Schriften von Cor Bruins
Kapitel 8 - Die Erscheinungen des auferstandenen Herrn
Mk 16,9-20 - Bemerkungen zu Markus 16,9-20Mk 16,9-20 - Bemerkungen zu Markus 16,9-20
Es ist erstaunlich, daß Leute mit gesundem Menschenverstand behaupten können, der Heilige Geist hätte den Bericht des Markus mit Vers 8, mit der Bestürzung der Jüngerinnen also, abschließen wollen. Wir möchten uns lieber der großen Zahl derer anschließen, die diesen Abschnitt des Markusevangeliums für ebenso inspiriert ansehen wie alles Vorhergehende. Unter ihnen befindet sich auch J.N.Darby, der sagt: „Ich lese diese Verse (9-20) als Heilige Schrift.“
Schon für Irenaus bildeten die Verse 9-20 den Abschluß unseres Evangeliums. Tatian verwandte sie im Jahre 140 in seiner „Evangelienharmonie“ (Diatessaron).
W. Kelly macht folgende hilfreiche Bemerkung: „Ich gebe zu, daß gewisse Unterschiede zwischen diesem Abschnitt und dem ersten Teil von Kapitel 16 bestehen. Aber nach meinem Dafürhalten stellt der Geist absichtlich beides von einem unterschiedlichen Gesichtspunkt aus dar. Es geht hier in diesem Abschnitt um die entsprechende Zubereitung der Diener, nachdem Seine Auferstehung aus den Toten, auf die Er sie vorbereitet hatte, geschehen war. Würde das Evangelium vorher enden, dann wäre wirklich eine Lücke vorhanden... Dieses wunderbare Evangelium, das Sein Dienen beschreibt, würde einen Schluß aufweisen, wie wir ihn uns schwächer kaum vorstellen könnten: „Denn sie fürchteten sich“ - welcher Schlußsatz wäre dem dienenden Sohn Gottes weniger angemessen? Was für ein Eindruck würde hier zwangsläufig Zurückbleiben, wenn die Zweifel einiger Gelehrter die geringste Berechtigung hätten? Könnte sich jemand, der mit dem Charakter des Herrn und Seines Dienstes vertraut ist, auch nur für einen Augenblick vorstellen, daß alles mit einer Botschaft enden soll, die von einigen Frauen aus Angst verschwiegen wird?
Gerade die Ungezwungenheit des Stils, die Verwendung von Wörtern, die vorher von Markus nicht oder nicht so wie hier benutzt wurden (insgesamt etwa 20), und die teilweise äußerst detaillierte Schilderung der Umstände sprechen meines Erachtens für die Echtheit dieses Abschnitts. Denn ein Fälscher hätte sich ängstlich an den Buchstaben geklammert, um so nach Möglichkeit den Ton des Markus zu treffen. Ich wüßte nicht, daß es im ganzen Evangelium einen Abschnitt gäbe, der charakteristischer für diesen Evangelisten wäre als eben dieser, an den sich menschliche Dreistigkeit wagte, um ihn aus der Stelle herauszureißen, in die Gott ihn gepflanzt hat. Die Menge der deutlichen äußeren Beweise ist wirklich überwältigend; und die inneren zeigen nicht nur, daß dieser Abschnitt inspirierte Schrift ist, sondern daß niemand als Markus selbst der Schreiber ist.“
Obwohl die Bemerkungen Kellys uns völlig überzeugen, fühlen wir uns doch gedrängt, noch einige dazu passende Gedanken F. W. Grants hinzuzufügen: „Im ersten Teil (Verse 1-8) haben wir eine Verheißung, die soweit Markus' Bericht in Betracht kommt, nicht erfüllt wurde. Jesus trifft nicht in Galiläa mit ihnen zusammen; und das Ende, das den Bericht unvermittelt abbricht, besteht für sie in Furcht und Zittern anstatt in Freude und Fröhlichkeit, wie man nach allem hätte erwarten können. Wenn nun hier nichts ohne Absicht steht (und wir zumindest zweifeln nicht daran), dann muß in dieser Nichterfüllung, in dieser Furcht statt Freude, eine bestimmte Bedeutung liegen. Wenn wir dazu noch bedenken, was die Jünger bis zur Auferstehung (und noch geraume Zeit danach) darstellten - einen jüdischen Überrest, dessen Hoffnungen sich nach wie vor um die alttestamentlichen Verheißungen drehten - können wir recht gut erkennen, was Markus uns hier vorbildet. Christus ist auferstanden; es gibt eine Verheißung für die gläubigen Israeliten, die sich für sie als solche nicht erfüllt hat; und in Kürze würde ihre Geschichte samt derjenigen des Dienstes an der Beschneidung - mit welchem insbesondere Petrus' Name in Verbindung steht (V. 7; Gal 2,7.9) — ebenso abbrechen, wie dieser Abschnitt hier.
Das Bruchstück wird einst vervollständigt werden, allerdings in einer späteren Heilsepoche, wenn die zwischenzeitlich eingeschobene Geschichte der Kirche abgeschlossen ist und der von den „Brüdern“ des Königs gebildete „Überrest“ zu den Kindern Israel zurückkehren wird (Micha 5,2), d.h. wenn alle zu Gott bekehrten Israeliten erneut Teilhaber der Hoffnungen und Verheißungen dieses Volkes sein werden.“