Schriften von Samuel Ridout
Vorträge über die Stiftshütte (1-20)
2Mo 37,10-16 - Vorträge über die Stiftshütte - Der Tisch
Die Leiste – AbsonderungDie Leiste – Absonderung
Wir kommen jetzt dazu, uns mit der Bedeutung der handbreiten Leiste zu befassen. Manche denken, dass diese Leiste außerhalb des schon beschriebenen Kranzes war und die Gefäße des Dienstes darauf abgestellt werden konnten. Andere haben sie als eine bloße Zierleiste gesehen, die senkrecht angebracht war und auf deren Oberkante die Tischplatte ruhte. Sie hätte dann als Rahmen für das ganze Gestell gedient, woran auch die Füße mit den Ringen und Stäben befestigt waren.
Wir können die genaue Form und Anbringung dieser Leiste nicht mit Sicherheit bestimmen, wollen aber doch einige Gedanken über ihre allgemeine Bedeutung anregen. Das Wort meint in erster Linie eine Einfriedung. So bezeichnet es in Psalm 18,46 und Micha 7,17 Schlösser oder Festungen. Eine Einfriedung soll Eindringlinge abhalten, etwa durch eine Mauer oder eine anderweitige Absperrung. Eine solche Umzäunung des Tisches würde daher auf etwas hinweisen, das fernhält, was dort nicht hingehört. Der Kranz rings um den Tisch hat schon darauf hingedeutet, was die Brote sicher an ihrem Platz hält. Diese Leiste oder „Festung“ (ebenfalls mit einem Kranz verziert) deutet hin auf den Ausschluss aller Dinge von dem Tisch, die nicht mit der Herrlichkeit Christi in Übereinstimmung sind. Eine solche Leiste gibt dem Tisch Festigkeit und Stabilität, sowohl wenn er im Heiligtum steht, als auch wenn er durch die Wüste getragen wurde. Die Bemessung der Leiste als „eine Handbreit“ hat man auf die göttliche Hand bezogen, die über dem Tisch ist, um alles der Herrlichkeit Gottes gemäß abzugrenzen und festzulegen. Diese Hand über dem Tisch mag von göttlicher Allmacht sprechen, aber doch auch von Gnade, weil Gott seinen eigenen Sohn für uns gegeben hat, der nun durch seine Rechte zum Führer und Heiland erhöht ist (Apg 5,31).
Der folgende Abschnitt mag uns helfen zu verstehen, welcher Gedanke mit der „Leiste“ verbunden ist: „Und als er die Messungen des inneren Hauses vollendet hatte, führte er mich hinaus auf den Weg zum Tor, das nach Osten gerichtet war; und er maß es ringsherum. Er maß die Ostseite mit der Messrute, 500 Ruten mit der Messrute ringsum. Er maß die Nordseite, 500 Ruten mit der Messrute ringsum. Die Südseite maß er, 500 Ruten mit der Messrute. Er wandte sich um zur Westseite und maß 500 Ruten mit der Messrute. Er maß es nach den vier Seiten. Es hatte eine Mauer ringsherum: Die Länge war 500 und die Breite 500 Ruten, um zwischen dem Heiligen und dem Unheiligen zu scheiden“ (Hes 42,15-20).
Der Prophet beschreibt in den vorangegangenen Kapiteln das Heiligtum, den neuen Tempel, und von dort ausgehend begibt er sich außerhalb des Tores und sieht eine deutliche Trennung zwischen dem Heiligen und dem Unheiligen durch die Messungen um das Heiligtum herum. Ob es sich um einen Raum handelte, der 500 Ruten im Quadrat maß, oder schlicht um eine Mauer von 500 Ellen im Quadrat, die den Tempelhof umgibt: Die offensichtliche Bedeutung ist, dass eine vollständige Trennung gemacht werden sollte zwischen dem, was heilig, und dem, was nicht heilig ist. Das entspricht dem Gedanken, den auch die „Leiste“ um den Tisch herum andeutet. Dieselbe Herrlichkeit, die das Brot auf dem Tisch umzäunt, macht auch eine Trennung zwischen diesem Brot und allem, was mit der Herrlichkeit Gottes nicht übereinstimmt. Mit welchem Eifer schützt Gott die Person seines geliebten Sohnes von jeder Art der Verunehrung durch Vermischung mit irgendetwas anderem. So wie in den Tagen Josuas am Jordan eine Entfernung von etwa 2000 Ellen zwischen der Lade und dem Volk war (Jos 3,4), so wird hier das Brot von allem anderen abgeschirmt. Christus in seiner einzigartigen und vollkommenen Menschheit wird davor geschützt, mit irgendjemand anders vermengt zu werden, selbst wenn er zu den Besten der Menschen gehören sollte.
So war es beispielsweise, als unser Herr verwandelt wurde und Mose und Elia erschienen, um sich mit Ihm zu unterreden. Aus Begeisterung und Furcht und weil Petrus nicht wusste, was er sagen sollte, schlug er vor, drei Hütten zu machen, „dir eine und Mose eine und Elia eine“. Wie rasch sehen wir da die „Leiste“, als Gott vom Himmel her sprach: „Dieser ist mein geliebter Sohn, ihn hört“ (Mk 9,2-8). Nur kurze Zeit vorher hatte doch Petrus selbst den Vorrang des Herrn gegenüber Elia und den anderen Propheten bezeugt: „andere: Elia; andere aber: Einer der Propheten … Du bist der Christus“ (Mk 8,27-29). Ein Großteil des Hebräerbriefs besteht aus demselben eifrigen Wachen über die Person unseres Herrn. Die „Leiste ringsum, eine Handbreit“, und der goldene Kranz scheiden ihn von den Engeln (Heb 1), von Mose (Heb 3), von Josua (Heb 4), von Aaron (Heb 5; 7) und von der ganzen Reihe der Glaubensmänner (Heb 11). Denn Jesus, der „Anfänger und Vollender des Glaubens“ (Heb 12,2), ist über ihnen allen.
Gleicherweise ist es so, wenn wir die Brote betrachten, die an Christi Volk als in Ihm gesehen erinnern, dass sie von der Welt getrennt sind. Das wird im Gebet unseres Herrn in Johannes 17 illustriert, von dem wir sagen könnten, dass es im Wesentlichen mit diesen zwei Kränzen zu tun hat. Die Worte „Herrlichkeit“ und „verherrlichen“ finden wir überall in diesem Kapitel. Seine große Sorge für seine Geliebten in dieser Welt ist, dass sie bewahrt und nicht nur gerettet werden von all dem Bösen in dieser Welt: „Ich bitte nicht, dass du sie aus der Welt wegnehmest, sondern dass du sie bewahrest vor dem Bösen“ (Joh 17,15). Das Maß ihrer Trennung von der Welt ist, was seine Gedanken und Absichten betrifft, so völlig wie bei Ihm selbst: „weil sie nicht von der Welt sind, wie ich nicht von der Welt bin“ (Joh 17,14).
Die Verwirklichung dessen und die starke Absonderung, die die Heiligkeit in Gnaden wirkte, kann man in den ersten Kapiteln der Apostelgeschichte sehen, wo das Böse nach göttlichem Maßstab gerichtet wird und Eindringlinge schon aus Furcht fernbleiben: „Von den Übrigen aber wagte keiner, sich ihnen anzuschließen“ (Apg 5,13). So soll in 1. Korinther 5 die böse Person hinausgetan werden. Und das Wort an die Kinder Gottes ist: „Jeder aber prüfe sich selbst“ – also Billigung oder Korrektur – „und so esse er von dem Brot und trinke von dem Kelch“ (1Kor 11,28). So ist es gerade die Herrlichkeit der Gnade, die den Tisch des Herrn vor allem beschützt, was ihn verunehren könnte.
Diese Absonderung ist weit davon entfernt, im Gegensatz zur Gnade zu stehen. Sie ist vielmehr deren Frucht. Denn heilige Absonderung geschieht immer in der Kraft des auferstandenen Herrn und nie durch gesetzliche oder asketische Bemühungen. Sein Volk wird durch Liebe gedrängt: „Ich heilige mich selbst für sie, damit auch sie Geheiligte seien durch Wahrheit“ (Joh 17,19). Nur aus Gnade konnte Er das für uns tun. Wenn Er in der Welt war als Bürge seines Volkes, dann ist es auch um ihretwillen, dass Er sich von der Welt durch Tod und Auferstehung trennt. Als „heilig, unschuldig, abgesondert von den Sündern“ (Heb 7,26) brauchte unser Herr keine moralische Absonderung von dem Bösen in dieser Welt, aber „die Seinen, die in der Welt waren“ (Joh 13,1), brauchen die praktische Heiligung, die allein seine Gnade geben kann. Und indem Er in den Tod hinabstieg, hat Er die Bande zerrissen, mit denen die Seinen an eine sündige Welt gekettet waren. Und nun, in Auferstehungsherrlichkeit, lebt Er allezeit, um sich für sie zu verwenden (Heb 7,25). Für diesen hohepriesterlichen Dienst ist Johannes 17 das Beispiel. Diese praktische Absonderung in Herz und Wandel wird durch „die Wahrheit“ bewirkt oder – wie Johannes 13 es veranschaulicht – durch die Fußwaschung.
All das zeigt uns der Kranz rings um die Leiste, der uns auch an die ewige Sicherheit des Volkes Gottes erinnert, während es durch eine böse Welt zieht, wo es die Absonderung des Herzens hin zu einem verherrlichten Christus lernen muss. Von seiner Herrlichkeit hängt es ab, sie durchzubringen und sie zuletzt völlig geheiligt Gott darzustellen. Aber auch heute sind es nur der Unglaube und die Schwachheit des Fleisches, weswegen es noch nicht volle praktische Wirklichkeit ist. In Ihm sind wir nicht beengt.
Wir haben bereits über den Ausschluss von moralisch Bösem gesprochen, wie es in 1. Korinther 5 zu sehen ist. Vielleicht gibt es die Neigung, zu vergessen, dass die Herrlichkeit Christi ebenso eifrig darüber wacht, dass sein Tisch nicht mit lehrmäßig Bösem verunreinigt wird oder durch Gleichgültigkeit dem gegenüber. Ein Abschnitt aus dem zweiten Johannesbrief illustriert das: „Und dies ist die Liebe, dass wir nach seinen Geboten wandeln. Dies ist das Gebot, wie ihr von Anfang an gehört habt, dass ihr darin wandeln sollt. Denn viele Verführer sind in die Welt ausgegangen, die nicht Jesus Christus im Fleisch kommend bekennen; dies ist der Verführer und der Antichrist. Gebt acht auf euch selbst, damit wir nicht verlieren, was wir erarbeitet haben, sondern vollen Lohn empfangen. Jeder, der weitergeht und nicht in der Lehre des Christus bleibt, hat Gott nicht; wer in der Lehre bleibt, dieser hat sowohl den Vater als auch den Sohn. Wenn jemand zu euch kommt und diese Lehre nicht bringt, so nehmt ihn nicht ins Haus auf und grüßt ihn nicht. Denn wer ihn grüßt, nimmt teil an seinen bösen Werken“ (2Joh 6-11).
Dieser Abschnitt braucht keine Erklärung, sondern vielmehr Gehorsam unter Gebet. In den Schriften des Johannes, wie überhaupt im ganzen Wort Gottes, ist Christus das Ein und Alles, und der Test des Menschen ist, wie er zu Christus steht. Ihn anzubeten, Ihm zu vertrauen, Ihm zu gehorchen – darin erweist sich jemand als Teil der Familie Gottes. Was nicht von Christus ist und jeder, der nicht die Lehre des Christus bringt, muss uneingeschränkt zurückgewiesen werden. Die „Lehre des Christus“ enthält alles, was mit Ihm in Verbindung steht – die ganze Wahrheit Gottes. Wer irgendetwas davon bewusst und willentlich ablehnt, ist damit eine „böse“ Person, und alles, was die Person oder das Werk des Herrn verunehrt, darf auch nicht für einen Augenblick wissentlich geduldet werden. Wenn auch Langmut und Geduld gefordert sind, darf es doch keine Gleichgültigkeit gegenüber böser Lehre geben. Durch solche Gleichgültigkeit würde man zum Teilhaber der bösen Werke dessen, der nicht die Lehre des Christus gebracht hat. Das sind die göttlich eingesetzten Grenzen um den Tisch des Herrn.