Schriften von Samuel Ridout
Vorträge über die Stiftshütte (1-20)
2Mo 37,25-29 - Vorträge über die Stiftshütte - Der Räucheraltar
Das Räucherwerk – die moralischen Vortrefflichkeiten ChristiDas Räucherwerk – die moralischen Vortrefflichkeiten Christi
In dieser Verbindung bietet es sich an, über das Räucherwerk zu sprechen (2Mo 30,34-38) und – in enger Verbindung damit – über das heilige Salböl, mit dem die Stiftshütte und all ihre Geräte und auch die Priester gesalbt wurden (2Mo 30,23-33).
Das Räucherwerk bestand zu gleichen Teilen aus vier „wohlriechenden Gewürzen“ und wurde dann „gesalzen“ oder – wie manche es übersetzen – „vermengt“. Mit gewisser Wahrscheinlichkeit bedeutet das wohl einfach, dass Salz hinzugefügt wurde. In diesem Fall haben wir letztlich keine Angabe der Mengenverhältnisse. Tatsächlich finden wir für Salz in der Schrift niemals eine Mengenangabe (Esra 7,22: „Salz ohne Maß“). Es könnte jedoch auch sein, dass mit dem Wort kein wirkliches Salz gemeint ist, sondern das Zerreiben und Vermengen der verschiedenen Zutaten, die sich so gegenseitig würzten oder „salzten“.
Das Räucherwerk sollte jeden Abend und Morgen auf dem goldenen Altar dargebracht werden – auf Kohlen, die vom Brandopferaltar genommen wurden (3Mo 16,12). Es war der Wohlgeruch, der innerhalb des Heiligtums dargebracht wurde, während außerhalb des Heiligtums das Brandopfer seinen lieblichen Duft verbreitete. Letzterer ging allein von dem Opfer aus und Ersterer allein von dem Räucherwerk, wobei die Kohlen, die vom einen zum anderen gebracht wurden, zeigen, wie eng beides miteinander verbunden war. Dieselbe Heiligkeit nahm beides an, und das Opfer war die Grundlage des Lobes.
Das Räucherwerk bestand hauptsächlich aus Harzen, die von Gewürzpflanzen ausgeschieden werden. Diese Harze sind damit gewissermaßen ein konzentrierter Auszug des Wesens der jeweiligen Pflanze. In diesem Sinn stellen sie mehr die moralische Bedeutung und Vortrefflichkeit von Taten als all ihre Einzelheiten dar. In der Natur sind sie wahrscheinlich das einzig Wertvolle an der Pflanze. Im Allgemeinen können wir sagen, dass sie für alle moralischen Vortrefflichkeiten Christi stehen, die Gott so sehr wertschätzt. Aber wie im Brandopfer alles verzehrt wurde, weil alles ein lieblicher Geruch für Gott war, so war es auch beim Räucherwerk – nicht die Überbleibsel oder das Beste, sondern alles an Ihm war ein Wohlgeruch. Hier versagt das Vorbild notwendigerweise darin, Ihn darzustellen. Aber anders betrachtet zeigen die Gewürze die Motive, den Geist und das Wesen alles dessen, was Er tat und war. Der Wesenskern dieser Dinge bleibt für immer vor Gott bestehen. Es ist schwierig, einen Gegensatz herzustellen, wo doch alles vollkommen war und Inneres wie Äußeres von völlig gleichem Wesen war. Wir können jedoch unterscheiden zwischen den äußeren Einzelheiten seines Lebens auf der einen und den darin ausgedrückten Gedanken, Wünschen und Motiven auf der anderen Seite.
Die Beschreibung des Räucherwerks erweckt einen weiteren sehr vielsagenden Gedanken. Das Wort, das allgemein mit „wohlriechende Gewürze“ übersetzt wird, stammt von dem Wort für „duften“ ab. Es könnte auch mit „Düfte“ übersetzt werden. Der Abschnitt in 2. Mose 30 enthält weitere Wörter von ähnlich allgemeiner Bedeutung: „Räucherwerk“, „Würzwerk“, „ein Werk des Salbenmischers“ (2Mo 30,35). Diese Anhäufung von Ausdrücken deutet die Fülle des Gegenstands an – Christus kann nicht mit bloß einem einzigen Wort beschrieben werden.
Das „Räucherwerk“ weist hin auf seinen Wohlgeruch im Feuer göttlicher Heiligkeit, das Ihn bis hin zum Tod prüfte; das „Werk des Salbenmischers“ erinnert uns daran, dass die verschiedenen Zutaten miteinander in der Kunstfertigkeit des gepriesenen Geistes Gottes, des wahren „Salbenmischers“, vermengt wurden.
Vereine all die großen Namen von Weisheit, Liebe und von Macht, die je ins menschlichʼ Denken kamen, die Ausdruck sind von Engelspracht:
Den Wert des Heilands auszudrücken, da reichen sie gewiss nicht hin, und Ihn ins rechte Licht zu rücken, sind allesamt sie zu gering.55
Wir kommen nun zu den vier Bestandteilen des Räucherwerks.
Stakte – Ausfluss des Herzens Christi in Wort und Werk
Stakte ist ein griechisches Wort, mit dem in der Septuaginta das hebräische Wort nataph wiedergegeben wird, und es bedeutet „tropfen“ oder „träufeln“. Es wird so genannt aufgrund der „Tropfen“ von Harz, die der dazugehörende Baum ausscheidet. Man hat es auch schon mit „Balsam“ übersetzt, was ein allgemeinerer Begriff für süße Harze ist, und manche denken, es komme vom Storaxbaum, einer Pflanze, die man in Syrien antrifft. Andere halten es für die besondere Bezeichnung einer Myrrhesorte, die in Arabien zu finden ist. Aber dafür gibt es keinen sicheren Beleg und es ist eher unwahrscheinlich.
Abgesehen von der Tatsache, dass eine duftende Substanz gemeint ist und dass sie vom Storaxbaum kommen könnte, müssen wir uns daher darauf beschränken, was sich über die Bedeutung des Wortes aus seiner Verwendung in anderen Abschnitten der Schrift ergibt, aus denen der übliche Verwendungszweck deutlich wird, der – zusammen mit der offensichtlichen Verwendung für das Räucherwerk und einer möglichen Übereinstimmung mit dem erwähnten Gewürz – zu einigen Gedanken anregen wird.
An manchen Stellen wird dasselbe Wort als Bezeichnung für Regen verwendet: „Auch troffen die Himmel“ (Ri 5,4), „Denn er zieht Wassertropfen herauf“ (Hiob 36,27). Und in Verbindung damit haben wir allgemein den Gedanken von Ausfluss: „Und die Berge werden träufeln von Most“ (Amos 9,13). Daher wird das Wort auch verwendet, um Gesprochenes als „hervorfließend“ oder „träufelnd“ zu bezeichnen: „Nach meinem Wort sprachen sie nicht noch einmal, und auf sie träufelte meine Rede“ (Hiob 29,22); „Honigseim träufeln deine Lippen“ (Hld 4,11). Die letztgenannte Stelle findet in der deutlichen Sprache des Neuen Testament ihre Erklärung: „Und alle gaben ihm Zeugnis und verwunderten sich über die Worte der Gnade, die aus seinem Mund hervorgingen“ (Lk 4,22). An anderen Stellen wird das Wort auch mit „Weissagung“ wiedergegeben (z.B. Mich 2,6; Hes 21,2).
Aus dem Gebrauch des Wortes ergibt sich also das Bild von Gedanken, die ihren Ausdruck finden oder „träufeln“, etwa in ermunternden Worten oder auch in ernster Warnung. Es erübrigt sich der Hinweis, wie völlig unser Herr dies in jedem seiner Worte, die Er sprach, verwirklichte, ob es nun Worte der Gnade und Barmherzigkeit waren gegenüber solchen, die ihren hilflosen Zustand empfanden, oder Warnungen und Bloßstellung von Heuchlern und Selbstgerechten. Alles war von lieblichem Geruch für Gott.
Aber welche Konsequenz hatte solche „Destillation“, solches Träufeln, für Ihn? Er brachte kein unnützes Wort hervor, sondern nur Worte ewiger Wahrheit, für die Er zu sterben bereit war. Das führt uns zu dem Gedanken, dass das Träufeln des wohlriechenden Harzes auf das Durchstechen des Baumes folgte. So war es auch bei unserem Herrn. Die Verachtung, der Spott, der Hass, der Ihn durchstach – alles brachte nur die wohlriechende Unterwürfigkeit gegenüber Gott hervor, die sich auch dann noch in Worten der Liebe und Wahrheit ausdrückte, als man Ihn an das Kreuz nagelte. So ist sein Schweiß, der „wie große Blutstropfen wurde, die auf die Erde herabfielen“, von ewig lieblichem Duft für Gott, indem er die Tiefen seiner Worte ausdrückt: „Nicht mein Wille, sondern der deine geschehe!“ Die Stakte lässt uns so an den Ausfluss des Herzens Christi für Gott denken, sowohl aus eigenem Antrieb als auch im Erdulden seiner Leiden bis zum Tod.
Räuchermuschel (Onyx) – Ergebenheit in den Willen des Vaters bis zum Tod
Onyx ist ebenfalls ein griechisches Wort. Wörtlich bedeutet es „Fingernagel“. Wir haben es aus der Septuaginta, die das hebräische Wort so übersetzt. Es wird auch mit „Schuppe“ oder „Schale“ übersetzt, kann aber tatsächlich einen Fingernagel bezeichnen. Der Onyx (nicht zu verwechseln mit dem gleichnamigen Edelstein) wird von antiken Autoren als eine Muschel beschrieben, die im Roten Meer vorkommt und, wenn man sie zermahlt, ihren Duft verbreitet. Das ist bedeutsam und in Übereinstimmung mit der allgemeinen Bedeutung des Räucherwerks.
Christus ist an den Ort des Todes und des Gerichts gekommen. Aber wie unterschieden sich seine Worte völliger Unterwürfigkeit und Liebe von Israels Murren! Als Israel zitternd am Ufer des Roten Meeres stand, sagte es: „Hast du uns darum, weil in Ägypten keine Gräber waren, weggeholt, damit wir in der Wüste sterben?“ (2Mo 14,11). Und doch öffnete Gott den Weg durch das Rote Meer für diese murrende Menge, damit sie trockenen Fußes hindurchgelangte. Unser Herr aber, als Er dem finsteren Meer des Todes und des Gerichts entgegenblickte, durch das Er gehen sollte, um für die Seinen den Weg zu bereiten, damit sie sicher hindurchgelangten, sagte: „Den Kelch, den mir der Vater gegeben hat, soll ich den nicht trinken?“ (Joh 18,11). Das war wahrer Duft am finsteren Ufer des Todes, aus einem Leben heraus, das sich selbst hingab, um an unserer Stelle im Gericht zerstoßen zu werden. Man sagt, dass dieses „Onyx“ sowohl Duft als auch Medizin war – wir können sagen: Wohlgeruch für Gott und Heilung für den Sünder.
Die Liebe hat im Todestal in Finsternis und großer Qual den liebsten Duft verbreitet.
Dort, wo die Sünde siegreich schien, hat die Erlösung – Preis sei Ihm! – nur Herrlichkeit entfaltet.56
Man sagt, dass diese Muschel sich von der „Narde“ oder den Halmen duftender Wasserpflanzen ernährt, und das wiederum mag uns daran erinnern, dass die Speise unseres Herrn nicht in den Fleischtöpfen Ägyptens bestand, sondern im Willen seines Vaters, obwohl Ihn dieser Wille zur Selbstaufgabe seines Lebens führte: „Dieses Gebot habe ich von meinem Vater empfangen“ (Joh 10,18).
Galban – heilige, ausdauernde Energie
Galban kommt (genauso wie die Räuchermuschel) nur an dieser einen Stelle vor, und wir müssen seine Bedeutung daher hauptsächlich aus der Herkunft des Wortes schließen. Sowohl das griechische als auch das deutsche Wort sind bloße Transkriptionen des Hebräischen, keine Übersetzungen. Der Hauptstamm des Wortes bedeutet „fett, fruchtbar sein“ und könnte sich daher auf den Saft, die „Fettigkeit“ der Pflanze, beziehen, auf ihren besten oder wichtigsten Teil. Dem wird durch die Wortendung der Gedanke der „Wehklage“ beigefügt, was uns die Leiden des „Mannes der Schmerzen“ (Jes 53,3) in Erinnerung ruft, die aber doch niemals die Vollkommenheit einer gänzlich Gott geweihten „Fettigkeit“ beeinträchtigten.
Heute kennt man „Galban“ als ein Gummiharz, das an der Ostküste Afrikas und in Arabien gewonnen wird. Es ist von gallebitterem Geschmack und hat einen modrigen, unangenehmen Geruch. Aber es verleiht den anderen Zutaten Kraft und Beständigkeit. Man sagt, dass es Ungeziefer und Kriechtiere vertreibt und auch medizinische Verwendung hat. Das lässt uns nicht ohne bedenkenswerte Anwendungen auf den Herrn Jesus. Wie wahrhaft drückte sich seine ganze Willensenergie, wie sie im „Fett“ angedeutet wird, in Ergebung zu seinem Vater aus. Das wird ausführlich in den Opfern dargestellt. Von welch heiliger und anhaltender Energie war Er geprägt: „Meine Speise ist, dass ich den Willen dessen tue, der mich gesandt hat, und sein Werk vollbringe“ (Joh 4,34). All das war völlig und allein für Gott. War sein Pfad ein Pfad der Leiden und der Schmerzen? Gewiss, aber nie ein Pfad des Murrens oder Klagens. Gab nicht gerade diese Energie des Willens, eines Willens, der nur danach trachtete, Gott zu gehorchen, dem ganzen Wohlgeruch seines Lebens eine besondere Note? Die „Fettigkeit“ fügte dem Wohlgeruch seiner Leiden und seiner Liebe die Beständigkeit hinzu. Sicherlich, für diejenigen, die kein Herz für Ihn hatten, für die Er ohne Gestalt und Anziehungskraft war, war dieses „Galban“ etwas Abstoßendes, es war ihnen zu beißend. Dass jemand niemals einen anderen Gedanken haben sollte als den Willen des Vaters, sich niemals abseits von Gott für die Welt interessieren sollte, niemals auf die Ebene gewöhnlicher Menschen herabkommen sollte, das war ihnen „zu viel“. Oh, wie reizte diese göttliche Energie den trägen Stolz der Pharisäer und Herodianer. Wie durchdrang deren stechender Duft ihre oberflächliche Gesinnung und ihr heuchlerisches Herz. Wie traf deren Weltentrücktheit Herz und Gewissen solcher, die nur für diese Welt lebten. Und selbst für die Seinen überstieg der Duft des „Galbans“ beizeiten ihren Glauben und offenbarte den Zustand ihrer Seelen. Petrusʼ wohlgemeinter Abbringungsversuch, als der Herr sein Kreuz voraussagte („Gott behüte dich, Herr! Dies wird dir nicht widerfahren!“, Mt 16,22), traf auf eine wenig freundliche Erwiderung: „Geh hinter mich, Satan! Du bist mir ein Ärgernis, denn du sinnst nicht auf das, was Gottes, sondern auf das, was der Menschen ist“ (Mt 16,23). Bloß irdische Zuneigung, wenn sie von jemand kommt, den andere Motive kennzeichnen sollten, war ein Anstoß, sofern sie Ihn von dem Willen seines Vaters abzubringen suchte. Aber wie brachte, trotz dieser scheinbar harschen Worte, gerade diese Willenskraft, die einen bequemen Pfad für sich ablehnte, eine Herzensergebenheit für Gott hervor, die – wie wir gesehen haben – allem in Ihm den Stempel aufdrückte. So hat das Galban auch uns etwas zu sagen. Wie vertreibt eine solch durchdringende Energie doch die „Schlange“ und all ihre schädliche Brut, während sie Heilung für den bringt, der zerbrochenen Herzens ist und in seiner Sünde und Not zu Ihm kommt.
Weihrauch – Reinheit und völlige Weihe
Was die Häufigkeit der Vorkommnisse in der Schrift betrifft, macht Weihrauch die Seltenheit der anderen Worte wett. Es ist ja auch ein gut bekanntes Gewürz. In der Ursprache hat das Wort einen Stamm, der „weiß sein“ bedeutet. So hat auch das Libanongebirge (das ist dasselbe Wort), seinen Namen wohl aufgrund seiner weißen Kalksteinfelsen, aus denen es großteils besteht. Man vermutet, dass dem Weihrauch dieser Name durch die weiße Farbe des reinen Harzes zugekommen ist. Er passt auch auf die weiße Flamme, mit der es brennt. Das Harz wird in Arabien gewonnen und ist von bitterem Geschmack. Es kommt von einem Baum, der Blüten trägt mit fünf Blütenblättern und zehn Staubblättern. Die Frucht ist fünfeckig, und es gibt fünf Unterarten der Pflanze. Sie wächst auf fast nackten Marmorfelsen und sucht sich dort ihre Nahrung. Das Harz wird durch Einschnitte gewonnen und ist sehr kostbar. Es ist nicht nur als Räucherwerk gefragt, sondern findet auch in der Medizin und als Giftgegenmittel Verwendung.
Wir haben also eine Fülle von Andeutungen auf unseren Herrn, der „wie ein Wurzelspross aus dürrem Erdreich“ (Jes 53,2) in der dürren Wildnis dieser Welt aufwuchs, wo es natürlicherweise nichts zum Lebensunterhalt gab. Die kennzeichnende Zahl Fünf, die so vielem an der Stiftshütte den Stempel aufdrückt und uns in den Blüten, der Frucht und den Unterarten dieser Pflanze begegnet, erinnert uns an die Wahrheit des fleischgewordenen Wortes. Dass die Pflanze ihre Nahrung und ihren Duft dem Marmorgestein entnimmt, weckt in uns den zweifachen Gedanken, dass Er in jenem reinen und vollkommenen Willen Gottes gedieh, der Ihn in eine öde Welt führte, wo Er aber in jeder Hinsicht das aufnahm, was ein Wohlgeruch für Gott war. Die Einschnitte, aus denen das Harz floss, erinnern uns, dass sein Durchstechen den lieblichen Geruch der völligen Unterwerfung unter Gott hervorbrachte, der für Gott als Wohlgeruch unschätzbaren Wert hatte und zugleich das vollkommene Gegenmittel für das Gift war, mit dem Satan den Menschen betäubte – eine heilende Medizin für die tiefsten Übel der Seele.
Das sind bloß schwache Andeutungen dessen, was uns in den Evangelien auf jeder Seite vor Augen geführt wird, damit wir – möchte es so sein! – es als den wahren Weihrauch der Anbetung verwenden und so den lieblichen Geruch Christi vor Gott darbringen.
Wir möchten nun auf verschiedene Stellen der Schrift hinweisen, in denen von Weihrauch die Rede ist, um uns ein Bild von seiner Bedeutung und seinem Gebrauch zu machen. Auf das Speisopfer von Feinmehl kam Weihrauch, und obwohl nur ein Teil der Speise verbrannt wurde, musste doch der ganze Weihrauch im Feuer verzehrt werden (3Mo 2,1.2). Auch auf die Schaubrote auf dem goldenen Tisch wurde Weihrauch getan – „zum Gedächtnis“ (3Mo 24,7). Speisopfer und Schaubrote sprechen beide von der Person unseres Herrn. Der Weihrauch deutet dabei hin auf seine Kostbarkeit für Gott und für alle, die an Gottes Gedanken teilhaben. So singen wir.
Anbetend unser Herz sich neigt, wenn ihm Dein Name wird gezeigt.57 „Wer ist sie, die da heraufkommt von der Wüste her wie Rauchsäulen, durchduftet von Myrrhe und Weihrauch“ (Hld 3,6); „Ich will hingehen zum Weihrauchhügel“ (Hld 4,6). Hier, im „Lied der Liebe“, wird die Vortrefflichkeit Christi im Symbol des wohlriechenden Räucherwerks vorgestellt. Dass es nur ein Symbol ist, macht Gottes Tadel deutlich, den Er durch den Propheten ausrichten ließ, als die Darbringung zu einer bloßen Formsache verkommen war: „Wozu soll mir denn Weihrauch aus Scheba kommen?“ (Jer 6,20).
Mit derselben symbolischen Sprache wird der Segen für die Nationen am zukünftigen Tag der Herrlichkeit Christi vorgestellt: „Sie alle werden aus Scheba kommen, Gold und Weihrauch bringen, und sie werden das Lob des HERRN fröhlich verkündigen“ (Jes 60,6). Der Besuch, den die „Weisen“ dem heiligen Kind in Bethlehem abstatteten, war eine Vorschattung dieser segensreichen Zeit und bedeutsamerweise zählte zu ihren Geschenken neben dem Gold seiner göttlichen Herrlichkeit auch der Weihrauch seiner Vortrefflichkeit und die bereits von seinem Tod sprechende Myrrhe (Mt 2,11).
Die Zusammenfügung – völlige Ausgewogenheit
Wenn wir zusammenfassen, was wir gelernt haben, so sehen wir in der „Stakte“ den wohlriechenden Ausfluss von Wort, Werk und Leben unseres Herrn bis zu seinem Tod. Die „Räuchermuschel“ ruft uns vor allem ins Gedächtnis, dass Er in seinem Tod „zerstoßen“ wurde und dennoch nur den Wohlgeruch völliger Ergebenheit für seinen Gott hervorbrachte. Das „Galban“ erinnert an die heilige Energie, die nur ein Ziel kannte und alle halbherzigen Vorwände und Loyalitätsbekundungen verwies. Der „Weihrauch“ spricht von seiner Reinheit, die in seiner völligen Weihe für Gott ihren Ausdruck fand.
Diese Zutaten sollten zu gleichen Teilen und in der genannten Reihenfolge genommen werden. Nichts war unverhältnismäßig. Jeder Teil stand mit jedem anderen im Gleichgewicht, nicht durch Gegenwirkung, wie es bei uns Menschen oft nötig ist, sondern indem der Wohlgeruch noch verstärkt und in seinem wahren Charakter hervorgebracht wurde. Man könnte sagen: Wäre unverhältnismäßig viel Stakte verwendet worden, also nur Süße und Wohlgeruch – wobei das durchaus zuerst genannt wird –, so hätte es die Sinne getrübt. Bei einer Dominanz des Galban hätte es an der „Sanftmut und Milde des Christus“ gefehlt (2Kor 10,1). Ein Übermaß an Räuchermuschel hätte ein allzu dunkles Licht auf das Leben des Herrn geworfen. Und eine über das rechte Maß hinausgehende Menge des frei brennenden Weihrauchs hätte Ihn übereilt zum Vater zurückkehren lassen – ehe „seine Stunde gekommen war“ (Joh 13,1).
Aber alles war in der Kraft des Geistes miteinander vermengt, so dass es im Ergebnis „ein Werk des Salbenmischers“ war, absolut lieblich und zur Freude des ewigen Gottes, verbunden durch das „Salz“ des ewigen Bundes, das den beständigen Charakter dessen zeigt, von dem alles spricht, und die ewige Natur des Lobes, dessen Gegenstand Er ist.
Unsere Worte sind wirklich schwach, wenn es darum geht, auszudrücken, was jederzeit unsere höchsten Gedanken übersteigt. Aber wenn Gott uns in seiner Gnade die Einzelheiten des Wesens seines Sohnes vorstellt, dann wird wahre Demut das Verlangen hervorbringen, die so mitgeteilten Lektionen zu erfassen.
Lasst uns auch stets bedenken, dass die Dinge, die im Vorbild notwendigerweise als eine Zusammensetzung erscheinen und als zusammengefügt durch äußerlich angewandte Kraft und Geschicklichkeit, bei unserem Herrn unumgänglich und zwingend sein Wesen ausmachten. Wir sagen: „Wenn dieses oder jenes nicht im rechten Verhältnis gestanden hätte“ – aber das war unmöglich. Er war vollkommen. So war Er und nur so konnte Er sein. Kein Räucherwerk wie dieses konnte von Menschen hergestellt werden: Das macht die Lästerung derer aus, die davon sprechen, Ihn nachzuahmen, oder die Ihn herabwürdigen, indem sie Ihn in eine Reihe mit anderen Menschen stellen – und wir sprechen nicht von Buddha oder Mohammed, sondern von Mose oder Elia oder einem der Propheten. Nein, dieses Räucherwerk war nur für einen Zweck bestimmt: um auf den goldenen Altar gelegt zu werden, damit es seinen Wohlgeruch vor dem Einen verbreitet, der allein völlig den Sohn erkennt (Mt 11,27). Die ewige Hölle ist das Teil derer, die es ablehnen, dem Christus Gottes seinen wahren und einzigen Platz vor Gott zu geben. „Wer ist der Lügner, wenn nicht der, der leugnet, dass Jesus der Christus ist?“ (1Joh 2,22). Es muss uns daher nicht überraschen, wenn wir finden, dass diejenigen, die das hoffnungslos unheilbare Wesen der Sünde und die ewige Strafe für die Schuld des Menschen leugnen, dieselben sind, die den Sohn Gottes herabwürdigen und den Wert seines sühnenden Todes leugnen. Beides steht und fällt miteinander. Wenn die Sünde nicht das ist, was Gott von ihr sagt, dann ist – mit Ehrfurcht gesagt – Christus nicht der, als den dieselbe Autorität Ihn vorstellt. Damit geht aber die ganze Wahrheit einher. Es gäbe keinen Gott, keinen Schöpfer, keine Schöpfung – es gäbe nichts, worauf unser Glaube noch ruhen könnte. Solcherart ist die wahnhafte Torheit der Lüge Satans und des Menschen, der in seiner Gefolgschaft den Heiligen Gottes einem der Menschenkinder gleichzusetzen wagt (Ps 45,3).
Während die Wesenszüge unseres Herrn mit besonderem Glanz in den vier Evangelien hervorstrahlen, deren unmittelbares Thema Er ja ist, müssen wir doch immer im Blick behalten, dass die ganze Schrift „das Wort des Christus“ ist (Kol 3,16). Gottes Gedanke vom Anfang bis zum Ende des Wortes Gottes ist Christus. So ist Er auch in diesem Sinn das Alpha und das Omega der göttlichen Wahrheit. Wir werden Ihn deshalb auf jeder Seite der Bibel vorgestellt finden, in Vorbildern, Symbolen, Handlungen, Geschichten und menschlichen Charakteren. Dem Heiligen Geist gefällt es, die fromme Seele auf diese Weise zu bewegen, von weit her Gewürze zu bringen – die wohlriechende Stakte aus dem ersten Buch Mose, den Onyx aus dem zweiten Buch Mose, den stechenden Galban selbst von den furchteinflößenden Höhen des Sinai und aus den Propheten, den Weihrauch aus dem Hohelied – und dies alles vermengt zu finden in solchen Lobpsalmen, deren Thema Christus ist. Oder um das Sinnbild etwas zu verändern: Der Glaube wird freudig all diese Gewürze sammeln oder sie vermengt finden in allen Teilen jenes „guten und geräumigen Landes“ (2Mo 3,8), verstreut über das Wort Gottes.
Ach, dass unsere Herzen doch angesichts solcher Themen niemals kalt blieben und dass sie niemals Geschäfte mit diesem heiligen Räucherwerk machten, um sich Lob von Menschen zu beschaffen! Lasst uns nicht versäumen, ein wahrhaft geübtes Gewissen zu haben, damit Gehorsam und Frucht im Leben die Ausflüsse unserer Wertschätzung des Sohnes Gottes sind. Marias Narde war kostbar, und wir können sicher sein, dass sie persönlich große Kosten aufbrachte, aber ihre Seele war so von Christus erfüllt, dass ihr die persönlichen Kosten gar nicht in den Sinn kamen. Es gibt eine göttliche und unabdingbare Verbindung zwischen dem Wesen des Herrn und dem seines Volkes, das in gewissem Maße geformt wird durch die Wahrheit, von der es ergriffen ist. Möge seine Gnade dies im Herzen von Schreiber und Leser bewirken – zu seinem Lob.
55 Anm. d. Red.: Übersetzt aus dem Lied „Join All the Glorious Names“ von Isaac Watts (1674–1748):Join all the glorious names | of wisdom, love, and powʼr, | that ever mortals knew, | that angels ever bore: | all are too poor to speak his worth, | too poor to set my Savior forth.↩︎
56Anm. d. Red.: Übersetzt aus dem Lied „We’ll praise Thee, glorious Lord“ von J.N. Darby (1800–1882):Love that on deathʼs dark vale | its sweetest odors shed; | where sin oʼer all seemed to prevail, | redemption glories shed.
57 Anm. d. Red.: Übersetzt aus dem Lied „Jesus! How much Thy Name unfolds“ von Mary Bowley Peters (1813–1856): The mention of Thy Name shall bow | our hearts to worship Thee.↩︎