Schriften von Samuel Ridout
Vorträge über die Stiftshütte (1-20)
2Mo 37,1-9 5Mo 10,1-5 - Vorträge über die Stiftshütte - Die Bundeslade
Der Inhalt der Lade – Zeugen des Versagens des Volkes, aber auch Schönheiten des HerrnDer Inhalt der Lade – Zeugen des Versagens des Volkes, aber auch Schönheiten des Herrn
Die Gesetzestafeln
5Mo 10,1-5: 1 In jener Zeit sprach der HERR zu mir: Haue dir zwei steinerne Tafeln aus, wie die ersten, und steige zu mir herauf auf den Berg; und mache dir eine Lade aus Holz; 2 und ich werde auf die Tafeln die Worte schreiben, die auf den ersten Tafeln waren, die du zerbrochen hast; und du sollst sie in die Lade legen. 3 Und ich machte eine Lade aus Akazienholz und … 5 ich legte die Tafeln in die Lade, die ich gemacht hatte; und sie sind dort, wie der HERR mir geboten hat.
Das ist interessant, weil es den Charakter der Erzählung im fünften Buch Mose zeigt und die Vollkommenheit der Schrift illustriert sowie die Genauigkeit der Inspiration und auch, wie verschiedene Linien der Wahrheit zusammenlaufen. Beim Lesen dieses Abschnitts würden wir eigentlich nicht an eine Stiftshütte denken noch an eine goldüberzogene Lade mit einem Sühndeckel und Cherubim aus Gold. Und doch kann es keinen Zweifel geben, dass hier die „Lade des Zeugnisses“ gemeint ist, die wir gerade untersuchen. Mose überschaute hier durch den Geist Gottes im fünften Buch Mose rückblickend die vergangenen Wege des Volkes und die Wege Gottes mit dem Volk. Die Schrift enthält nie bloße Wiederholungen, selbst wo derselbe Abschnitt nochmals wiedergegeben wird. Das erklärt die Freiheit, mit der manchmal Worte und Satzteile ausgetauscht werden, wenn das Neue Testament aus dem Alten zitiert. Der Geist hat ein Ziel im Auge und kann, ohne der vorherigen Bedeutung des Abschnitts Gewalt anzutun, neues Licht darauf werfen. Oder Er lässt alles aus bis auf das, was uns in göttlicher Weisheit im jeweiligen Zusammenhang vorgestellt werden soll.
Hier erzählt Mose (sehr ähnlich wie in Psalm 78, Psalm 105 und Psalm 106), auf welche Weise Gott sie geleitet und umsorgt hatte und wie sie selbst völlig versagt hatten. Seine Absicht war dabei, Gott zu verherrlichen, im Volk echte Demut hervorzubringen und so wahrhaft Abhängigkeit und Gehorsam zu bewirken. Das vorhergehende Kapitel hatte sie an die Sünde des goldenen Kalbes erinnert und daran, wie infolgedessen die ersten Gesetzestafeln zerbrochen worden waren. Gott in seiner Gnade stellte ein Paar neuer Gesetzestafeln bereit, aber wie sollten diese, mit denselben heiligen Forderungen und Verboten versehen wie die ersten, etwas anderes als ein Fluch sein für das hartnäckige und widerspenstige Volk? Ach, diese Tafeln hätten in dem Zelt jedes Israeliten sicher, „unzerbrochen“ sein sollen. Aber das war nicht der Fall: Eine eigene Truhe musste für sie hergestellt werden. Und so spricht Mose von der Lade aus Akazienholz. Jeder Israelit kannte diese Lade, wusste von ihrem Überzug aus Gold, ihrem Sühndeckel und den Cherubim, so dass niemand in die Irre geleitet werden konnte, wenn Mose diese Einzelheiten ausließ. Das, woran Mose sie erinnern wollte, war die Notwendigkeit einer Truhe für die Sicherheit des Gesetzes und besonderer Wächter, die diese Truhe trugen (5Mo 10,8). All das musste ihnen die Heiligkeit des Gesetzes und die Notwendigkeit absoluten Gehorsams vor Augen führen – und können wir nicht auch sagen, ihre Schuld und Hilflosigkeit? Gott musste eine Verwahrung für das bereitstellen, was in ihren Herzen hätte verwahrt sein sollen.
All das steht in wunderbarem Einklang mit der Bedeutung des Akazienholzes, das hier ja Erwähnung findet, während das Gold ausgelassen wird. Da war ein ungehorsames und widerspenstiges Volk, dem Gottes vollkommenes Gesetz nicht anvertraut werden konnte. Er musste es entweder richten oder aber in Gnaden das bereitstellen, was bildlich gesprochen damit betraut werden konnte. Wo konnte so jemand zu finden sein? Gerade auf jenem Wüstenschauplatz, wo das Volk versagt hatte, wo selbst sein Führer Mose nur eingestehen konnte, dass die Hand Gottes der Sünde wegen auf ihnen allen lag (5Mo 2,15?) – wegen einer Sünde, die auf Adam zurückreichte –, stellt Gott uns den zweiten Menschen vor (siehe Psalm 90 und 91). Von Ihm spricht das Akazienholz: von einem, der in allen Umständen, in denen das Volk versagt hatte, weit größeren Prüfungen ausgesetzt war, als sie je durchleben mussten; von einem, der das Gesetz Gottes vollkommen in seinem Herzen bewahrte. Er war Mensch, aber unendlich viel mehr als ein Mensch. Er wurde versucht, erprobt, wurde allem unterworfen, was überhaupt über einen Menschen kommen kann, und in alledem wich Er in seinem Herzen nie von der völligen Freude an Gottes Gesetz ab noch in seinem Handeln vom völligen Gehorsam diesem Gesetz gegenüber. Deshalb sagt Er angesichts der völligen Untauglichkeit der levitischen Opfer, Sünden wegzunehmen: „Siehe, ich komme; in der Rolle des Buches steht von mir geschrieben. Dein Wohlgefallen zu tun, mein Gott, ist meine Lust; und dein Gesetz ist im Innern meines Herzens“ (Ps 40,8.9). Der Mensch mag aus Gewohnheit, aufgrund eines Vorbilds, aus Eigennutz und selbst aus einer gewissen inneren Neigung heraus einige der Gebote äußerlich halten. Aber niemand, der nicht wiedergeboren ist, könnte je sagen, dass er Wohlgefallen daran hat, den Willen Gottes zu tun. Sobald sein eigener Wille dem Willen Gottes entgegensteht, lehnt er sich gegen Gott auf, „weil die Gesinnung des Fleisches Feindschaft ist gegen Gott, denn sie ist dem Gesetz Gottes nicht untertan, denn sie vermag es auch nicht“ (Röm 8,7). Es gab deshalb sonst keinen anderen Aufbewahrungsort für das Gesetz Gottes als nur die Lade Gottes – Ihn, der sagen konnte: „Ich bin vom Himmel herabgekommen, nicht um meinen Willen zu tun, sondern den Willen dessen, der mich gesandt hat“ (Joh 6,38), und: „Meine Speise ist, dass ich den Willen dessen tue, der mich gesandt hat“ (Joh 4,34).
Es wird manchmal gelehrt, dass Christi Gehorsam gegenüber dem Gesetz uns zugerechnet worden sei anstelle unseres eigenen Gehorsams. Dem widerspricht Galater 4,5, wo uns gesagt wird, dass seine Fleischwerdung und sein gesetzlicher Gehorsam den Zweck hatten, dass Er „die, die unter Gesetz waren, loskaufte“. Und wie das geschehen ist, lesen wird ein Kapitel davor: „Christus hat uns losgekauft von dem Fluch des Gesetzes, indem er ein Fluch für uns geworden ist (denn es steht geschrieben: ‚Verflucht ist jeder, der am Holz hängt!‘)“ (Gal 3,13). Er hätte nicht als Stellvertreter das Urteil des gebrochenen Gesetzes tragen können, hätte Er es nicht selbst in seinem eigenen Herzen vollkommen gehalten. Aber seine Gesetzestreue macht die Gesetztesübertretungen des Menschen nicht ungeschehen. Es war daher nötig, dass Er am Kreuz den uns zustehenden Fluch trug.
Wir kehren für einen Augenblick auf den Gedanken des im Herzen verwahrten Gesetzes zurück. Als Er noch ein Baby war, wurde es unter seiner göttlichen Aufsicht schon für Ihn eingehalten: Der Eine, der nie ein Opfer zur Reinigung nötig hatte, wurde von seinen Eltern in den Tempel gebracht, „um mit ihm nach der Gewohnheit des Gesetzes zu tun“ (Lk 2,27). Und zwölf Jahre darauf wurde Er nach der Weise der Juden wiederum in den Tempel gebracht, um Gott dargestellt zu werden. Aber wie weit geht Er über all das hinaus, wenn Er ihnen sagt: „Wusstet ihr nicht, dass ich in dem sein muss, was meines Vaters ist?“ (Lk 2,49). Und so war es während seines ganzen Lebens. Sie mochten Ihn indirekt anklagen, „die Überlieferung der Ältesten“ zu brechen (s. Mt 15,2; Mk 7,3.5), aber nie konnten sie Ihm in Wahrheit die geringste Verletzung eines Gebotes Gottes vorwerfen. So antwortet Er im Bewusstsein vollkommener Rechtschaffenheit: „Und warum übertretet ihr das Gebot Gottes um eurer Überlieferung willen?“ (Mt 15,3). Er konnte fragen: „Wer von euch überführt mich der Sünde?“ (Joh 8,46), und verkünden, dass Er „allezeit das Gott Wohlgefällige“ tue (Joh 8,29). Die Juden hatten ihre Überlieferungen so sehr mit dem Sabbatgebot vermischt, dass sie nicht mehr dazwischen zu unterscheiden vermochten. Das brachte unseren Herrn oftmals mit ihnen in Konfrontation wegen angeblicher Verletzungen dieses Gebotes. Aber Er zeigte auf, wie ihr sogenanntes Halten des Sabbats eine leere und leblose Sache war und im Widerspruch zum Grundprinzip göttlicher Ruhe stand: „Ich will Barmherzigkeit und nicht Schlachtopfer“ (Mt 12,7). Weder Satans Bosheit noch die des Menschen konnten bei Ihm je auch nur eine einzige Missachtung des heiligen Gesetzes ausfindig machen. Sein Herz war dessen erwählter Verwahrungsort.
Es kommt die Zeit, wenn Gott unter den Bestimmungen des neuen Bundes der Gnade, der mit dem „Blut des ewigen Bundes“ versiegelt ist (Heb 13,20), endlich einen Ruheort für das Gesetz in den Herzen seines Volkes haben wird: „Indem ich meine Gesetze in ihren Sinn gebe, werde ich sie auch auf ihre Herzen schreiben; und ich werde ihnen zum Gott und sie werden mir zum Volk sein“ (Heb 8,10). Dann wird das Gesetz ihre Freude sein, und mit allen Worten, die sie finden können, werden sie dessen Vollkommenheit ausdrücken: „Wie liebe ich dein Gesetz! Es ist mein Sinnen den ganzen Tag“ (Ps 119,97). Aber dann ist es ist die Frucht der Gnade durch die Erlösung, die schon jetzt jedes wiedergeborene Herz genießt, weil es mit den Segnungen des neuen Bundes betraut ist. Aber wenn es von solchen auch heißt: „Jeder, der aus Gott geboren ist, tut nicht Sünde“ (1Joh 3,9), so ist ihnen doch ebenfalls gesagt: „Wenn jemand gesündigt hat – wir haben einen Sachwalter bei dem Vater, Jesus Christus, den Gerechten“ (1Joh 2,1). So sind in dem Glaubenden zwei Grundsätze, zwei Naturen – die alte und die neue: „Das Fleisch begehrt gegen den Geist, der Geist aber gegen das Fleisch; denn diese sind einander entgegengesetzt, damit ihr nicht das tut, was ihr wollt“ (Gal 5,17).
Darin besteht also selbst bei denen, die göttliche Gnade empfangen haben, ein Gegensatz zu unserem Herrn. Er ist der Einzige, der in sich selbst überhaupt gar nichts hatte, was dem Gesetz Gottes zuwider war. Darin steht Er allein als der Inhalt von Preis und Anbetung seitens all derer, die durch den Geist zu Teilhabern seiner vollkommenen Natur geworden sind. Er ist die einzig wahre Bundeslade.
Der Krug mit dem Manna
Aber neben den Tafeln des Gesetzes war in der Lade auch der goldene Krug mit dem Manna. Das Manna war die tägliche Speise des Volkes während der Wüstenreise. „Und die Tauschicht stieg auf, und siehe, da lag es auf der Fläche der Wüste fein, körnig, fein, wie der Reif auf der Erde. … und wenn die Sonne heiß wurde, zerschmolz es“ (2Mo 16,14.21). Es war ausdrücklich verboten, etwas davon aufzubewahren; es sollte täglich und nur für den Bedarf des jeweiligen Tages gesammelt werden. Dessen ungeachtet ließen manche etwas davon bis zum nächsten Morgen übrig, und es verdarb: „Da wuchsen Würmer darin, und es wurde stinkend“ (2Mo 16,20). Am Vortag des Sabbats aber, da sollten sie eine doppelte Ration sammeln, und es behielt am Tag der Ruhe seine Reinheit und Süße.
All das ist wunderbar und klar. In Johannes 6,32.33 bezeichnet unser Herr sich selbst als das wahre Manna: „Das Brot Gottes ist der, der aus dem Himmel herabkommt und der Welt das Leben gibt.“ Der auf diese Welt herabgekommene Christus, der sich in den Tod gegeben hat, ist Leben für den Glaubenden und auch die Erhaltung dieses Lebens durch die Wirkung des Heiligen Geistes, dessen große Aufgabe es ist, Christus zu verherrlichen. Der Tau fiel herab, und wenn er verschwunden war, wurde das Manna sichtbar. Der Geist, auf den der Tau hindeutet, offenbart sich nicht selbst, sondern stellt Christus vor und zieht sich dann aus dem Blickfeld zurück. „Er wird mich verherrlichen, denn von dem Meinen wird er empfangen und euch verkündigen“ (Joh 16,14).
Aber diese himmlische Speise ist überaus empfindsam. Sie bleibt nicht lange, wenn die Sonne aufgegangen ist, wenn die Verlockungen und Sorgen dieser Welt die Gedanken in Beschlag nehmen. Wenn Christus die Speise unserer Seelen sein soll, dann braucht es dieses frühe Sichaufmachen, wovon die Schrift voll ist (vgl. 1Mo 22,3 usw.), diesen Herzensentschluss, der die natürliche Trägheit überwindet, „damit ihr nicht träge werdet, sondern Nachahmer derer, die durch Glauben und Ausharren die Verheißungen erben“ (Heb 6,12). „Trachtet aber zuerst nach dem Reich Gottes und nach seiner Gerechtigkeit“ (Mt 6,33). Das muss Vorrang haben. Wo den Dingen Christi der erste Platz eingeräumt wird, wird es immer Nahrung und Unterhalt für die Seele geben. Aber wenn „die Sorge der Welt und der Betrug des Reichtums“ (Mt 13,22) Einzug halten, schmilzt das himmlische Manna dahin.
Wenn geistliche Trägheit daran hindert, das Manna zu sammeln, dann kann geistliche Sparsamkeit es nicht bewahren. So etwas wie einen Vorrat an Geistlichkeit gibt es nicht. Täglich müssen wir uns von Christus ernähren. Die Gnade von gestern wird für heute nicht genügen. Das entzieht der Lehre, man könne gewisse Stufen der Heiligkeit erwerben, jeden Boden. Wir haben in der Tat nur so viel von Christus, wie wir im jeweiligen Moment genießen. Niemals sollten wir in Selbstgefälligkeit auf vergangene Erfahrungen zurückblicken. Wenn wir es doch tun, wird die Verderbnis geistlichen Hochmuts rasch zutage treten. Gott weiß, dass Freude und Heiligkeit für uns allein in steter, gegenwärtiger Gemeinschaft mit dem Herrn liegen, und Er wird nicht zulassen, dass wir in der Vergangenheit schwelgen und dabei die Gegenwart außer Acht lassen.
Es wird jedoch eine Zeit kommen, in der wir gefahrlos zurückblicken können und uns dabei von dem ernähren werden, der hier auf Erden unsere Stütze war: „Du sollst dich an den ganzen Weg erinnern, den der HERR, dein Gott, dich hat wandern lassen diese vierzig Jahre … Und er demütigte dich und … speiste dich mit dem Man, das du nicht kanntest“ (5Mo 8,2.3). In der Herrlichkeit werden unsere Erfahrungen in unser Lob einfließen und es wird dann kein Stolz mehr aufkommen. Darauf deutet die Unverderblichkeit des Mannas hin, das am Sabbat verwendet werden sollte, am Tag der Ruhe Gottes, und es wird noch einmal unterstrichen durch den goldenen Krug, der mit einem Gomer Man befüllt wurde, einer Tagesration für eine Person; man legte ihn „vor das Zeugnis nieder zur Aufbewahrung“ (2Mo 16,32-34). Darauf nimmt die Verheißung Bezug, die dem Überwinder in Pergamos gemacht wird, und das ist sehr passend angesichts der Natur des Bösen, das dort zu überwinden ist: die Verführungen der Welt. „Dem, der überwindet, dem werde ich von dem verborgenen Manna geben“ (Off 2,17). Solche, die sich hier von der Welt abgewandt haben, um sich von Christus zu ernähren, werden den ganzen hier schon Tag für Tag genossenen Segen dort für sich aufbewahrt finden in einem verherrlichten Herrn.
Der goldene Krug scheint die göttliche Herrlichkeit dessen zu unterstreichen, der sich hier erniedrigt hat, um die Speise seines Volkes zu sein. In gerade jener Erniedrigung blieb Er doch Gott, „der über allem ist“ (Röm 9,5). Aber Gott hat diese Niedrigkeit in die Herrlichkeit der Gottheit eingeschlossen: Er hat gewissermaßen die Form, in der Er hier erschienen ist, umgekehrt.
Beim aufgehobenen Manna scheint der Gedanke zu sein, dass es für himmlische Freuden zurückgelegt ist, nicht für die Zeit des Erdenlebens unseres Herrn. Aber wir müssen bedenken, dass Er hier das Manna geworden ist und dass die Vortrefflichkeit seines Wesens vor Gott offenbar war, der es immer wie in dem goldenen Krug gesehen hat. Die vollkommene Gnade Christi führt den Glauben schon jetzt zur Anbetung, während am Tag seiner Herrlichkeit „jedes Knie sich beugen wird“ (Phil 2,10).
Wir müssen nicht befürchten, dass irgendetwas, was wirklich von Christus ist, je verlorengehen könnte. Was unseren Herzen im Blick auf Ihn hier schon wertvoll geworden ist, werden wir dort wiederfinden und gemeinsam mit Ihm genießen. Lasst uns daher sein wie der Apostel: „Vergessend, was dahinten, und mich ausstreckend nach dem, was vorn ist, jage ich, das Ziel anschauend, hin zu dem Kampfpreis der Berufung Gottes nach oben in Christus Jesus“ (Phil 3,13.14). Und wenn wir „das Land“ erreichen und dann die göttliche Person erblicken, die uns in Niedrigkeit auf diesem Wüstenschauplatz mit dem „Brot der Starken“ genährt hat (Ps 78,25), werden wir wie Josua einst ausrufen, „dass nicht ein Wort hingefallen ist von all den guten Worten, die der HERR, euer Gott, über euch geredet hat“ (Jos 23,14).
Der Stab Aarons
Ein weiterer Gegenstand wurde in der Lade aufbewahrt: „der Stab Aarons, der gesprosst hatte“ und an eine ernste Episode aus der Geschichte des Volkes erinnert. In 4. Mose 16 lesen wir von Dathan und Abiram aus dem Stamm Ruben und von Korah aus dem Stamm Levi, wie sie sich gegen göttlich eingesetzte Autoritäten auflehnen: gegen Mose als Führer und gegen Aaron als Priester. Es war ein gewaltiger Aufstand, zweihundertfünfzig Fürsten des Volkes schlossen sich ihm an. Dathan und Abiram gehörten zum Stamm Ruben. Ruben war der Erstgeborene, und damit wäre ihnen natürlicherweise die Führerschaft zugefallen. Aber das Natürliche, der Erstgeborene, muss hier, wie es die Schrift an vielen Stellen zeigt, dem Geistlichen weichen, dem von neuem Geborenen. Obwohl Ruben, dem Erstgeborenen, „Vorzug an Hoheit und Vorzug an Macht“ gehörten, wird von ihm doch gesagt: „Überwallend wie die Wasser, sollst du keinen Vorzug haben“ (1Mo 49,3.4). Der erste Adam ist ein Beispiel dafür, unmittelbar gefolgt von Kain, Esau und anderen, die alle darauf hinweisen, dass der gefallene, unbeständige erste Mensch dem zweiten Menschen weichen muss, dem Einen, der vor Gott bestehen kann und der für die Schwächsten derer einsteht, die ihr Vertrauen auf Ihn setzen.
Dathan und Abiram wollten wohl ihr Vorrecht der Erstgeburt wieder geltend machen, und ihre Auflehnung richtete sich in erster Linie gegen Mose als Anführer. Aber Mose und Aaron können hier nicht voneinander getrennt werden, denn Christus, von dem sie ein Vorbild sind, ist sowohl König als auch Priester. So finden wir, wie Korah aus dem Stamm Levi sich mit den Söhnen Rubens verbindet; und Korahs Auflehnung richtete sich in erster Linie gegen das Priestertum Aarons. Als Levit hatte er bereits besondere Vorrechte in Verbindung mit der Stiftshütte und den heiligen Geräten. Aber neidisch auf Aaron, wollte er sich nun in das Priestertum hineindrängen. Im Vorbild entspricht das der Ablehnung des Opferwerkes Christi und seiner Ihm allein eigenen Nähe zu Gott – obwohl doch nur durch Ihn überhaupt jemand Gott nahen kann. Die Auflehnung war nicht gegen Menschen gerichtet, „denn Aaron, was ist er, dass ihr gegen ihn murrt?“ (4Mo 16,11). Sie richtete sich gegen die Autorität Gottes und seine gnädige Fürsorge, aufgrund derer die schuldige Nation Schonung erfahren hatte.
Die Menschen sprechen leichtfertig vom Sohn Gottes und seinem Opferwerk. Sie bestreiten, sein kostbares Blut nötig zu haben, das allein von aller Sünde reinigt. Es ist die Wiederkehr der Auflehnung Korahs, der Gipfelpunkt allen Übels: Das beginnt mit Kains Leugnung der Sünde, fährt fort in Bileams Vermengung des Gottesvolkes mit seinen Feinden und erreicht seine volle Ausprägung in Korah. Der Geist Gottes fasst Anstieg, Wuchs und Gipfel des Abfalls von der göttlichen Wahrheit mit folgenden Worten zusammen: „Wehe ihnen! Denn sie sind den Weg Kains gegangen und haben sich für Lohn dem Irrtum Bileams hingegeben, und in dem Widerspruch Korahs sind sie umgekommen“ (Jud 11). Aus der Sicht Gottes ist alles schon geschehen. Unser Herr „schaute den Satan wie einen Blitz vom Himmel fallen“ (Lk 10,18), und der Seher berichtet über das Ende des Tieres und des falschen Propheten, die so deutlich den Söhnen Rubens auf der einen und Korah als dem Antichristen auf der anderen Seite entsprechen: „Lebendig wurden die zwei in den Feuersee geworfen, der mit Schwefel brennt“ (Off 19,20).
Aber die schrecklichen Gerichte, die über die Führer verhängt wurden, „die gegen ihre Seele gesündigt“ hatten (4Mo 17,3), sollten das Volk von solcherart Wahn und Torheit abhalten. Es ist göttliche Liebe, die den Schleier über der Zukunft beiseiteschiebt und die Menschen anweist, „dem kommenden Zorn zu entfliehen“ (Mt 3,7). Der Plage, die in Verbindung mit dieser Auflehnung auf das Volk fiel, wurde durch die Räucherpfanne Aarons gewehrt, ebendenjenigen, gegen den sie sich in ihrer Blindheit aufgelehnt hatten. Wie entspricht er doch im Vorbild dem, der trotz seiner Verwerfung durch die Volksmengen „zwischen den Toten und den Lebenden“ steht und der Auferlegung des Zornes wehrt (4Mo 17,12.13).
Gott aber wollte die Priesterstellung Aarons sowie seine eigene Macht auch durch ein sichtbares Zeichen der Gnade beweisen. Im weiteren Verlauf des Kapitels (4Mo 17,16-26) tut Er das in dem Stab Aarons. Jeder Stamm sollte einen Stab bringen mit dem Namen seines Fürsten darauf, und für Levi sollte es der Name Aarons sein. Der Stab dessen, den Gott erwählt hatte, sollte blühen und so die ganze Frage der Priesterherrschaft endgültig geklärt werden. Indem Aarons Stab sprosste, Blüten trieb und Mandeln zur Reife brachte, wurde er göttlich ausgewiesen. Nur in seinem Stab offenbarte sich die Kraft der Auferstehung. Gott hatte gesprochen.
All das spricht auf unmissverständliche Weise von dem wahren Priester, der göttlich ausgewiesen ist als der Einzige, dem Recht und Macht gehören, was in göttlichen Dingen immer miteinander einhergeht. Der Stab ist das Zeichen von Herrschaft und Autorität, die ihre Quelle in Gott haben und in der Kraft des Lebens ausgeübt werden sollen. Wer auch immer meint, Ansprüche geltend machen zu können, darf seinen Stab vorlegen – tote Dinge, über die das Todesurteil bereits hinweggegangen ist. Bei all diesen ist auch der Stab dessen, der mit den übrigen seinen Platz im Tod einnimmt – „abgeschnitten aus dem Land der Lebendigen“ (Jes 53,8). In seinem Fall steht Er allerdings nicht für sich selbst unter Strafe, sondern in Gnade als der Stellvertreter seines Volkes. Wer unter den Menschensöhnen erhielt seinen Stab mit irgendeinem Zeichen des Lebens zurück? Keiner als nur Er, in dem allein Leben war und in dem allein keine Sünde war, „wie es denn nicht möglich war, dass er von dem Tod festgehalten wurde“ (Apg 2,24). Er allein ist daher befähigt, als Priester vor Gott zu stehen. Das wird in Hebräer 7 hervorgehoben, wo unser Herr als der gesehen wird, der „Priester auf immerdar“ bleibt (Heb 7,3), „nach der Ordnung Melchisedeks“, „von dem bezeugt wird, dass er lebe“ (Heb 7,8). Er ist daher Priester „nach der Kraft eines unauflöslichen Lebens“ (Heb 7,16), woran uns das Sprossen, Aufblühen und Fruchttragen des Stabes erinnert. Der Stab soll uns auch an die Herrschaft in Gerechtigkeit und Frieden erinnern, die in dem Priestertum unseres Herrn nach der Ordnung Melchisedeks zu sehen ist, der ein „König der Gerechtigkeit“ und „König des Friedens“ ist (Heb 7,2).
Aber noch mehr steht mit diesem wunderbaren „Stab, der gesprosst hatte“, Folgendes in Verbindung: Es war ein Mandelstab, und „Mandel“ bedeuten im Hebräischen „der Eilende“, da die Mandeln im Frühling als Erste blühen, wie denn auch Christus nicht bloß auferstand, sondern „der Erstling der Entschlafenen“ ist (1Kor 15,20). Das schließt ein, dass es weitere Früchte seiner Auferstehung gibt: „Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und stirbt, bleibt es allein; wenn es aber stirbt, bringt es viel Frucht“ (Joh 12,24). Durch Ihn bringt Gott „viele Söhne zur Herrlichkeit“ (Heb 2,10) und auf diese gottgewirkte Frucht weisen die Mandeln hin. So lässt unser Herr seinen Jüngern nach seiner Auferstehung eine Botschaft zukommen, in der Er sie zum ersten Mal „Brüder“ nennt (Joh 20,17). Er schämt sich nicht, sie Brüder zu nennen (vgl. Heb 2,11). Das ist wirklich die Frucht, nach der Er sich sehnte, und es ist die Erfüllung des Wortes des Propheten: „Von der Mühsal seiner Seele wird er Frucht sehen und sich sättigen“ (Jes 53,11). So sehen wir sein Volk auf ewig mit Ihm verbunden, damit sie eines Tages zur Herrlichkeit seiner Gnade als Priester mit Ihm herrschen (vgl. Off 5,9.10).
Welch eine unendlich gnädige göttliche Antwort ist das auf den Unglauben, der gegen seine Vorrangstellung murrte! Würdig ist nur Er allein, der für uns geschlagen wurde und nun „lebendig ist von Ewigkeit zu Ewigkeit“ (Off 1,18). Und aus nichts als reiner Gnade sind wir dazu bestimmt, mit Ihm zu leben.
Zusammenfassung
So haben wir also den Zweck der Lade gesehen als eine bleibende Verwahrung zunächst für das Gesetz, sodann aber auch für den Krug mit Manna und den Stab Aarons, der gesprosst hatte. In Verbindung damit finden wir außerdem, wie das Buch des Gesetzes aufbewahrt wurde (5Mo 31,26), um zum Zeugen gegen sie zu sein, wenn sie von Gott abwichen. Gottes Wort ist bloß die Erweiterung seines Gesetzes, der allein unveränderliche Ausdruck seines Willens. Das Wort „Gesetz“ wird immer wieder für das ganze Wort Gottes verwendet, wie etwa in Psalm 1,2. Im Herzen unseres Herrn war es heilig verwahrt. Er gab immer dem ganzen Wort Gottes die Ehre und sagte davon: „Die Schrift kann nicht aufgelöst werden“ (Joh 10,35).
Es ist richtigerweise darauf hingewiesen worden40 dass jeder in die Stiftshütte gelegte Gegenstand ein Zeuge vom Versagen des Volkes war. Die Gesetzestafeln erinnerten an die Abtrünnigkeit durch das goldene Kalb, in deren Folge die ersten Tafeln zerbrochen wurden. Das Manna erinnerte sie an ihr Murren und ihren Unglauben. Und der Stab, der gesprosst hatte, rief die schreckliche Auflehnung Korahs gegen den Priester Gottes ins Gedächtnis. Aber wie spricht all das auch für uns eine so deutliche Sprache: ein gebrochenes Gesetz, Unglaube und Murren sowie Stolz, der sich gegen Christus erhebt!
Doch: Gepriesen sei sein Name! Diese Erinnerungen an Sünden sind eng und ewig verbunden mit dem Gesegneten, der uns gerade aus Anlass all dieses Übels Vergebung und Segen sicherstellt. Ein unsererseits gebrochenes Gesetz hat in seinem Herzen ein ewiges Zuhause gefunden. Er hat das Gesetz groß und herrlich gemacht (vgl. Jes 42,21). Das Manna spricht von seiner Gnade trotz unseres Unglaubens, und der sprossende Stab ist das Sinnbild eines sanften Jochs und einer leichten Last. Bald, am Tag der Herrlichkeit, werden wir all das voll erkennen.