Schriften von Samuel Ridout
Vorträge über die Stiftshütte (1-20)
Göttliche Herrlichkeit in bescheidenem GewandGöttliche Herrlichkeit in bescheidenem Gewand
Doch wir können in der Decke aus Seekuhfellen noch einen weiteren Gedanken sehen. Sie war wahrscheinlich von einem braunen oder dunklen Farbton, nicht abstoßend im Aussehen, aber auch nicht besonders attraktiv. Für den Glauben sind die Eigenschaften, die wir an unserem Herrn betrachtet haben, ungeheuer anziehend und bewundernswert. Aber für den natürlichen Menschen hatte Er „kein Aussehen, dass wir ihn begehrt hätten“ (Jes 53,2). Als sie Ihn sahen, wie Er in bescheidener Absonderung von der Welt und ihrem Geist sein Leben führte, sagten sie: „Forsche und sieh, dass aus Galiläa kein Prophet aufsteht“ (Joh 7,52). Selbst seine erstaunlichen Lehren und Wunder konnten den Stolz des Unglaubens in vielen nicht überwinden: „Ist dieser nicht der Zimmermann?“ (Mk 6,3), lautete die ungläubige und verächtliche Frage, die gestellt wurde. Und dabei blieb es nicht: Das, was Ihn von aller Heuchelei und Religiosität des natürlichen Menschen moralisch trennte, war kein Hindernis dafür, dass der Bedrängte bei Ihm immer eine liebevolle Aufnahme fand. Die Ausgestoßenen, die Elenden und die Verlorenen kamen frei zu Ihm; aber der Unglaube stolpert immer noch darüber und sagt: „Ein Freund der Zöllner und Sünder“ (Lk 7,34).
Und doch: Wer, der das Wort Gottes kannte, konnte übersehen, dass es ein demütiger Herr war, auf den man warten sollte? Er „machte sich selbst zu nichts und nahm Knechtsgestalt an … und, in seiner Gestalt wie ein Mensch erfunden, erniedrigte sich selbst“ (Phil 2,7.8). Dieser Glaube sieht in der Decke aus Seekuhfellen das bescheidene Gewand dessen, der kam, um zu dienen. Denke einmal darüber nach, dass es der Herr der Herrlichkeit, der Schöpfer und Erhalter aller Dinge war, der in solch einer niedrigen Gestalt in die Welt kam! Und mach dir dann bewusst, dass all diese Herablassung in den Herzen der Menschen nur Hohn und Spott hervorrief!
Wenn es auch so war, ach, so musste es doch genau so sein. Keine Schönheit in dem Herrn Jesus zu sehen, heißt, sich als wirklich blind für das zu erweisen, was von wahrem Wert ist. Wenn das Herz nicht von einer Liebe ergriffen wird, die „die Erkenntnis übersteigt“ (Eph 3,19), beweist dies, dass es kalt und tot ist. Aber der Glaube sieht Schönheiten, wo die Welt nichts Schönes findet. Und der Glaube folgt mit anbetendem Herzen den Fußstapfen dessen, der von den Sündern abgesondert war, und erinnert sich mit Freude daran, dass unter diesem vermeintlich unscheinbaren Äußeren die Herrlichkeiten verborgen sind, über die wir bei den anderen Decken nachgedacht haben. Wenn sich die Welt abwendet, ruft der Glaube laut: „Alles an ihm ist lieblich“ (Hld 5,9-16). „Das ist mein Geliebter und das mein Freund.“ Der Glaube antwortet auf die Frage „Was ist dein Geliebter mehr als ein anderer Geliebter?“ wie die Braut im Hohelied Salomos, indem er Ihn freudig vom Kopf bis zu den Füßen beschreibt. Jedes Merkmal hat seine eigene Schönheit und Anziehungskraft. Jeder Schritt, jedes Wort und jede Tat unseres Herrn haben eine ganz eigene Schönheit. Und nachdem wir all unser weniges Wissen über Ihn ausgeschöpft haben, können wir wahrlich sagen: „Nicht die Hälfte ist mir berichtet worden“ (1Kön 10,7).
Das gibt der Tatsache eine besondere Bedeutung, dass für diese letzten beiden Decken keine Maße angegeben sind. Zweifelsohne bedeckten sie die ganze Stiftshütte. Beim Brandopfer gab es ebenfalls keine Begrenzung für die Anzahl der Opfer. Ein Ziegenbock reichte für ein Sündopfer aus, aber die Brandopfer wurden zur Zeit der Könige um Tausende vermehrt, bis der ganze Tempelhof in einen Altar verwandelt war (1Kön 8,64) – die Anbetung hat keine Grenzen.
In diesen Decken ohne Maßangabe finden wir die unendliche Fülle Christi angedeutet. Die Gedanken können unter der Führung der Schrift so weit gehen, wie es das endliche Fassungsvermögen erlaubt, und doch gibt es noch mehr darüber hinaus: die Fülle Christi, die nur durch die Fülle Gottes gemessen wird; und wie gesegnet ist der Gedanke, dass jeder Gläubige sagen kann: „Er ist mein und ich bin sein“ (vgl. Hld 2,16).