Schriften von Samuel Ridout
Vorträge über die Stiftshütte (1-20)
2Mo 36,20-24; 30,11-16; 38,25-27 - Vorträge über die Stiftshütte - Die Zapfen und Bretter
Die silbernen Füße – die Erlösung als feste GrundlageDie silbernen Füße – die Erlösung als feste Grundlage
Die Bedeutung dieser silbernen Füße wird aus den Schriftstellen, die sie erwähnen, so deutlich, dass es darüber keinen Zweifel geben kann. Gottes Wohnort (sein erlöstes Volk) sollte auf der festen Grundlage der Erlösung ruhen. Diese Notwendigkeit wird schon dadurch stark betont, dass man nur zu seinem Volk gehörte, wenn das Lösegeld gezahlt worden war. Das galt ohne Ausnahme, und keine Entschuldigung konnte geltend gemacht werden. Weder durften die Reichen mehr bezahlen noch die Armen weniger als den ½ Sekel.23 Wenn Gott ein erlöstes Volk haben soll, um unter ihnen zu wohnen, muss es entsprechend seinen und nicht unseren Gedanken geschehen. Der Preis sollte ½ Sekel bzw. 10 Gera betragen, nach dem Sekel des Heiligtums, das heißt der göttlichen Schätzung. Der Mensch könnte sich vorstellen, dass etwas anderes für seine Erlösung besser geeignet sei: seine eigenen Werke, Empfindungen, seine Würde oder Treue. Aber Gottes Heiligkeit und Gerechtigkeit lassen es nicht zu, dass der arme Mensch so getäuscht wird. Die Grundlage muss der Einschätzung Gottes, das heißt der Sekel dem Gewicht des Heiligtums entsprechen.
Beachten wir, dass der Preis 10 Gera betrug. Wir sind dieser Zahl bereits bei der Höhe der Bretter begegnet und haben ihre Bedeutung gesehen. Wie bei den zehn Geboten geht es um den göttlichen Maßstab der Verantwortung des Menschen. Die zehn Teppiche hatten uns gezeigt, wie vollkommen Christus dieser Verantwortung entsprochen hat. Ein Lösegeld muss dieser Verantwortung gerecht werden, weil es sonst vor Gott keinen Nutzen hat. Der Gesetzgelehrte, der „sich selbst rechtfertigen wollte“, halbierte das Gesetz und fragte: „Und wer ist mein Nächster?“ (Lk 10,29). Er lässt Gott außen vor, dem Einzigen, vor dem der Mensch gerechtfertigt werden muss. Und wie verbreitet ist dieser Gedanke! Man begegnet ihm fast überall. Das Gewissen der Menschen scheint hinsichtlich der Ansprüche Gottes eingeschlafen zu sein. Sie geben vor zu denken, dass die Erfüllung ihrer Pflicht gegenüber ihren Mitmenschen (und selbst das entsprechend ihrer eigenen Einschätzung) eine gute Grundlage für die Annahme vor Gott sei!
Doch selbst wenn ein Mensch seiner Verantwortung gegenüber seinen Mitmenschen völlig entsprechen würde, in der Lage wäre, seinen Nächsten zu lieben wie sich selbst, würde er damit auch seiner Verantwortung Gott gegenüber gerecht werden? Indem Gott den Menschen in seinem Bild schuf, erklärte Er den absoluten Anspruch auf den Menschen in vollkommener Ergebenheit und Hingabe. Kann der Mensch gegenüber dem heiligen Willen seines Schöpfers und Erhalters unabhängig oder gleichgültig sein und schuldlos bleiben? Der Gehorsam gegenüber Gott muss dabei ebenso wie Er selbst sein: in jeder Hinsicht vollkommen. Nur so ist er für Ihn annehmbar. Damit sind alle „dem Gericht Gottes verfallen“ (Röm 3,19), denn keiner hat sein Gesetz auf diese Weise gehalten noch ist der gefallene Mensch dazu überhaupt in der Lage. Deshalb braucht er das, was Gott in seiner Liebe bereitgestellt hat: ein Lösegeld, das all dem vollkommen entspricht, worin der Mensch völlig versagt hat; ein Lösegeld, das von Gott bereitgestellt wird und deshalb vollkommen wie Er selbst ist.
Jedes Kind Gottes weiß, was das Lösegeld ist. Es ist das, was dem Fluch des gebrochenen Gesetzes begegnet. Doch „Christus hat uns losgekauft von dem Fluch des Gesetzes, indem er ein Fluch für uns geworden ist, denn es steht geschrieben: „Verflucht ist jeder, der am Holz hängt!“ (Gal 3,13). Während der Mensch die 10 Gera seiner Verantwortlichkeit also nie bezahlt hat und nie bezahlen konnte, hat Christus sie entsprechend der göttlichen Schätzung vollumfänglich bezahlt und damit das vollkommene Lösegeld bereitgestellt. Dieses Sühngeld bildet die feste und ewige Grundlage, auf der der schuldigste Sünder, der an Ihn glaubt, ruhen kann. Davon sprechen die 10 Gera Silber bildlich. Das Gegenbild finden wir in 1. Petrus 1,18.19: „Indem ihr wisst, dass ihr nicht mit vergänglichen Dingen, mit Silber oder Gold, erlöst worden seid …, sondern mit dem kostbaren Blut Christi als eines Lammes ohne Fehl und ohne Flecken.“
Wenn wir das heilige Gesetz, das unsere Verantwortung festlegt, vor uns stellen und jedes einzelne Gebot betrachten, müssen wir bekennen, dass wir völlig versagt haben, auch nur irgendeinen Teil davon einzuhalten. Wenn nicht äußerlich, haben wir es doch im Herzen gebrochen, wie unser Herr in der Bergpredigt deutlich macht. Wenn wir nun jedes einzelne Gebot durchgehen, verbinden wir es nicht mit der Bitte „Herr, sei uns gnädig und reinige unsere Herzen, um dieses Gesetz zu halten“, sondern mit den Worten „erlöst … mit dem kostbaren Blut Christi“. Jedes einzelne Gebot haben wir gebrochen, zumindest in unseren Gedanken, und in den Augen Gottes sind wir aller Gebote schuldig. Doch wir sind mit dem kostbaren Blut Christi erlöst. Auf diesem sicheren und ewigen Fundament ruhen wir. Und für alle Zeiten werden alle Erlösten erkennen, dass diese Grundlage niemals erschüttert werden kann. Diese Gewissheit bewirkt durch den Heiligen Geist Liebe und Dankbarkeit, die die Seele dazu bringen, die Sünde zu verabscheuen und im Gehorsam Gott gegenüber zu leben.
Was diese „Erlösung durch sein Blut“ (Eph 1,7) für unseren heiligen Herrn bedeutete, zeigt uns das Gleichnis der sehr kostbaren Perle in Matthäus 13,45.46. Der allgemein verbreitete Gedanke, dass der Kaufmann der Sünder ist, der die Errettung sucht, die die Perle ist – bzw. manchmal wird auch Christus darin gesehen –, ist weit von der Wahrheit und den Gedanken Gottes entfernt. Wie könnte der Sünder alles aufgeben, was er hat, um die Errettung zu erwerben – um Christus zu kaufen?! Womit könnte er denn zahlen? Er hat ja nichts außer seinen Sünden. Ist das etwa das Evangelium der Gnade Gottes? Gott sei Dank lautet das Evangelium, das Er durch seine Diener verkündigen lässt, „dass Christus für unsere Sünden gestorben ist nach den Schriften“ (1Kor 15,3) und dass „die Gnadengabe Gottes aber ewiges Leben in Christus Jesus, unserem Herrn“ ist (Röm 6,23). Wir wissen, dass es der gute Hirte ist, der sein Leben für die Schafe lässt (Joh 10,11).
Man könnte einwenden: Wenn der Kaufmann, der den Sünder sucht, Christus ist, dann muss ja die Perle, dieses wunderschöne Juwel, der Sünder sein! Ja, das stimmt. Gerade darin besteht das Wunder der göttlichen Liebe und Gnade. Niemand außer dem geübten Sammler würde wissen, dass unten auf dem Meeresgrund in der unansehnlichen Muschel die Perle liegt, die, hervorgebracht und poliert, geeignet ist, eine königliche Krone zu schmücken. Genauso konnte kein Auge außer dem unseres Herrn, das durch die dunklen Wasser des Todes drang, wo wir in dem Schmutz unserer Sünden lagen, in uns eine Schönheit sehen, die Er uns einmal selbst verleihen würde. Keine andere Macht als die seine hätte auf Kosten des eigenen Lebens hinabsteigen können, um uns heraufzubringen und passend zu machen, seine Krone der Freude in Ewigkeit zu zieren. Ja, die Perle ist die Versammlung, ebenso wie in Offenbarung 21,21, wo jedes Tor von ihr spricht.
Dies zeigt uns in der Tat, welch ein Preis für die Perle bezahlt wurde. „Denn ihr kennt die Gnade unseres Herrn Jesus Christus, dass er, da er reich war, um euretwillen arm wurde, damit ihr durch seine Armut reich würdet“ (2Kor 8,9). Wie arm wurde der Sohn Gottes? Er legte seine göttliche Herrlichkeit ab und nahm Knechtsgestalt an (Phil 2,7). Er sagte selbst, dass Er nicht hatte, wo Er sein Haupt hinlegen konnte (Mt 8,20). Als Er gefragt wurde, ob es erlaubt sei, dem Kaiser Steuer zu geben, bat Er darum, dass Ihm ein Denar gebracht wurde (Mk 12,14.15). Frauen dienten Ihm mit ihrer Habe (Lk 8,3), ein kostbares Privileg, das man auch jetzt noch haben kann, wenn man „einem der geringsten“ der Seinen dient (Mt 25,40). Doch all das beinhaltete noch nicht das ganze Ausmaß seiner Armut. Dazu müssen wir nach Golgatha sehen, wo Er unter dem Gericht Gottes für unsere Sünden sein Leben hingab. So arm wurde Er. Aus der Herrlichkeit des Himmels kam Er herab, um ein Fluch für uns zu werden. Er verkaufte wirklich alles, was Er hatte.
Hier haben wir also die silbernen Füße vor uns, die bildlich für den Preis der Erlösung stehen, den der Herr am Kreuz gezahlt hat. So wurde das Fundament gelegt, auf dem Er seine Versammlung baut und auf dem die ganze erlöste Familie Gottes ruht. „Die Pforten des Hades werden sie nicht überwältigen“ (Mt 16,18). Könnten wir auch nur einen Augenblick darüber nachdenken, auf irgendeiner anderen Grundlage zu ruhen? Hätte Mose die Bretter auf den Treibsand der Wüste gestellt? „Einen anderen Grund kann niemand legen, außer dem, der gelegt ist, welcher ist Jesus Christus“ (1Kor 3,11). Das ist die Grundlage, die Gott selbst gelegt hat und auf der jeder Gläubige gegründet ist.
23Ein Sekel entspricht ca. 12 Gramm bzw. 62 Cent im Jahr 1914 [als der Kommentar herausgegeben wurde; Anm. d. Übers.]. Einen ½ Sekel musste jeder gleichermaßen bezahlen. Gott sieht die Person nicht an (Apg 10,34) und bezüglich der Erlösung stehen alle Menschen auf der gleichen Stufe vor Gott. Die Reichen mochten den Preis nur als eine Kleinigkeit betrachten, aber er durfte nicht vernachlässigt werden. Andererseits war keiner so arm, dass es ihm unmöglich war, ihn zu zahlen. Der wesentliche Gedanke besteht darin, dass der Preis der Erlösung leistbar war und somit niemand eine Entschuldigung ließ.
Dieser ½ Sekel wird auch als „Beka“ bezeichnet (2Mo 38,26), was wörtlich übersetzt „Spaltung“ oder „Hälfte“ bedeutet. Es scheint eine Münze oder Gewichtseinheit gewesen zu sein und wurde deshalb in der gleichen Weise verwendet, wie die Amerikaner von einem „Quarter“ sprechen, das heißt von einer Münze im Wert von 25 Cent. Das Gewicht des goldenen Ohr- bzw. Nasenrings, den der Knecht Abrahams Rebekka gab, betrug 1 „Beka“ (1Mo 24,22; Anm. d. Übers.: Wörtlich steht hier in der englischen Bibel: „ein Beka eines Sekels“). Das Verb bedeutet „spalten“ bzw. „teilen“ und wird in Psalm 78,15 verwendet: „Er spaltete Felsen in der Wüste“ – eine deutliche Erinnerung an den Felsen, der für uns gespalten wurde.