gemacht.
Der Gottesname wird hier auf Hebräisch wiedergegeben: „Eli, Eli“, das ja auch eine der Sprachen war, in denen die Kreuzesüberschrift verfaßt war. In Vers 50, nach qualvollem, kräfteverzehrenden Leiden, gab Jesus den Geist auf, nachdem Er nicht flüsternd - wie es ganz natürlich gewesen wäre - sondern in der Kraft Seiner göttlichen Natur mit lauter Stimme geschrieen hatte. Er starb freiwillig, nicht wie ein Mensch stirbt. Nachdem Sein Werk vollbracht war, übergab Er Gott Seinen Geist, so wie Er in Johannes 10,18 erklärt hatte, sterben zu wollen. Ja, Er starb im Vollbesitz Seiner Kräfte. So war Er das freiwillige Opfer, aber Er war es nichtsdestoweniger in Seiner ganzen Majestät und Kraft.
Gleichzeitig wurde der Vorhang des Tempels zerrissen, erbebte die Erde, zerrissen die Felsen und taten sich die Grüfte auf (V. 51.52). Darin sehen wir das Doppelresultat des Todes Christi: der Vorhang ist zerrissen und die Macht des Todes überwunden. Diese Dinge berichtet nur Matthäus.
Beachten wir, daß Heilige - entschlafene Heilige natürlich - und nicht Sünder etwas von den Auswirkungen des Todes Christi und Seines Versöhnungswerkes zu spüren bekamen (V. 52). Sie kommen nach Seiner Auferstehung, nicht im Augenblick Seines Sterbens, aus den Grüften hervor. Paulus sagt, daß Christus „der Erstling der Entschlafenen“ sei; somit durften sie Ihm nicht zuvorkommen. Aber das Öffnen der Grüfte geschah bei Seinem Sterben.
Wir wollen ferner beachten, daß es sich nicht bloß um Geistererscheinungen handelte, sondern „viele Leiber der entschlafenen Heiligen wurden auferweckt.“ Das bedeutet nicht - wie wir glauben daß sie zurückkehrten, um weiter unter den Ihrigen zu leben (was sie sicher nicht taten!), sondern daß sie vielen in ihren Leibern, die nicht für diese Erde, sondern für die geistliche Welt passend waren, erschienen (V. 53). Zweifellos folgten sie später dem Herrn ins Paradies.
Die Verse 51b-53 sind zu Recht nur von Matthäus aufgezeichnet worden. Jerusalem wird hier „die heilige Stadt“ genannt (V. 53). In Gottes Gnadenratschluß und auf der Grundlage des nun am Kreuz vollbrachten Werkes ist in dieser Bezeichnung eine kostbare Verheißung miteingeschlossen. Sie wird eines Tages die heilige Stadt sein, wo ein Quell zur Reinigung geöffnet sein wird (Sach 13,1).
Diese auferweckten Heiligen bezeugen den Einwohnern Jerusalems, daß das Werk Christi vollbracht ist, bestätigt durch die Auferstehung. Welche Herrlichkeit! Welche Gnade!
Wie auch anderswo, wird im nächsten Vers (V. 54) der Hauptmann erwähnt. Doch Matthäus fügt hinzu: „und die mit ihm Jesum bewachten“. Es scheint, dem Charakter dieses Evangeliums entsprechend, eine prophetische Bedeutung darin zu liegen, daß hier die anderen in den Ausspruch einstimmen, der in Markus und Lukas als Ausdruck des persönlichen Glaubens des Hauptmanns erscheint. Darin liegt wohl, daß es der gemeinsame Glaube einer Schar von Heiden ist.
Lukas 23,26-49: Der Hauptmann sagt von Jesus: „Fürwahr, dieser Mensch war gerecht.“
Lukas hat nicht den Schrei des von Gott Verlassenen, nicht das Erdbeben, das Zerreißen der Felsen und ähnliche Dinge, die wir bei Matthäus finden, denn die beiden Evangelisten verfolgen unterschiedliche Ziele. Hier haben wir das Evangelium des vollkommenen Menschen oder - mit den Worten des Hauptmanns - des gerechten Menschen.
Nur Lukas berichtet von der Warnung Jesu an die Töchter Jerusalems (V. 27-32) und das erste der sieben Worte am Kreuz: „Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun!“ (V. 34) Lukas, der von Gottes Wohlgefallen an dem Menschen schreibt, berichtet auch als einziger die Begebenheit mit dem reuigen Räuber am Kreuz (Verse 40-43) und überliefert in Vers 46 den letzten der sieben Aussprüche: „Vater, in deine Hände übergebe ich meinen Geist.“
Wir wollen uns das noch ein wenig im einzelnen ansehen und dabei auf die deutlichen „Unterschiede“ achten.
Es war gegen 9 Uhr, als „sie ihn wegführten“ (V. 26). Ebenso wie Jesus auch bei mehrmaliger Geißelung nicht gestorben wäre, so hätte Er niemand zum Tragen des Kreuzes gebraucht, wenn Er nicht einverstanden gewesen wäre. Aber in Übereinstimmung mit dem Evangelium von dem abhängigen Menschen sehen wir Ihn hier auf einen Mitmenschen angewiesen, der Ihm das Kreuz „nachtragen“ mußte (V. 26).
Einige Ausleger meinen sogar, die Formulierung „um es Jesu nachzutragen“ könne sehr wohl bedeuten, daß Simon von Kyrene die Last des Kreuzes erleichterte, indem er hinter Jesus gehend mit daran trug. Das würde die „Diskrepanz“ zwischen dem Johannesevangelium und den synoptischen Evangelien ausräumen. Wir dürfen annehmen, daß der Herr erst selbst Sein Kreuz getragen hat, bis die römischen Soldaten fürchteten, der Herr könne unter der Last niederstürzen; deshalb zwangen sie Simon von Kyrene, das Kreuz zu tragen.
In den Versen 27-31 kommen wir zu der Szene der wehklagenden Frauen Jerusalems. Bei den Männern in dieser großen Volksmenge scheint es kein Anzeichen von Mitleid gegeben zu haben. In diesem Evangelium von der wahren Menschheit Christi finden wir nur bei den Frauen Beweise von Teilnahme.
Aber der Herr Jesus klagt über sie selbst und ihre Kinder. Er warnt sie vor dem, was wegen ihrer Blutschuld über sie kommen würde. Denn der „Bluträcher“ würde ihnen auf den Fersen bleiben und ihr Blut in Strömen vergießen!
Er Selbst, Jesus, war „das grüne Holz“ (V. 31). Obwohl auf dem Weg zum Kreuz, hatte Er nichts von Seiner Grüne und Frische verloren. Er befand Sich in der Blüte Seiner Mannesjahre und sollte doch plötzlich „abgeschnitten werden aus dem Lande der Lebendigen“ (s. Jes 53,8). Wenn sie das Ihm, dem grünen Holz, antaten, was würde dann mit ihnen geschehen, wenn sie zu dürrem Holz geworden sein würden - unfruchtbar, unnütz, ohne Gott, ohne Messias, ohne den Heiligen Geist, sich selbst überlassen? Sie würden reif sein für das Feuer, für das gewaltige Blutbad bei der Zerstörung Jerusalems durch Titus im Jahr 70 n. Chr. Das hier war sozusagen die letzte Warnung des Herrn an sie von der Erde aus!
Golgatha wird hier einfach „Schädel“ genannt. Der Schreiber dieser Zeilen machte einmal ein Farbfoto von der Örtlichkeit, die für Golgatha angegeben wird, und war erstaunt, wie deutlich in der Seitenansicht dieses Hügels die Schädelform hervortritt.
Durch das ganze Evangelium hindurch erkennen wir Gottes Gnade gegenüber den Menschen, Gottes Wohlgefallen an dem Menschen, Gottes wunderbare Gunsterweisungen ihm gegenüber. Es würde deshalb nicht passend sein, wenn hier der Aufschrei des Verlassenseins, „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“ von dem Menschen käme, der Gottes Gunst besaß.
Aber wir finden hier das Gebet des leidenden Menschen für Seine Mitmenschen, daß der Vater ihnen gnädig sein und ihnen ihr Verbrechen vergeben möge (V. 34; vgl. Apg 3,17). Beachte, daß die Überschrift hier lautet: „Dieser ist der König der Juden.“ Sie drückt nicht das gleiche wie in Matthäus aus: „Dieser ist Jesus, der König der Juden,“ sondern mehr: „Der König der Juden ist das!“ Welch ein beißender Spott, welche Erniedrigung!
Alle Evangelisten berichten, daß die Soldaten um Seine Kleider losten. Aber Lukas richtet seine ganze Aufmerksamkeit kurz auf den Hügel, wo „das Volk stand und zusah“ (V. 35). Matthäus berichtet, daß „sie“ (die Soldaten) „saßen und (ihn daselbst) bewachten“ (Matthäus 27,36), wie wir bereits sahen. Man konnte mehrere Gruppen beobachten: die Volksmenge (V. 35 und 48), die momentan anscheinend ruhig dabeistand und das Geschehen mit schweigendem Staunen verfolgte. Dann waren die Obersten (V. 35), die Hohenpriester, Schriftgelehrten und Ältesten (Matthäus 27,41) dort, die sich nicht schämten, ihre ehrwürdigen, grauen Häupter mit Schande zu bedecken, indem sie den Hohnreden der Menge ihre eigenen hinzufügten. Sogar die aus den Nationen, die Soldaten, folgen in Vers 36 dem Beispiel des Volkes Gottes. Schließlich sehen wir auch die beiden Räuber in die Lästerungen derer, die das Kreuz umgaben, mit einstimmen. Wir sehen das, was die Menschen ihrem Mitmenschen antaten, in dem Evangelium Seiner Menschheit weit mehr als in den anderen hervorgehoben.
Höre die Feinde Jesu bezeugen, was Er unter ihnen getan hatte, ohne daß sie es zu schätzen wußten: „Andere hat er gerettet“ (V. 35). Ganz gewiß vergrößert das ihre Schuld. Ja, Er hatte andere gerettet, denn dazu war Er gekommen. Und selbst in diesen letzten Augenblicken wollte Er noch einen Sünder retten!
Gottes Gnade wirkte an der Seele des einen Räubers. Obwohl er sich zunächst an der Verspottung beteiligt hatte, sah er auf einmal alles in einem völlig anderen Licht (V. 40-43). Er sah seine Schuld und die Rechtmäßigkeit seiner Strafe ein (V. 41). Er wußte, daß Jesus der unschuldige Heiland war - „Dieser aber hat nichts Ungeziemendes getan“ (V. 41). Er bittet Ihn, seiner zu gedenken. Und so vereint er sich mit Judas Iskariot, Pilatus und Herodes in der Beteuerung der Unschuld Jesu. Doch welch ein Unterschied: er ging ins Paradies, die anderen in die ewige Verdammnis! Er weiß, daß seiner Sünden nie mehr gedacht werden wird, weil sie ausgetilgt sind. Jesus sah den echten Glauben in dem Herzen dieses Mannes und gab ihm die Gewißheit göttlicher Gnade. Und wie wurde sein Gebet erhört! Er bat den Herrn, seiner zu gedenken, wenn Er in Seinem Reich kommen würde. Aber Jesus sagte ihm, daß er nicht so lange zu warten habe, bis Seine Herrlichkeit in dieser Welt geoffenbart werden würde. Nein, am heutigen Tag schon würde er bei dem Herrn sein. Es ist oft gesagt worden: „Es ist einer so gerettet worden, damit niemand verzweifelt, aber nur einer, damit das niemand mißbraucht und als selbstverständlich betrachtet.“ Er erkannte Jesus als Herrn und König an.
Die rechte Wiedergabe von Vers 43 lautet: „Und Jesus sprach zu ihm: „Wahrlich, ich sage dir: Heute wirst du mit mir im Paradiese sein.“ Wir wollen nicht, wie einige zeitgenössische Irrlehrer, den Doppelpunkt an die falsche Stelle setzen (Falsche Übersetzung: „Wahrlich, ich sage dir heute: Du wirst mit mir im Paradies sein“). Jawohl, heute wirst du mit mir im Paradiese sein - Halleluja! Wunderbare Gnade!
Arme irregeführte Seelen in falschen religiösen Systemen! In dem Augenblick, wo der an Christus Jesus Gläubige sterbend seine Augen schließt, befindet er sich nicht im Fegefeuer, seine Seele fällt auch nicht in einen Schlaf, sondern er ist bei Christus im Paradies.
Wenn das ganze Erdenrund in Finsternis liegt (V. 44), offenbart Sich Gott im Licht, und der Vorhang wird zerrissen. Anders als Matthäus und Markus , die uns berichten, daß der Vorhang „in zwei (Stücke), von oben bis unten (zerriß)“, sagt Lukas lediglich, er „riß mitten entzwei“. Es klingt beinahe, als sei er aus eigenem Antrieb zerrissen. Gott bringt so Seine Natur durch den Tod Jesu in Gnade zum Ausdruck. Wir haben hier nicht die Schläge des göttlichen Gerichts, die den ergebenen Messias treffen. Die ganze Gnade - hier in Lukas besonders - war bis jetzt zurückgehalten worden, aber nun brach sie hervor: der reißende Vorhang schaffte allem, was sich dahinter befand, freie Bahn.
Sicher wird der aufmerksame Leser fragen, warum Lukas das Zerreißen des Vorhangs bereits vor dem Tod Jesu erwähnt. Wir wissen genau, daß dies nicht der tatsächlichen Reihenfolge der Ereignisse entspricht. Bezüglich einer Antwort verweisen wir den Leser auf Abschnitt 142, wo wir versucht haben, eine Erklärung für diese offensichtliche „Diskrepanz“ zu geben.
Dann kommt das Ende. Lies sorgfältig Vers 46: „Und Jesus rief mit lauter Stimme und sprach: Vater, in deine Hände übergebe ich meinen Geist!“ In Matthäus und Markus fühlte Er Sich von Gott verlassen, hier in Lukas wußte Er den Vater bei Sich. In Johannes ist Er Sich auf göttliche Weise Seiner Selbst bewußt. Denken wir auch an das Gebet Jesu zum Vater in Vers 34.
Alles ist nun vollbracht und der Tod besiegt. Jesus, der vollkommne Mensch, befiehlt jetzt im Bewußtsein Seiner Sohnschaft einfach Seinen Geist sicher, glücklich, vertrauensvoll und dem Tod nicht widerstehend in die Gegenwart und Obhut des Vaters (s. Ps 16 und 31).
Schließlich sehen wir zweierlei Reaktionen im Gewissen derer, die beim Kreuz standen. Zunächst bei dem Hauptmann (V. 47). Als er „sah (!), was geschah, verherrlichte er Gott und sagte: Fürwahr, dieser Mensch war gerecht.“ Es hatte viele vor ihm gegeben, die alle Wunder in Verbindung mit der Person Jesu gesehen und „geglaubt“ hatten, überzeugt durch die Tatsachen, die sie nicht leugnen konnten, und die ihr verstandesmäßiges Überzeugtsein ausdrückten, daß Jesus tatsächlich irgendwie anders sein müsse. Nebukadnezar hatte auch Gott verherrlicht. Zweitens sehen wir die Volksmenge (V. 48), die sich „als sie sah, was geschehen war“ an die Brust schlug und zurückkehrte. Nach allem Geschehenen in ihr sündiges Leben zurück? Voller Verzweiflung oder mit überführten, durchbohrten Herzen? Im letzteren Fall gab es für sie noch Hoffnung!
Johannes 19,17-30: In diesem Evangelium tragen die Leiden Christi die Merkmale des Brandopfers. Hier steigt der völlige Gehorsam eines Menschen, eines Gehorsams bis zum Tod, ja zum Tod am Kreuz, als ein duftender Wohlgeruch zu Gott empor. Das Feuer der Verfolgung und der Leiden kann nichts anderes bewirken, als daß es den Wohlgeruch und die Vortrefflichkeiten dieses Opfers noch stärker hervortreten läßt.
In diesem Evangelium sehen wir den Herrn Jesus auch Sein Kreuz allein tragen (V. 17). Wenn der Herr Sein Kreuz Selbst tragen mußte, so war das sicher der Normalfall bei jedem Schwerverbrecher - kein ehrbarer Mensch hätte einem solchen helfen wollen. Doch in dem Fall unseres Herrn liegt der Gedanke der Freiwilligkeit mit darin. Das Charakteristikum der Freiwilligkeit fällt bei der Kreuzigung des Herrn Jesus besonders ins Auge. Er hat Gewalt Sein Leben zu lassen und es wiederzunehmen. Er ist der Gute Hirte, der freiwillig Sein Leben für die Schafe läßt.
Ist es nicht auffallend, daß es in Vers 16 heißt, sie „führten ihn fort“, Vers 17 aber ausdrücklich sagt: „Und sein (oder: sich selbst) Kreuz tragend ging er hinaus?“ Im Johanne stvangeJuim konnten sie Ihn nicht fortführen, sondern Er ging hinaus. Wir haben das gleiche in Vers 4, wo Pilatus sagt: „Ich führe ihn zu euch heraus“, während es in Vers 5 heißt: „Jesus nun ging hinaus“. Weder Pilatus noch die Soldaten hätten Ihn fortbringen können, wäre Er als Sohn Gottes nicht freiwillig hinausgegangen.
Augenfällig ist in diesem Evangelium die zentrale Stellung des Kreuzes Christi in Vers 18. Beachten wir den Ausdruck: „Jesum aber in der Mitte.“ Wenn die Menschen Ihm diesen Platz auch als dem größten Verbrecher zuwiesen, so geschah es doch unter Gottes Zulassung, nach Dessen Ordnung Jesus stets im Mittelpunkt stehen muß.
Andererseits ist Jesus hier Derjenige, der die bußfertigen, wiedergeborenen Sünder für ewig von denen trennt, die auf ewig verloren sind.
In Vers 19 wird uns berichtet, daß es Pilatus war, der die Kreuzesüberschrift in den drei Kultursprachen der alten Welt schrieb:
Hebräisch - die Sprache des Gottesdienstes,
Griechisch - die Sprache der Kultur und
Lateinisch - die Sprache der Politik (V. 20).
Johannes gibt die Überschrift am vollständigsten wieder:, Jesus, der Nazaräer, der König der Juden.“ Die Schrift sagt, daß sogar der Grimm des Menschen Gott preisen soll (Ps 76,10). In dieser Überschrift können wir eine Verspottung der Juden durch Pilatus feststellen. Sie hatten diese Überschrift für eine gegen Jesus gerichtete Beschimpfung gehalten. Bei ruhigem Nachdenken müssen sie darin jedoch gezielten, bitteren Spott gegen sich selbst erkennen!
Ja, dieser demütige, verachtete Mann aus Nazareth ist wirklich der Größte und Edelste ihres Geschlechts, der König. Deshalb kreuzigte Ihn Sein eigenes Geschlecht in seiner Bosheit. Sie sprachen diesem König die Königs würde ab, aber in Wirklichkeit war das „Königreich“, sein Volk, Seiner nicht wert.
Vers 21 schildert ihre Reaktion. Die Stunde des Sieges war ihnen vergällt. Diese Überschrift mußte geändert werden! Es bereitete Pilatus zweifellos besonderes Vergnügen, diesen hochmütigen Juden eine Abfuhr zu erteilen, deren aufrührerisches Geschrei ihn am Morgen gezwungen hatte, gegen seinen Willen zu handeln. Er schickt daher die Abordnung mit einem eisigen „Was ich geschrieben habe, habe ich geschrieben!“ fort.
Die meisten Einzelheiten über die Kleider Christi finden sich in diesem Evangelium. Kleider reden vorbildlich von den „Würden“ einer Person, von ihrem äußerlichen Verhalten. Gerechtfertigte Sünder sind bekleidet mit dem „Mantel der Gerechtigkeit“.
Ein Ausleger sieht hier einen Hinweis auf das Brandopfer: „Diesem wurde die Haut abgezogen, damit das darunter Liegende bloßgelegt und seine Vollkommenheit sichtbar wurde. So entkleideten sie nun den Herrn und stellten Ihn bloß. Nur in diesem Evangelium ist von Seinem nahtlosen Leibrock die Rede, bildlich dem Mantel der Gerechtigkeit, die in Ihm wirklich ohne Naht war, die Ihm nun Menschenhände ausgezogen hatten, indem sie Ihm den Platz eines Übeltäters zuwiesen.“ Die Soldaten erfüllten tatsächlich Psalm 22,18.
Interessanterweise sagt Johannes auch, daß der Leibrock „ohne Naht, von oben an durchweg gewebt“ war (V. 23); aber als einziger erwähnt er nicht, daß der Vorhang von oben bis unten zerriß. Da dieses nahtlose Gewand ein Symbol der Vollkommenheit Christi darstellt, wurde es nicht zerrissen! Das jedoch, was Gottes Herz nur unvollkommen vorbildete, mußte zerrissen werden! Ja, Sein Sohn, der von oben gekommen war, war zugleich Der, durch dessen Tod der Vorhang zerriß.
Die Verse 25-27 hat nur dieses Evangelium. Wir sehen darin die zarten menschlichen Empfindungen dieses wunderbaren Menschen Jesus. War Er zu sehr mit Seinen eigenen Leiden beschäftigt, um für andere Zeit zu haben? O nein! ist diese Szene zu erhaben, um dabei an irdische Zuneigungen zu denken? Der Herr Jesus wußte, daß durch Seinen Tod die natürlichen Bindungen zu Seiner Mutter Maria zerrissen würden. Und so dachte Er in der Stunde Seiner Not an sie und verband sie für den Rest ihrer irdischen Pilgerreise mit Seinem geliebten Jünger.
Zu Beginn dieses Evangeliums hatte Jesus zu ihr gesagt: „Was habe ich mit dir zu schaffen, Weib? Meine Stunde ist noch nicht gekommen“ (Kap. 2,4). Aber als Seine „Stunde“ gekommen war und Er das Werk getan hatte, konnte Er die Beziehung erneut anerkennen, indem Er wußte, daß Er nicht länger im Dienst Seines Vaters auf dieser Erde stand. So sehen wir Seine menschliche Zuneigung mit Seiner göttlichen Herrlichkeit verknüpft. Anbetungswürdiger Herr!
Weder in Gethsemane noch hier am Kreuz hören wir ein Wort über Leiden in diesem Evangelium. „In Matthäus werden alle Leiden ausführlich erwähnt. In Lukas finden wir weit mehr Leiden in Gethsemane als am Kreuz. Denken wir nur an die Worte: „als er in ringendem Kampfe war, betete er heftiger. Es wurde aber sein Schweiß wie große Blutstropfen, die auf die Erde herabfielen“, und an die Tatsache, daß wir hier in Johannes nichts vom Verlassensein am Kreuz lesen. Er ist in Lukas der Sohn des Menschen und nicht so sehr die göttliche Person, wie hier in Johannes. (Zitat)
Die Leiden waren selbstverständlich vorhanden, aber sie werden hier nicht herausgestellt. Die Kreuzigung hatte unsagbaren Durst zur Folge. Aber auch, um die Schrift buchstäblich zu erfüllen, sprach Jesus: „Mich dürstet!“ (V. 28).
Wie wir in Matthäus 27,34 und Markus 15,23 sahen, wies Jesus das angebotene Betäubungsmittel zurück. Hier jedoch nimmt Er den Essig, den man Ihm mit einem Schwamm an einem Ysop reichte (Verse 29-30). Der Ysop, der nur von Johannes erwähnt wird, erinnert uns an die Nacht, in welcher mit einem Ysopbüschel das Blut des Passahlammes an die Pfosten und die Oberschwelle gestrichen wurde. Selbst durch diese kleine Begebenheit werden wir daran erinnert, daß „unser Passah, Christus“ für uns geschlachtet worden ist.
Nachdem Jesus das ganze Erlösungswerk ausgeführt hat, spricht Er nun: „Es ist vollbracht!“ (V. 30). Der Herr meint damit ohne Zweifel Sein Opferwerk, weil noch nicht alle Schriftstellen, die von Ihm reden, erfüllt sind!
Dieses vorletzte der Kreuzesworte hat nur Johannes niedergeschrieben, und das ist auch sehr passend. Nur Jesus als Sohn Gottes konnte erklären, daß nun alles vollendet und in vollkommener Weise geschehen sei.
Dann, als letzte Handlung aus eigenem Willen, „übergab“ Er Seinen Geist (V. 30). Ja, Er mußte in den Scheol, den Aufenthaltsort der Toten, hinabsteigen, um die Sühnung zu vollenden. Der Gläubige aber erleidet nun den Tod gewissermaßen im Rahmen von Gottes Regierungswegen und nicht mehr länger als Antwort göttlicher Heiligkeit auf die Sünde.
Salomo hatte einst gesagt: „Kein Mensch hat Macht über den Geist, den Geist zurückzuhalten: und niemand hat Macht über den Tag des Todes“ (Pred 8,8 - vgl. Fußnote). Tatsächlich ist niemand dazu in der Lage, kein gewöhnlicher Mensch. Aber hier haben wir den Beweis, daß Jesus ebenso wirklich Mensch wie auch Gott war. Er war Gott, obwohl Er Mensch war, und beides in einer Person. Er ließ Sein Leben (Kap. 10,18), während Er voll über Seinen Geist verfügen konnte, und Er übergab ihn dem Vater.