Schriften von Samuel Ridout
Vorträge über die Stiftshütte (1-20)
Die Bedeutung des Widders – die völlige Hingabe ChristiDie Bedeutung des Widders – die völlige Hingabe Christi
In Psalm 114 finden wir einen Abschnitt, der uns einen Hinweis auf die Bedeutung des Widders gibt. Als Gott Israel aus Ägypten herausführte, wird beschrieben, wie durch den Siegeszug die gesamte Schöpfung in Unterwerfung und Mitempfinden mit dieser wunderbaren Befreiung gebracht wird: „Das Meer sah es und floh, der Jordan wandte sich zurück; die Berge hüpften wie Widder, die Hügel wie junge Schafe“ (Ps 114,3.4). Das Wort für „Widder“ bedeutet „der Starke“, und das Hüpfen der mächtigen Berge zeigt die göttliche Majestät Gottes, vor der auch der Stärkste und Mächtigste zittern muss.
Als Abraham sich anschickte, Isaak als Brandopfer zu opfern, und Gott seine Hand ausstreckte, hatte Er für das Brandopfer kein Lamm ausersehen, sondern einen Widder, „im Gestrüpp festgehalten durch seine Hörner“ (1Mo 22,13). Dies ist bei der Suche nach der Bedeutung von großer Wichtigkeit. Das Gestrüpp könnte ein Hinweis auf den Zustand Israels nach dem Fleisch sein, als unser Herr „in das Seine“ kam (Joh 1,11). Gott hatte einen Weinstock aus Ägypten herausgeführt, die Nationen vor ihnen vertrieben und den Weinstock auf den Berg seines Erbteils gepflanzt. Er erwartete, dass er Trauben brächte, aber er brachte schlechte Beeren (Ps 80,8-11; Jes 5). Der Weingarten war zu einem Gestrüpp geworden, voller Dornen und schlechter Beeren, zu dem Fluch der Unfruchtbarkeit und dem Kennzeichen der „Söhne Belials“ (2Sam 23,6.7). Die Hörner des Widders weisen auf die königliche Autorität unseres Herrn hin (Ps 92,11), die den Juden sozusagen die Gelegenheit bot – obgleich die Feindschaft tiefer ging –, Ihn dem Tod zu überliefern. Die Schrift oben am Kreuz lautete: „Der König der Juden“ (Mt 27,37). Der Widder war durch seine Hörner im Gestrüpp festgehalten. Doch wie vollkommen zeigt sich der Wille Gottes in all dem. Sein Ratschluss musste zustande kommen, und die Bosheit der Juden (die dabei ihre Feindschaft gegen Gott bewiesen) war nur die Gelegenheit für Ihn, das Opfer zu offenbaren, das Er vorbereitet hatte. Christus gab sich selbst in seiner ganzen Kraft und Energie der vollen Männlichkeit als das wahre Opfer hin, das Isaak niemals hätte sein können.
Wenn wir uns das Gesetz anschauen, finden wir, dass der Widder den vielleicht auffälligsten Platz einnimmt. Er wurde sehr häufig als Brandopfer verwendet (3Mo 8,18; 9,2; 16,3.5), aber auch als Friedensopfer (3Mo 9,18; 4Mo 6,14; 7,88). Als Schuldopfer wurde er fast ausschließlich benutzt (3Mo 5,16; 6,6; 19,21). Doch vielleicht wird seine vollste Bedeutung im Opfer zur Weihe der Priester sichtbar (2Mo 29,15-26). Hier wurden ein Stier und zwei Widder genommen. Der Stier diente als Sündopfer, einer der Widder als Brandopfer und der andere wurde „Einweihungswidder“ genannt. Die Priester legten ihre Hand auf diesen Widder, um ihre Einsmachung mit diesem zu zeigen. Dann wurde er geschlachtet und sein Blut nicht nur auf den Altar gesprenkelt (um Gottes Annahme des Opfers zu zeigen), sondern auch an das Ohrläppchen, den Daumen und den großen Zeh des Priesters getan, um zu zeigen, dass er nun eigens und vollständig für Gott beiseitegesetzt war. Gott hatte nun einen uneingeschränkten Anspruch auf seinen Gehorsam (was durch das Ohrläppchen deutlich gemacht wird), auf seinen Dienst (verdeutlicht durch die Hand) und seinen Wandel (von dem die Füße sprechen). Somit war der Einweihungswidder das Mittel und Sinnbild der vollständigen, unumschränkten Hingabe an Gott – und zwar nicht nur im Leben, sondern bis in den Tod.
Dann wurden der rechte Schenkel, das Fett und die Eingeweide sowie ungesäuertes Brot genommen und wieder mit den Opfernden einsgemacht, indem es in ihre Hände gelegt und vor dem Herrn gewebt wurde. Schließlich wurde es als ein lieblicher Geruch vor dem Herrn auf dem Altar verbrannt. Mose, der als Priester handelte, bekam die Brust. Das Übrige des Opfers durften die Priester essen, während sie sieben Tage beim Eingang des Zeltes der Zusammenkunft blieben, die volle Zeit ihrer Weihe (vgl. 3Mo 8,31-33).
Wie wunderbar dies alles von Christus in seiner Hingabe an Gott spricht, sehen wir in der Untersuchung der Einzelheiten, sowohl in den Gegensätzen als auch in den Ähnlichkeiten. Der Gegensatz kann in der Tatsache gesehen werden, dass die Priester etwas außerhalb von sich selbst brauchten, um ihre Weihe auszudrücken, während Christus Gott völlig hingegeben war, ohne je einen Wunsch gehabt zu haben, der von dem Willen Gottes abwich oder ihm entgegenstand. Die Sünde des Menschen machte es notwendig, dass Christus zur Sühnung sterben musste, doch dies lieferte eine gute Gelegenheit, die Vollkommenheit dieses Gehorsams zu veranschaulichen, der bis in den Tod reichte. In dieser höchsten Erprobung zeigte sich die ganze Fülle seiner Weihe, die nach der göttlichen Gnade für sein Volk angenommen wurde.
Wenn wir uns jetzt den Einzelheiten zuwenden, lasst uns zunächst die inneren Ursprünge seiner Hingabe betrachten. Sein Gehorsam, sein Werk und sein Wandel gingen alle bis in den Tod, wie in dem mit Blut besprengten Ohr, der Hand und dem Fuß vorgeschattet wird. Es gab während seines ganzen Lebens keine einzige Handlung, die nicht Ausdruck seiner Hingabe war. Der Schatten des Kreuzes lag von der Krippe bis zu Gethsemane auf Ihm, doch es war ein Schatten, in dem seine vollkommene und heilige Seele das Licht des Willens seines Vaters fand. Als Er in die Welt kam, sagte Er: „Siehe, ich komme, um deinen Willen, o Gott, zu tun“ (Heb 10,5-7). Er konnte bis zu seinem Tod sagen: „Dieses Gebot habe ich von meinem Vater empfangen“ (Joh 10,18), und in der Angst Gethsemanes hieß es noch immer: „Nicht mein Wille, sondern der deine geschehe!“ (Lk 22,42).
Als dann die Stunde kam, für Er in diese Welt gekommen war (Joh 12,27), und Er sich selbst hingab bis in den Tod, wurden alle verborgenen Quellen seines Lebens offenbar, und es wurde sichtbar, dass alles für Gott war. Der Schenkel, der von Kraft spricht, das innere und äußere Fett, das von der Energie des Willens spricht (beim Menschen das, was ihn mit Stolz und Rebellion erfüllt), und die Eingeweide, seine Gedanken, Motive und Wünsche: Alles, was Er war, stieg bei seinem Tod zu Gott in dem lieblichen Geruch empor, den vollkommene Heiligkeit verlangen konnte. Und das Wunder ist, dass es die Sünde des Menschen war, die eine solche Darstellung notwendig machte, wenn diese unendliche Liebe einen Ausdruck finden sollte.
Darauf weist nun der Widder hin – Christus in der vollen Kraft eines vollkommenen Lebens, der nur für Gott lebte und sich selbst Ihm völlig hingab in einer Ergebenheit, die nur durch seinen Tod am Kreuz ein Maß gefunden hat.