Schriften von Samuel Ridout
Vorträge über die Stiftshütte (1-20)
2Mo 37,17-24 - Vorträge über die Stiftshütte - Der Leuchter
Der Leuchter – der AuferstandeneDer Leuchter – der Auferstandene
Wir kommen jetzt auf die Bedeutung des Leuchters zurück. Wir haben gelernt, dass die Lampen symbolisch für das Licht des Heiligen Geistes stehen, durch den das Heiligtum Gottes erleuchtet wird, und werden das später noch genauer betrachten, aber jetzt wollen wir uns fragen: Was stellt der Leuchter, der diese Lampen trägt, uns vor? Wir haben die Antwort eigentlich schon gegeben, denn in jedem Einrichtungsgegenstand wird uns Christus vorgestellt. Der Leuchter ist dabei keine Ausnahme. Dass er aus purem Gold gefertigt war, stellt die Gottheit Christi vor. Seine Menschheit tritt dabei nur als Nebengedanke auf. Wir werden das nun umfassender betrachten. Das Gold hatte die Form eines Mandelbaums mit sieben Zweigen, an denen Knospen, Blüten und Früchte waren. Die Zahl Sieben spricht von der Vollkommenheit unseres Herrn als Quelle und Träger des Lichts. Die Mandelblüten und -früchte haben ebenfalls ihre besondere Bedeutung.
Die Bedeutung der Knospen, Blüten und Mandeln
Wir erinnern uns sicher daran, wie Gott zeigen wollte, dass Aaron der göttlich bestimmte Priester war. Um das Murren der Kinder Israel verstummen zu lassen, sollte jeder Stamm einen Stab bringen, der vor den HERRN hingelegt wurde (4Mo 17). „Und es geschah am nächsten Tag, als Mose in das Zelt des Zeugnisses hineinging, siehe, da hatte der Stab Aarons, vom Haus Levi, gesprosst: Er hatte Sprossen getrieben und Blüten gebracht und Mandeln gereift“ (4Mo 17,23). Die drei Stufen des Lebens werden hier also erwähnt: Knospe („Sprossen“), Blüte und Frucht. Zwei dieser Worte sind im Grundtext dieselben oder Verwandte derer, die auch in der Beschreibung des Leuchters verwendet werden – „Sprossen“ (dort „Blumen“) und „Mandeln“ (dort „mandelblütenförmig“) –, was den Gedanken bestätigt, dass alles dort von der Natur des Mandelbaums redet.
Die Stäbe der einzelnen Stämme sind völlig abgetrennt von der Wurzel, von ihrem ursprünglichen Leben. Wenn sie jetzt irgendein Lebenszeichen aufweisen würden, dann wäre es getrennt von dieser Wurzel. Es würde eine Wiedereinpflanzung des Lebens sein – mit anderen Worten: das Werk Gottes. Aber die Stäbe der Stämme blieben tot. Der von Aaron aber wies nicht nur Lebenszeichen auf, sondern brachte mit Knospe, Blüte und Frucht auch das volle Ergebnis des Lebens hervor. Es war ein Werk Gottes, das für immer jede fremde Beanspruchung des Platzes der Ehre und des Dienstes, den Er Aaron gegeben hatte, verstummen ließ. „Niemand nimmt sich selbst die Ehre, sondern er wird von Gott berufen wie auch Aaron“ (Heb 5,4).
Der Herr als abgeschnittener, gesprosster Stab
Aber Gott unterwies damit nicht nur Israel, sondern erteilte Lektionen der Gnade und Wahrheit für alle Zeiten. Er wollte dem Menschen zeigen, wer allein der wahre Priester ist, den Er erhöht hat. Wie auch in all seinem übrigen Handeln kennzeichnen auch hier allein völlige Gerechtigkeit und Wahrheit sein Handeln. Es konnte nur einen Priester geben. Denn allein der Sohn Gottes, der Mensch wurde, war befähigt, Gott zu nahen und für ein schuldiges und sündiges Volk den Zugang zu öffnen. Das wird noch deutlicher vor uns stehen, sobald wir das Priestertum zum Thema haben. Für jetzt genügt es, zu sehen, auf welche Art Gott beweist, dass Christus wirklich sein Priester ist.
Wie die Stäbe abgeschnitten wurden, so wurde auch unser Herr „abgeschnitten aus dem Land der Lebendigen“ (Jes 53,8). Dieses fleckenlose und vollkommene Leben, das nicht wie die ganze menschliche Familie unter dem Urteil des Todes stand, wurde willig als Opfer hingegeben. Aber jenseits des Grabes gestattet Gott uns, ins Heiligtum zu blicken und dort den gepriesenen Herrn zu sehen als aus den Toten auferstanden. Seine Jünger hatten das Kreuz betrachtet, hatten am Grab verweilt und grübelten angesichts seines ganzen wundersamen Lebens, wovon sie sagten: „Wir aber hofften, dass er der sei, der Israel erlösen solle“ (Lk 24,21). Aber gerade als der Glaube seinen Tiefpunkt erreicht, beginnt aus dem Grab Licht zu leuchten in den Worten: „Doch auch bei all dem ist dies heute der dritte Tag, seitdem dies geschehen ist. Aber auch einige Frauen von uns haben uns außer uns gebracht: Am frühen Morgen sind sie bei der Gruft gewesen, und als sie seinen Leib nicht fanden, kamen sie und sagten, dass sie auch eine Erscheinung von Engeln gesehen hätten, die sagen, dass er lebe“ (Lk 24,21-23). Das war, von ihnen selbst unbemerkt, bereits die Dämmerung des Auferstehungsglaubens, der nur die Bestätigung des Wortes brauchte, um ihre Herzen brennend zu machen und sie für die unmittelbare Offenbarung des auferstandenen Herrn vorzubereiten. „Der Herr ist wirklich auferweckt worden“ (Lk 24,34). Aber wie viel bedeutet das! Es ist Gottes Siegel auf jedes Wort, das Er gesprochen hat, und alles, was Er während seines Lebens getan hat, und es ist die völlige Umkehrung des Gerichts dieser Welt – politisch und religiös –, die Ihn abgelehnt und hinausgeworfen hat als Übeltäter und Gotteslästerer. Mehr noch: Es ist Gottes Erklärung seiner Annahme des Opfers für die Sünde, das unser Herr auf dem Kreuz gestellt hat. Weiter bekundet es, dass der Tod keine Macht über Ihn hat, dass Satans Macht für immer zerstört ist und dass Gottes Heiliger nicht die Verwesung sehen konnte (Apg 2,27.31). „Wir wissen, dass Christus, aus den Toten auferweckt, nicht mehr stirbt“ (Röm 6,9).
Der Tod hatte immerzu dem Priesterdienst eines jeden aus dem Haus Aaron ein Ende bereitet, „weil sie durch den Tod verhindert waren zu bleiben; dieser aber, weil er in Ewigkeit bleibt, hat ein unveränderliches Priestertum“ (Heb 7,23.24). Dieser Priester ist „nicht nach dem Gesetz eines fleischlichen Gebots geworden, sondern nach der Kraft eines unauflöslichen Lebens“ (Heb 7,16). Während Er dieses Leben in sich selbst schon immer besaß, war es doch durch seine Auferstehung, dass es in Kraft erwiesen wurde. Es war, nachdem Er durch die Leiden Golgathas gegangen war und „vollendet worden“ ist – „am dritten Tag werde ich vollendet“ (Lk 13,32) –, dass Er in der Auferstehung „von Gott begrüßt“ wurde „als Hoherpriester nach der Ordnung Melchisedeks“ (Heb 5,10).
Die Auferstehung ist daher Gottes Beweis des ewigen Priestertums seines geliebten Sohnes. Und das scheinen uns die Mandelknospen, -blüten und -früchte an den Zweigen des goldenen Leuchters vorzustellen. Das hebräische Wort für „Mandeln“ bedeutet „wachsam“ oder „eilend“. Man sagt, der Mandelbaum sei so bezeichnet worden, weil er als der erste Baum nach dem Winter erwacht und schon im Januar Knospen bildet. Darin liegt ein treffender Hinweis auf den „Erstling der Entschlafenen“ (1Kor 15,20). Die Knospen betonen das, denn sie sind das erste Anzeichen des Lebens, dessen volle Darstellung in Blüte und Frucht ist. So war die Auferstehung unseres Herrn – wenn wir das so sagen dürfen – nicht nur der Anfang eines Lebens, das noch Früchte tragen würde, sondern war göttlich vollkommen und vollendet, als Er den Platz auf dem Thron seines Vaters einnahm.
Knospen, Blüten und Mandeln bei seiner Auferstehung
Es ist vielleicht schwierig, diesen Gedanken auszudrücken, aber haben wir nicht eine Illustration dieser Graduierung in den Beweisen seiner Auferstehung? Der weggewälzte Stein, das leere Grab, die ordentlich daliegenden Leinentücher und das gesondert liegende Schweißtuch – kein Zeichen des Kampfes, sondern vielmehr Zeugnisse, dass der Fürst des Lebens von seinem Todesschlaf auferstanden ist: Das mögen wir als die „Knospen“ bezeichnen, die ersten Zeichen seiner Auferstehung. Der Engel, der den Stein wegwälzte und sich darauf setzte (Mt 28,2); der Jüngling, der zur Rechten des Grabes saß (Mk 16,5); die „Erscheinung von Engeln“, die die Frauen sahen, die früh zum Grab kamen (Lk 24,23); die zwei Engel in weißen Kleidern, von denen einer zu dem Haupt und einer zu den Füßen saß, da, wo der Leib Jesu gelegen hatte (Joh 20,12): Diese könnten wir als die „Blüten“ des Mandelstabs bezeichnen, es sind weiter fortgeschrittene Zeugnisse seiner Auferstehung. Zuletzt seine eigene persönliche Offenbarung gegenüber Maria Magdalene, Petrus, den Frauen, den zwei Emmaus-Jüngern, den im Obersaal versammelten Jüngern und denen ein zweites Mal, als auch Thomas dabei war, dann wiederum am See von Tiberias und am Berg in Galiläa: Diese und andere „sichere Kennzeichen“ (Apg 1,3) könnten als die volle Mandelfrucht bezeichnet werden. Schon das leere Grab war dem Glauben ein kostbares Glück und für Johannes war es genug (Joh 20,8); das Zeugnis der Engel hatte noch mehr Gewicht; aber die Krönung von allem war, Ihn selbst zu sehen, zu betasten, Ihn essen zu sehen, reden zu hören – das war wirklich die volle Frucht. Ja, der Mandelstab hat sie hervorgebracht.
Wir können sicher sein, dass Gott dies alles zur Freude und Stärkung des Glaubens hat aufschreiben lassen und dass Er möchte, dass wir darüber nachsinnen und uns nicht mit einer einzelnen „Knospe“ oder „Blüte“ zufriedengeben, sondern dass unsere Augen sich an der siebenfachen Schönheit und dem überschwänglichen Zeugnis der Auferstehung des Herrn erfreuen. So zählt der Apostel in dem großen Kapitel der Auferstehung einige „Mandeln“ der Erscheinungen unseres Herrn vor seinem geliebten Volk noch einmal auf: „Er ist auferweckt worden am dritten Tag nach den Schriften; und er ist Kephas erschienen, dann den Zwölfen. Danach erschien er mehr als fünfhundert Brüdern auf einmal, von denen die meisten bis jetzt übriggeblieben, einige aber auch entschlafen sind. Danach erschien er Jakobus, dann den Aposteln allen; am Letzten aber von allen, gleichsam der unzeitigen Geburt, erschien er auch mir“ (1Kor 15,4-8). Wir müssen nicht denken, dass der Apostel oder einer der Evangelisten eine vollständige Liste dieser Erscheinungen geben wollte. Jeder hat unter der Leitung des Geistes das angeführt, wozu es in seiner Erzählung der Dinge einen besonderen Grund gab, und das völlig wahrheitsgemäß.
Wir können die Knospen, Blüten und Früchte des Mandelbaums darüber hinaus als die verschiedenen Stufen des Verständnisses göttlicher Wahrheiten betrachten, wie sie im auferstandenen Herrn dargestellt werden und den drei verschiedenen Zuständen der Heiligen als „Kinder“, „Jünglinge“ und „Väter“ entsprechen (1Joh 2,14) – eine Gnadenfülle, die sich jedem anpasst und allein in Ihm ihren Mittelpunkt hat. Das scheint uns auch daran zu erinnern, dass der Eintritt in die göttliche Herrlichkeit den Gepriesenen nicht verändert hat, denn Er ist „derselbe gestern und heute und in Ewigkeit“ (Heb 13,8). Könnte irgendetwas der Frische und Kraft, die jede Etappe im Leben unseres Herrn hienieden gekennzeichnet hat, in der Herrlichkeit verloren sein? Es bleibt gewiss in dieser Herrlichkeit auf ewig unverändert. In Verbindung mit seinem Priestertum nach der Ordnung Melchisedeks wird von Ihm gesagt: „Aus dem Schoß der Morgenröte wird dir der Tau deiner Jugend kommen“ (Ps 110,3). Jene, die Ihn als kleines Kind in Bethlehem anbeteten, die bestaunten, wie sich die Blüte seiner vollkommenen Kindheit formte, und die später die reiche Frucht seines Erwachsenenalters sahen, werden all das in göttlicher Frische droben bewahrt finden. Wie, das wissen wir nicht. Aber bei dem Herrn verdrängt ein Ding nicht das andere. Er fährt von dem einen zum anderen fort, und in diesem Sinn gibt es Fortschritt, während in einem anderen Sinn alles bleibt. Das Manna, die Wüstenspeise, die im goldenen Krug aufbewahrt wurde, weist auf einen ähnlichen Gedanken hin. Bei Ihm, dem göttlich Vollkommenen, ist es nicht so, dass Reife einen vorigen Zustand der Unreife als dessen Gegenteil voraussetzt. Bei uns bedeutet Unreife, dass etwas fehlt, worauf wir warten müssen. Er aber war auf jeder Stufe vollkommen und nichts fehlte. Deshalb kommt alles in der Herrlichkeit des Himmels zur Darstellung.
Die Bedeutung des Materials
Aber in der Wahl des Materials scheint, wie gesagt, der Schwerpunkt auf seiner Gottheit zu liegen, obwohl die Gestaltungsform klar von seiner Menschheit und Auferstehung spricht. Der Grund dafür kann vielleicht in den folgenden zwei Schriftstellen gesehen werden: „Und ich werde den Vater bitten, und er wird euch einen anderen Sachwalter geben, dass er bei euch sei in Ewigkeit, den Geist der Wahrheit“ (Joh 14,16.17). „Wenn ich nicht weggehe, wird der Sachwalter nicht zu euch kommen; wenn ich aber hingehe, werde ich ihn zu euch senden“ (Joh 16,7).
In der ersten dieser Schriftstellen wird uns gesagt, dass der Heilige Geist als Gabe des Vaters und als Antwort auf die Bitte des Sohnes kommen sollte. Eine göttliche Person, der Geist, wird durch den göttlichen Vater gegeben. Aber das könnte jemand so auffassen – denn das Herz des natürlichen Menschen neigt immer dazu, den Sohn Gottes herabzuwürdigen –, als sei es eine Leugnung der wesenseigenen Gottheit und Gleichheit des Sohnes mit dem Vater. In der zweiten Schriftstelle wird dieser Gedanke daher widerlegt: „Ich werde ihn zu euch senden“, oder wie Petrus an Pfingsten verkündet: „Nachdem er nun durch die Rechte Gottes erhöht worden ist und die Verheißung des Heiligen Geistes vom Vater empfangen hat, hat er dies ausgegossen, was ihr seht und hört“ (Apg 2,33). Ist es nicht besonders passend, dass die Sendung des Geistes durch den Sohn als eine göttliche Person geschieht? Das erklärt das Fehlen des Akazienholzes als Material des Leuchters, obwohl seine Gestaltung umso überschwänglicher von der Auferstehung dessen zeugt, der Knechtsgestalt angenommen hatte. Auch können wir niemals wirklich die zwei Naturen unseres Heilands voneinander trennen, denn Er hat aus freiem Willen seinen Vorsatz verkündet, zu „dienen auf ewig“ (2Mo 21,1-6).
Ein anderer Abschnitt zeigt uns, wie völlig der Sohn mit dem Vater eins ist in Verbindung mit dem Heiligen Geist. „Ihr aber seid nicht im Fleisch, sondern im Geist, wenn nämlich Gottes Geist in euch wohnt. Wenn aber jemand Christi Geist nicht hat, der ist nicht sein. Wenn aber Christus in euch ist, so ist der Leib zwar tot der Sünde wegen, der Geist aber Leben der Gerechtigkeit wegen. Wenn aber der Geist dessen, der Jesus aus den Toten auferweckt hat, in euch wohnt, so wird er, der Christus aus den Toten auferweckt hat, auch eure sterblichen Leiber lebendig machen wegen seines in euch wohnenden Geistes“ (Röm 8,9-11). Hier kann es kein Missverständnis geben. Der Geist Gottes ist auch der Geist Christi. Er ist auch der Geist dessen, der „Jesus“ aus den Toten auferweckt hat – und „Christus“. Hier haben wir also überreichliche Beweise, dass der Geist durch unseren Herrn nach seiner Auferstehung gesandt worden ist, aber auch die Tatsache, dass Er durch den Vater gegeben worden ist. Das soll bezüglich des Materials des Leuchters genügen.
Die Bedeutung der sieben Arme
Wir kommen nun zu einer Schriftstelle, die auf wunderbare Weise die Bedeutung der sieben Arme des Leuchters erklärt: „Und ein Reis wird hervorgehen aus dem Stumpf Isais, und ein Schössling aus seinen Wurzeln wird Frucht bringen. Und auf ihm wird ruhen der Geist des HERRN, der Geist der Weisheit und des Verstandes, der Geist des Rates und der Kraft, der Geist der Erkenntnis und der Furcht des HERRN; und sein Wohlgefallen wird sein an der Furcht des HERRN. Und er wird nicht richten nach dem Sehen seiner Augen und nicht Recht sprechen nach dem Hören seiner Ohren; und er wird die Geringen richten in Gerechtigkeit und den Sanftmütigen des Landes Recht sprechen in Geradheit. Und er wird die Erde schlagen mit der Rute seines Mundes, und mit dem Hauch seiner Lippen den Gottlosen töten“ (Jes 11,1-4).
In dieser Stelle wird der Herr als der wahre Herrscher und Richter vorgestellt, der für die Rechte der Schwachen und Bedürftigen der Seinen eintritt und das Gericht über die bösen Menschen ausführt. Er ist der wahre Sohn Isais, von dem David ein Vorbild ist. Seine Befähigung für diesen erhabenen Platz wird uns in der siebenfältigen Ausstattung mit dem Geist gegeben. Es fällt auf, dass hier zunächst von dem Geist des HERRN allein gesprochen wird, was dem Mittelstamm entspricht, es ist die Einheit des göttlichen Wesens. Nachfolgend haben wir drei paarweise Bezeichnungen, so dass wir eine erstaunliche Entsprechung zu den drei Paaren von Armen haben, die zusammen mit dem Mittelstamm den Leuchter bildeten. Das erste Paar ist „der Geist der Weisheit und des Verstandes“. „Weisheit“ ist Kenntnis verbunden mit gesundem Urteilsvermögen. Man findet das Wort in Hiob und Prediger, wo es tatsächlich meist menschliche Weisheit meint, und im Buch der Sprüche, wo es davon redet, was für den Weg durch diese Welt nötig ist, aber auch von jener göttlichen Weisheit, die als Person von Anfang an als Genosse und Werkmeister bei dem Herrn war – als der ewige Sohn Gottes. Der Ausdruck „Verstand“ ist von einem Wort abgeleitet, das „trennen“ oder „unterscheiden“ bedeutet und somit jenes Unterscheidungsvermögen andeutet, das mit der Weisheit notwendigerweise einhergeht.
Wie wahrhaft haben diese zwei Attribute des Geistes den Herrn geprägt. Von Kind auf war Er durch „Weisheit“ gekennzeichnet, und als Er ausging, seinen Dienst auszuführen, war alles, was Er sprach und tat, von der Weisheit und dem Verstand des Geistes gekennzeichnet. Er wusste nicht nur, was Er zu tun und zu sagen hatte, sondern auch wie, wann und wo.
Von „Rat“ vermutet man, dass es sich von einem Wort ableitet, das „stark sein“ und auch „befehlen“ bedeutet; daher auch „Rat geben“. Und deutet das nicht an, was jeder wahre Rat ist – nämlich bindend wie ein Befehl? So lehrte unser Herr „wie einer, der Vollmacht hat“ (Mt 7,29; Mk 1,22). Wie war sein Leben gefüllt von diesem göttlich vollkommenen Rat! Das passende Begleitstück dazu war der Geist der „Kraft“, der nur scheinbar einen Gegensatz dazu bildet, aber in Wirklichkeit damit verbunden ist und es ergänzt, um so eine ausgewogene Darstellung der Wirkung des Geistes zu geben. Wenn wir an all seine mächtigen Gnadentaten gegenüber Hilflosen und Bedürftigen denken, dann sehen wir, wie völlig der Geist der Kraft auf Ihm ruhte, als Er durch den Geist seine Wunder wirkte (Lk 4,14).
Die letzten zwei Attribute des Geistes sind „Erkenntnis“ und „Furcht des Herrn“. Erkenntnis ist, wonach die Welt giert. Sie sucht danach, um sich selbst als unabhängig von Gott zu beweisen. So kam am Anfang die Sünde in die Welt. Es war ein Begehren der Erkenntnis, und zwar unabhängig von Gott und in Ungehorsam. Das Ergebnis war eine verderbte Welt unter dem gerechten Gericht Gottes. Erkenntnis kann nur von rechtem Wert sein, wenn sie von Gott kommt als sein Geschenk. Die Weisheit und Erkenntnis der Welt haben bloß dazu gedient, die Erkenntnis Gottes auszuschließen: „weil ja … die Welt durch die Weisheit Gott nicht erkannte“ (1Kor 1,21). Der Grund ist klar und deutlich: Der Stolz des Menschen hat die Furcht Gottes abgeschüttelt, aber „die Furcht des HERRN ist der Anfang der Erkenntnis“ (Spr 1,7). Wenn die Erkenntnis dazu dient, den Menschen aufzublähen, so dass er denkt, er sei wie Gott (1Mo 3,5), dann kann sie bloß noch verheerendere Ergebnisse hervorbringen als reine Unkenntnis. Bildung ohne Gottesfurcht nährt den Unglauben. Es ist nicht wahr, dass – wie Rom gelehrt hat – Unkenntnis die Mutter der Frömmigkeit ist (es sei denn, es ist die „Frömmigkeit“, die Bildern und Reliquien Verehrung entgegenbringt). Aber auch Erkenntnis ist nicht die Mutter der Anbetung. Es braucht dazu etwas, was von oben kommt.
Aber wie vollkommen war bei unserem Herrn Erkenntnis mit der Furcht des HERRN verbunden. Er wusste alles. Er wusste, was in dem Menschen war. Er hätte alle Geheimnisse der Natur erzählen können, die Wunder und Herrlichkeiten des Himmels. Aber wir suchen vergeblich nach einem Wort, das zur reinen Befriedigung der Neugier diente. Wie wahrhaft ehrte Er seinen Gott und Vater. Gehorsam kennzeichnete jede Regung seines Wesens. Die Furcht des Herrn war maßgeblich bei allen Schätzen der Erkenntnis, die Er offenlegte. Welch wunderbare Erkenntnis hat Er daher offenbart – Erkenntnis des Herzens Gottes, seines Wesens und seines Willen. Sie kennzeichnete seine ganze Lehre und all seine Werke. Und was im ganzen Bericht seines Lebens so offenkundig ist, kennzeichnet auch die Schrift, denn sie ist als Ganzes „das Wort des Christus“ (Kol 3,16). Die Bibel ist eine Schatzkammer göttlicher Kenntnis, aber der einzige Schlüssel, sie zu öffnen, ist „die Furcht des HERRN“. Sie ist ein Buch für das Gewissen und nicht für den bloßen Intellekt. Ja, sie enthält Höhen und Tiefen der Erkenntnis, aber nur wer „mit aller Demut“ (Apg 20,19) dem Herrn dient, kann sie erfassen. Diese sechs Kennzeichen sind also die verschiedenartigen Ausprägungen des einen Geistes des HERRN, der auf unserem Herrn ruhte. Alles war göttlich vollkommen.