Schriften von Cor Bruins
Mk 14,54.66-72 Mt 26,58.69-75 Lk 22,54-62 Joh 18,15-18.25-27 - Die dreimalige Verleugnung des Herrn durch PetrusMk 14,54.66-72 Mt 26,58.69-75 Lk 22,54-62 Joh 18,15-18.25-27 - Die dreimalige Verleugnung des Herrn durch Petrus
Markus 14,54.66-72; Matthäus 26,58.69-75; Lukas 22,54-62; Johannes 18,15-18.25-27
Markus 14,54.66-72: Als Gegensatz zum treuen Zeugnis unseres Herrn wird in diesem Evangelium die gemeine Verleugnung des armen Petrus bedeutend ausführlicher behandelt. Hat Petrus selbst dem Markus darüber berichtet?
Wir wollen fortfahren, wo wir bei Vers 54 stehengeblieben waren. Wenn Markus „unten im Hof“ sagt (Vers 66), so scheint dies anzudeuten, daß es einen höherliegenden Teil gab. Wir verstehen es so, daß der Herr Jesus gebunden in der Oberhalle des Palastes stand. So konnte Petrus emporblickend den Meister sehen, während Jesus von oben Petrus im Innenhof sehen konnte.
Die Magd des Hohenpriesters in V. 66 ist höchstwahrscheinlich dieselbe, die Petrus in den Hof hineinließ (Johannes 18,17). Es ist ebenso möglich, daß sie Petrus zunächst hereingelassen hatte, dann aber doch bestätigt fand, als sie ihn jetzt noch schärfer „anblickte“ (V. 67), was sie von Anfang an vermutet hatte. Sie ruft aus: „Auch du warst mit dem Nazarener Jesus!“ Die Bezeichnung, die sie gebraucht, verrät ihre Geringschätzung diesem Nazarener gegenüber.
Markus gibt die Verleugnung des Petrus hier in sehr bestimmten Worten wieder: „Ich weiß nicht, verstehe auch nicht “ (V. 68). Matthäus (26,70) sagt einfach: „Ich weiß nicht, was du sagst.“ Lukas (22,57) legt eine persönliche Note hinein: „Weib, ich kenne ihn nicht“, während Johannes sagt: „Ich bin's nicht“ (18,17).
In Vers 68 finden wir dann eine Unterbrechung: „und der Hahn krähte“.
Nur Markus erwähnt das. Es war der frühere oder „Mittemachtsschrei“, der den Beginn der dritten Nachtwache anzeigte, ebenso wie der „Morgenschrei“ ihr Ende anzeigte. Die anderen Evangelien reden nur von dem letzteren, während Markus beide gesondert erwähnt.
Petrus versucht jetzt, sich unauffällig zurückzuziehen; vielleicht mit der Absicht, den Hof zu verlassen. Doch er stößt zum zweiten Mal auf die Türhüterin, die nun allen Umstehenden verkündet: „Dieser ist einer von ihnen“ (V. 69) - einer der Nachfolger des Nazareners.
Vers 70 bildet die Parallele zu Matthäus 26,72, wo Petrus mit einem Eid leugnet, Jesus je gekannt zu haben. Doch seine Aussprache verrät ihn: „Du bist auch ein Galiläer!“
Zum dritten Mal leugnet Petrus, irgendetwas mit diesem Menschen zu tun zu haben, „von welchem ihr redet“. Er sträubt sich sogar, Jesus namentlich zu nennen. Und um seine Zuhörer zu beeindrucken, will er verflucht sein, wenn das, was er sagt, nicht stimmt. Er ruft Gott zum Zeugen für die Wahrheit des Gesagten an.
Genug! Gott muß ihm durch das Ertönen des zweiten Hahnenschreis den Mund verschließen. Warum hatte er den ersten Schrei in Vers 68 überhört? Zweifellos durch göttliche Fügung wird er nun zur Besinnung gebracht und „gedachte“ (V. 72). Gottgemäße Betrübnis (2Kor 7,10) erfüllt sein Herz, und der große, starke, vorschnelle Petrus bricht zusammen und weint „bitterlich“ (sagt Matthäus). O, jener Blick, jener Blick des Herrn! (Lukas 22,61).
Matthäus 26,58.69-75: Kann man vielleicht die Worte am Ende von Vers 58, die nur Matthäus hat, als Grund dafür betrachten, daß Petrus „von ferne“ folgen wollte? Wie lauten sie? - „um das Ende zu sehen“. War das törichte Neugierde oder das echte Verlangen, dem Herrn nahe zu sein? Wir wollen das nicht entscheiden. Jedenfalls mußte Petrus lernen, sich nicht auf seine eigene Kraft zu verlassen.
Bei seiner ersten Verleugnung krähte der Hahn zur Warnung zum ersten Mal (Markus 14,68). Petrus scheint das überhört zu haben. Trotzdem wollte er sich zurückziehen, da ihm unbehaglich zumute wurde. Aber die Magd von Markus 14,69 redet weiter über Petrus, und wie es scheint, gesellte sich nun „eine andere“ (V. 71) hinzu. Petrus verleugnet seinen Meister zum zweiten Mal und kann seine Ankläger vorübergehend mit einem Eid beschwichtigen (V. 72). Als er dann zum Feuer zurückkehrt und sich in eine heikle Lage manövriert, indem er die Unterhaltung mit den Feinden Christi fortsetzt, verrät ihn schließlich seine Sprache (V. 73). Die Verse 72 und 73 finden sich nur in diesem Evangelium.
Und da kräht der Hahn zum zweiten Mal (V. 74), doch diesmal hört es Petrus. Oder wurde seine Aufmerksamkeit geweckt? Lukas sagt, daß Petrus in dem Moment zum Herrn schaute, und dieser ihn ebenfalls anblickte (Lukas 22,61). Das war zuviel für Petrus; er verläßt schleunigst diesen schrecklichen Ort. Matthäus berichtet ebenso wie Lukas, daß Petrus anschließend bitterlich weinte.
Lukas 22,54-62: Es gibt nicht viel in Lukas' Bericht, auf das wir noch eingehen müßten. Einen auffälligen Ausdruck enthält Vers 55:
„...setzte sich Petrus in ihre Mitte.“ Er macht sich praktisch eins mit den Feinden seines Meisters. Als er dort so im direkten Feuerschein saß, wurde er erkannt und bloßgestellt (V. 56)!
Beim zweiten Mal war es wohl ein Mann, der ihn erkannte und zur Rede stellte (V. 58). Lukas berichtet als einziger, wie lange Petrus nach dieser zweiten Beschuldigung noch am Feuer verweilte: „Und nach Verlauf von etwa einer Stunde“ (V. 59). Armer Petrus! Warum hat er nicht auf den ersten Hahnenschrei geachtet und seine haßerfüllten Feinde verlassen?
Wir erfahren auch ganz genau, was nach dem zweiten Hahnenschrei geschah: „Und der Herr wandte sich um und blickte Petrus an“ (V. 69).
Johannes 18,15-18.25-27: Verständlicherweise unterscheidet sich Johannes ein wenig von den synoptischen Schreibern. Alle stimmen überein, daß Petrus Jesus folgte, aber Johannes fügt hinzu: „und der andere Jünger“ (V. 15). Zweifellos spricht er von sich selbst. Die Verse 15b, 16 und 18 teilt nur Johannes mit.
Dieser Schreiber, der sich nie mit Namen erwähnt, gewährt uns hier einen kleinen Einblick in sein privates und gesellschaftliches Leben. „Der dem Hohenpriester bekannt war“. Er kannte sogar die Türhüterin (V. 16). Mehr noch: die Türhüterin kannte Johannes, ja, als Jünger Jesu, und er schämte sich dessen offensichtlich nicht im geringsten! Im nächsten Vers sagt die Magd zu Petrus: „Bist nicht auch du einer von den Jüngern dieses Menschen?“ Mit anderen Worten: Von Johannes weiß ich's, aber bist du auch einer?
Den einzigen weiteren Unterschied zu den anderen Evangelien haben wir in Vers 18, wo uns der Grund für das Feuer im Innenhof genannt wird: „weil es kalt war“. Manche denken vielleicht nicht daran, daß es auch in den nahöstlichen Ländern ziemlich stark schneit - im Libanon oft bis zu einem Meter und darüber. Der Verfasser hat selbst einmal erlebt, daß am ersten Mai Hagelkörner auf den Straßen Beiruts lagen. So war es auch in Petrus' bedrückender Umgebung kalt; ach, leider auch in seinem Herzen.
Er stand bei ihnen (Ps 1,1), bei den Weltmenschen, und wärmte sich am Feuer der Welt. Wie bezeichnend ist das Wörtchen „Da“ in Vers 25. Weil er im Rat der Gottlosen wandelte, „da sprachen sie zu ihm: Bist du nicht auch einer von seinen Jüngern?“ Johannes schont hier seinen Freund und berichtet nur von seiner zweiten Verleugnung: „Er leugnete und sprach: Ich bin's nicht.“ Aber aus Matthäus wissen wir bereits, was Petrus beim zweiten Mal sagte: „Und wiederum leugnete er mit einem Eide: Ich kenne den Menschen nicht!“ (Matthäus 26,72). Da leugnet er sogar, Jesus nur zu kennen, und nennt unseren gelobten Herrn Jesus sehr geringschätzig „den Menschen“!
Es waren eine ganze Anzahl Leute, die Petrus im Umkreis jenes Feuers befragten. Erst die Türhüterin, die ihn einließ (V. 17); sie scheint ihn zweimal angesprochen zu haben (Markus 14,69). Eine weitere Magd befragte ihn (Matthäus 26,71), wahrscheinlich auch ein Mann (Lukas 22,58). Dann die Leute am Feuer (Johannes 18,25), und besonders - wie Johannes in Vers 26 berichtet - ein Verwandter des Malchus! Es regnete nur so von Fragen auf das Haupt des armen Petrus. Doch hier bricht Johannes seinen Bericht ab, und wir lesen deshalb nichts von Petrus’ Reue, über die uns die synoptischen Schreiber unterrichten.