Schriften von Samuel Ridout
Vorträge über die Stiftshütte (1-20)
2Mo 37,1-9 5Mo 10,1-5 - Vorträge über die Stiftshütte - Die Bundeslade
Die Stäbe –Christus als Führer unserer WanderschaftDie Stäbe –Christus als Führer unserer Wanderschaft
Es bleibt uns, ein Wort über die Stäbe zu verlieren, die beidseitig in die Ringe an den Füßen der Lade gebracht werden sollten, um sie durch die Wüste zu tragen. Wir betonen, dass es an den „Füßen“42 war, weil es nahelegt, dass die Lade, wenn sie auf den Schultern der Priester getragen wurde, so ihre Köpfe überragte und ein unübersehbarer Blickfang für das Volk war. Es ist klar, dass die Stäbe in den Ringen uns daran erinnern, dass der Herr immer mit seinem Volk zieht. Wenn sie Pilger sind, dann wird auch Er ein Pilger sein und sein Wort erfüllen, das Er spricht: „Ich will dich nicht versäumen und dich nicht verlassen“ (Heb 13,5).
Während der Wüstenreise wurden diese Stangen reichlich genutzt. Nie sollte das Volk ohne die Lade losziehen. Sie sollte vor ihnen hergehen und den Weg bezeichnen. Einmal vergaß Mose das offenbar und bat Hobab mit den Worten: „Und du wirst unser Auge sein“, sie zu begleiten (4Mo 10,29-33). Was darauf folgt, scheint einerseits eine Zurechtweisung zu sein und ist andererseits eine überaus gnädige Antwort Gottes. Während der drei Tagereisen nach ihrem Aufbruch vom Horeb zog die Lade vor ihnen her, um ihnen einen Ruheort zu erkunden. So leitet Christus in Auferstehungskraft seine Geliebten stets durch diese pfadlose Wüste. Wozu brauchen wir „Augen“, wenn ein solcher uns vorangeht?
Das Gegenteil hiervon haben wir, als das Volk sich weigert, in das Land hinaufzuziehen, nachdem die Kundschafter ein böses Gerücht darüber gebracht hatten. Das Volk blickte nur auf sich selbst und auf die Riesen im Land. So wandte es sich, mit Ausnahme von Kaleb und Josua, willentlich zurück. Und mit ernsten Worten muss Gott verkünden, dass dieses ungläubige Volk das gute Land nie betreten würde. Sie würden in der Wüste sterben. Doch dann bestehen sie in unerklärlicher Widersprüchlichkeit darauf, doch ins Land zu ziehen und es in Besitz zu nehmen. Aber Gott ist nicht ein Mensch, dass Er bereuen würde. Das Volk zieht hinauf, aber es werden die bedeutsamen Worte hinzugefügt: „Die Lade des Bundes des HERRN und Mose wichen nicht aus der Mitte des Lagers“ (4Mo 14,40-45). Das Ergebnis war eine völlige Niederlage. So wird es denen immer geschehen, die sich im Unglauben von Gott abwenden und sich anmaßen, ohne Christus den Segen beanspruchen zu können.
Eine weitere bemerkenswerte Begebenheit, bei der die Lade vor dem Volk herging, war die Überquerung des Jordan. Das war wahrlich ein neuer und unerprobter Weg für sie: „Ihr seid den Weg früher nicht gezogen“ (Jos 3,4). Die Lade ging, von den Priestern getragen, voran, und das Volk folgte mit einem Abstand von 2000 Ellen. Als die Füße der Priester, die die Lade trugen, den Jordan berührten, wichen seine Wasser zurück. Die Lade inmitten des Jordan ließ die Wasser stillstehen, bis das ganze Volk trockenen Fußes hinübergezogen war in das Land seines Erbteils (Jos 3,14-17). Die Geschichte, wie Jericho fiel, nachdem es von der Lade an sieben Tagen umzogen worden war, trägt denselben Charakter: Es ist Christus, der allein sein Volk zum Sieg führen kann. Und immer muss es einen „Abstand“ geben zwischen Ihm und selbst den Treuesten. Aaron und Mose fielen in der Wüste, aber die Lade bleibt.
Unser gelobter Herr wird somit klar als der einzig genügende Führer seines Volkes vorgestellt. Das wird besonders in der Durchquerung des Jordan hervorgehoben, des Todes- und Gerichtsflusses. Welcher Mensch, sei er auch noch so treu und ergeben, könnte vor diesem schrecklichen Strom bestehen, wenn nicht Christus zuvor dagewesen wäre, damit sein Volk trockenen Fußes Ihm nach hindurchziehen kann? Dass Mose nicht ins Land hineingehen durfte, versinnbildlicht die Tatsache, dass eine einzige Missachtung des Gesetzes genügt, um einen Menschen vom Erbteil auszuschließen: „Denn wer irgend das ganze Gesetz hält, aber in einem strauchelt, ist aller Gebote schuldig geworden“ (Jak 2,10). Eine einzelne Sünde würde uns vom Himmel ausschließen, wie sie Mose von Kanaan ausschloss. Aber Gott sei Dank: Gott hielt für Mose himmlische Segnungen bereit, wenn er auch als Beispiel herhalten musste für Gottes Treue in seinen Regierungswegen.
Christus ist es also, der durch das Opfer seiner selbst den Weg zum himmlischen Erbteil geöffnet hat – das betrifft die zukünftige Herrlichkeit genauso wie den gegenwärtigen geistlichen Genuss (Eph 3). Nur Er konnte die Gewalt des Todes und Gerichtes bändigen und den Weg des Segens öffnen, der in das Erbteil hineinführt, das uns aus Gnaden bereitet ist. Er ist auch der Sieger über Jericho, da Er „die Welt überwunden“ hat (Joh 16,33). Er hat seine Geliebten nicht alleingelasssen, die noch in den Kämpfen und Mühen des Weges sind.
Aber wir sehen einen Missbrauch dieser Stäbe, als in den Tagen der Richter das Volk die Lade herausbringt, um den Philistern entgegenzutreten (1Sam 4,3). Israel war in einem elenden Zustand und der Zustand des Priestertums war besorgniserregend. Die heiligen Dinge Gottes wurden verachtet. Offenbare Sünde wurde vor den Augen Gottes und der Menschen schamlos zur Schau gestellt. Sollte ein heiliger Gott mit solchen seinen Namen verbinden? Unmöglich. Vielmehr muss Er seinen Wohnort verlassen und seine Lade den Händen des Feindes überlassen. Ebenso kann der heilige Christus niemals ein „Diener der Sünde“ sein (Gal 2,17). Kann es uns verwundern, dass, wenn ungerichtete Sünde da ist, es heißt: „Du … zogst nicht aus mit unseren Heeren“ (Ps 44,10)?
Den Züchtigungen des Herrn sind durch sein Erbarmen jedoch Grenzen gesetzt, und so führt Er es, dass die Lade zurückgebracht wird. Die Philister können mit den Stäben, die nur für Priesterhände gemacht sind, nichts anfangen, und so setzen sie die Lade auf einen Wagen, mit dem sie von unwilligen Kühen zurück ins Land Israel gezogen wird. In den Tagen Davids findet sie einen Ruheort auf dem Berg Zion, und nachdem Salomo den Tempel gebaut hat, erhält sie endlich eine dauerhafte Bleibe. Ihre vorbildhaften Wanderreisen waren damit vorbei. Deshalb lesen wir: „Die Stangen waren so lang,43 dass die Spitzen der Stangen vom Heiligen aus an der Vorderseite des Sprachortes gesehen wurden; aber von außen wurden sie nicht gesehen. Und sie sind dort bis auf diesen Tag“ (1Kön 8,8). Das Verlangen Davids, des Mannes nach dem Herzen Gottes, ist gestillt. Die Sache, derentwegen er seinen Augen keinen Schlaf gestattete (Ps 132,4), erfüllte sich ihm nach all seiner Bedrängnis nun, und in der Fülle seiner Freude sagt er vorausahnend: „Steh auf, HERR, zu deiner Ruhe, du und die Lade deiner Stärke!“ (Ps 132,8). Gott kann in seine Ruhe erst eingehen, nachdem Er auch sein Volk hineingebracht hat. So wartet alles darauf, dass der Konflikt mit der Sünde für immer beendet ist – alles göttlich und ewig geordnet. Erst dann, und nicht eher, werden die Stäbe herausgenommen, wenn der Herr sein bluterkauftes Volk zu Ende durch die Wüste geleitet hat. Es „bleibt eine Sabbatruhe dem Volk Gottes übrig“ (Heb 4,9). Selbst dann werden die „Stäbe“ noch sichtbar sein in Erinnerungen der Vergangenheit und Anlass geben zu frischen und ewigen Ausbrüchen des Lobes. „In all ihrer Bedrängnis war er bedrängt, und der Engel seines Angesichts hat sie gerettet. In seiner Liebe und in seiner Erbarmung hat er sie erlöst; und er hob sie empor und trug sie alle Tage der Urzeit“ (Jes 63,9).
Möge Christus, die wahre Bundeslade, uns immer kostbarer werden als der Eine, in dem all unsere Schätze liegen und der sie wie auch uns selbst sicher bewahren wird auf den Tag der Herrlichkeit und Freude – zum Preise seiner Gnade!
42 Das Wort für „Füße“ (manche übersetzen es als „Ecken“) ist an dieser Stelle nicht das gewöhnliche regel, sondern paam. Es hat eine Wurzel, die „schlagen“ bedeutet, bezeichnet also den Fußauftritt. In Verbindung mit einer Zahl wird es häufig mit „soundso viele Male“ übersetzt, es wird damit also eine Zahl in Schritten oder Schlägen gemessen. In den vergleichsweise wenigen Stellen, wo es als „Füße“ wiedergegeben wird, bedeutet es in erster Linie Fußstapfen, also zurückgelegte Schritte: „Befestige meine Schritte in deinem Wort“ (Ps 119,133). Das ist vollkommen im Einklang damit, dass die Ringe sozusagen in den „Fußstapfen“ der Lade waren. Unser Herr kam hernieder, um gewissermaßen gerade jene Fußstapfen zu setzen, die sein Volk durch diese Wüste nehmen muss.↩︎
43 In der englischsprachigen King-James-Übersetzung heißt es: „Sie zogen die Stangen heraus.“↩︎