Schriften von Samuel Ridout
Vorträge über die Stiftshütte (1-20)
2Mo 30,22-33 - Vorträge über die Stiftshütte - Das Salböl
Würzrohr– im Morast der Erde, doch selbst voller Gerechtigkeit und GnadeWürzrohr– im Morast der Erde, doch selbst voller Gerechtigkeit und Gnade
Beim Würzrohr besteht kein Zweifel über die Herkunft des Wortes, denn es wird häufig und ganz vielfältig in der Schrift verwendet. Aber aus diesem Grund haben wir wenige Hinweise, die ganz spezifisch sind. Der Wortstamm bedeutet „aufrecht stehen“: Es war ein Rohr oder Halm. Das vorangestellte „Würz-“, wie beim würzigen Zimt, spricht von seinem Duft, und das scheint uns einen Hinweis auf den gemeinten Gegenstand zu geben. Solches Würzrohr, sagt man, ist im Libanon zu finden, ebenso in Indien und Arabien. Es wächst gewöhnlich auf Schlammboden, aus dem es seine namensgebenden Triebe hervorsprießen lässt. Man nimmt an, dass die „Narde“ in der Schrift das indische Würzrohr ist.
Den Duft konnte man durch das Zerstoßen der Pflanze gewinnen. Verschiedene Bedeutungen des Wortes „Rohr“ geben uns Hinweise. Es wurde für Getreidehalme verwendet (1Mo 41,5), für die „Arme“ des goldenen Leuchters (2Mo 25,32), für ein Rohr, das im Wasser schwankt (1Kön 14,15), für eine Messrute (Hes 40,3), für den Balancierstab einer Waage (Jes 40,12) und für einen Rohrstab (Jes 36,6). Der Schlamm als Nährboden wird in Jesaja 19,6 angedeutet. Die Zerbrechlichkeit des Rohrs wird benutzt, um ein Bild der Gnade dessen zu zeichnen, der ein geknicktes Rohr nicht zerbrechen wird (Jes 42,3). Die meisten Eigenschaften des Rohrs können speziell auf unseren Herrn angewandt werden: seine absolute Gerechtigkeit und Aufrichtigkeit, durch die Er zur Waage und zur Messschnur des Menschen wurde – und ihren Mangel aufdeckte, aber ihnen doch geduldig diente, ja sie in Gnaden heimsuchte.
Aber wir haben es sogleich mit dem duftenden Rohr zu tun, wenngleich die oben angeführten Qualitäten etwas von dem Wesen dieses Duftes bezeugen mögen (s.a. Jes 43,24; Jer 6,20; Hld 4,14; Hes 27,19). Sein Aufwuchs im Schlamm lässt uns an den denken, der im Schlamm dieser Welt aufrecht und zu Gottes Wohlgeruch aufwuchs. Der Mensch wächst im Schlamm auf und neigt immer wieder dahin zurück – wie der Mann mit der Mistgabel (eine Figur aus Bunyans Pilgerreise), der zur Erde niedergebeugt war und die ihm angebotene Krone der Herrlichkeit gar nicht bemerkte. Aber unser Herr hatte seine Augen und sein Herz stets nach oben zum Himmel gerichtet. Der Schlamm der Erde war bloß der Ort, an den Er für sein einzigartiges Werk gekommen war. Menschen mögen im Schlamm kriechen. Wir taten es. Ein Hiob erkannte, dass seine Selbstgerechtigkeit mit dem Schlamm der Grube überdeckt war (Hiob 9,31). Aber was auch um den Herrn herum war, es diente allein dem Kontrast zu seinem aufrechten und vollkommenen Leben, das stets zum Himmel wies. Sein Schatz, sein Ein und Alles war bei seinem Vater. Und wo immer Er ein „geknicktes Rohr“ fand, trug Er die Absicht im Herzen, es aus dem Schlamm zu heben und aufzurichten: „Auch ich verurteile dich nicht; geh hin und sündige nicht mehr!“ (Joh 8,11).
Dieses Rohr wurde vom „Tier des Schilfs“ (auch übersetzt mit „Horde der Speerkämpfer“) zerknickt (Ps 68,31). Böse Menschen nahmen, banden und zerschlugen Ihn. Aber welch ein Duft erfüllte Himmel und Erde infolge dieses Zerschlagens! Der würzige Duft des Rohrs erinnert uns auch daran, dass an unserem Herrn nichts Negatives oder Fades war. Es wäre unpassend, das schwache Wort „liebenswert“ zu benutzen, um Ihn zu beschreiben. Als der Hohepriester befahl, unseren Herrn zu schlagen, da begehrte Er weder dagegen auf noch ließ Er sich einschüchtern. Mit welch heiliger Würde schalt Er vielmehr die Ungerechtigkeit und bezeugte vor Pilatus sein Königtum. Ein himmlischer Duft durchzog den Gerichtssaal, die lebendige Kraft der Heiligkeit, als Er der Wahrheit Zeugnis gab (Joh 18,33-37).