Schriften von Samuel Ridout
Vorträge über die Stiftshütte (1-20)
Die Cherubim schauen auf den mit Blut besprengten SühndeckelDie Cherubim schauen auf den mit Blut besprengten Sühndeckel
Dass auf diesem Sühndeckel gleich zwei solche Figuren waren, lässt sie als befähigte Zeugen der Heiligkeit, Gerechtigkeit und Güte Gottes erscheinen. Wir sehen sie dort mit ihren Gesichtern dem Sühndeckel zugewandt, über den sie ihre Flügel ausbreiten. Diese Haltung erinnert uns an 1. Petrus 1,12: „Dinge, in welche die Engel hineinzuschauen begehren“. Es ist, als ob sie voller Bewunderung und Anbetung auf den Deckel der Lade blicken, den Gnadenstuhl. Dieser bedeckte, wie wir gesehen haben, die Tafeln des Gesetzes. Und so waren es nicht diese Tafeln, worauf die Cherubim schauten. Sie waren mit der Verkündung des Gesetzes inmitten dichter Finsternis, Blitzen und Donner am Sinai verbunden gewesen und hatten bereitgestanden, Rache zu nehmen für „jede Übertretung und jeden Ungehorsam“ (Heb 2,2). Aber es ist das Blut auf dem Sühndeckel, das den Blick dieser Diener der Gerechtigkeit und des Gerichts gefangen nimmt – das Blut des Opfertieres, das am großen Sühnungstag dorthin gesprengt wurde (3Mo 16,14). Das Blut spricht von einem Gericht, das bereits an einem Stellvertreter heimgesucht worden ist, und es nimmt die anbetenden Blicke dieser heiligen Diener Gottes gänzlich in Beschlag. Statt mit Windeseile oder wie ein Blitz auf die Feinde Gottes zu fliegen, beugen sie sich mit bewundernder Anbetung über dem, was davon spricht, dass Gerechtigkeit und Frieden sich „geküsst“ haben (Ps 85,11).
Und die Engel tun wohl, auf dieses Opfer zu blicken! Alle Eigenschaften des Wesens Gottes strahlen darin hervor: seine Gerechtigkeit, denn Er hat darin die volle Strafe für die Sünde des Menschen zugemessen; seine Liebe, denn es ist seine Gabe an eine verlorene Welt; seine Weisheit, denn niemand als Gott hätte einen so wunderbaren Plan ersinnen können.
Wie die Cherubim blicken auch wir voller Bewunderung auf dieses herrliche Zeichen. Wir erinnern uns: „Von den Tieren, deren Blut für die Sünde in das Heiligtum hineingetragen wird durch den Hohenpriester, werden die Leiber außerhalb des Lagers verbrannt. Darum hat auch Jesus, damit er durch sein eigenes Blut das Volk heiligte, außerhalb des Tores gelitten. Deshalb lasst uns zu ihm hinausgehen, außerhalb des Lagers, seine Schmach tragend“ (Heb 13,11-13). Der Ort größter Entfernung, wo das Opfer verzehrt wurde, bringt uns in die nächste Nähe des Thrones Gottes. Das Blut des Opfertieres, das außerhalb des Lagers verbrannt wurde, wird in das Heiligtum Gottes hineingetragen. Christus hat „außerhalb des Lagers gelitten“ – nicht bloß außerhalb der Stadt Jerusalem und nicht nur als von den Juden allein verworfen, sondern auf jenem schmachvollen Kreuz wie an einem Galgen, von der ganzen Welt hinausgeworfen. Dort litt Er den Tod eines Übeltäters, obwohl Er selbst der einzig vollkommene und sündlose Mensch war, der je auf dieser Erde gelebt hat. Aber auch das macht noch nicht die ganze Tiefe der Bedeutung dieses Platzes außerhalb des Lagers aus. Er wurde dort von Gott verlassen (Mt 27,46). Der Zorn Gottes wurde über Ihn ausgegossen, als Er ein „Fluch“ wurde: Der „Kelch“ des Zorns wurde ausgeleert! Oh, welche Tiefe der Liebe und Gnade zu Menschen zeigt sich an diesem Kreuz – der Sündlose begibt sich außerhalb des Lagers!
Das Blut auf dem Sühndeckel bekundet, dass Gott das Opfer des Stellvertreters angenommen hat. Der Wert dieses Blutes ist auf ewig mit dem Thron und mit dessen Gerechtigkeit und Gericht verbunden.
Wenn das Material des Sühndeckels und des säumenden Kranzes der Lade von göttlichen Herrlichkeiten und von Christus spricht, der dort thront, ist das daher in Übereinstimmung mit der Bedeutung des Blutes auf dem Gnadenstuhl und dem bewundernden Blick der Gerechtigkeits- und Gerichtsdiener. Alles ist vereint, um den Wert dieser „ewigen Erlösung“ zu bezeugen, die Christus erfunden hat (Heb 9,12). Auch zeigt es die Übereinstimmung des Vorbilds mit der dahinterstehenden göttlichen Wahrheit. Und es lässt uns einen Blick tun auf den seit jeher in Gottes Gedanken hervorragenden Plan der Erlösung. Er wird auch der Mittelpunkt der himmlischen Schar der Erlösten bilden, denn „inmitten des Thrones“ steht ein „Lamm wie geschlachtet“ (Off 5,6).
Dort ist wirklich der „sühnende“ und immerwährende Ort der Begegnung Gottes mit seiner Schöpfung. Wie sonst könnte ein schuldiger Sünder dem nahen, der zu rein von Augen ist, um Böses zu sehen (Hab 1,13)? Aber durch Glauben an Christus, dessen Blut die Sühnung von Sünden bewirkt hat, kann der reuige Sünder hinzutreten und dankbaren Herzens beanspruchen, was göttliche Liebe ihm tatsächlich aufdrängt. Keine Furcht aufseiten des Sünders – kein Zorn auf Gottes Seite! Das Gesetz mit seinem zweifachen Zeugnis gegen den Menschen ist groß und herrlich gemacht. Sein gerechtes Urteil hat das Opferlamm getragen. So wohnt Gott nun und für immer inmitten der Lobgesänge seines bluterkauften Volkes (Ps 22,4).