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Handreichungen - Jahrgang 1913-1938 - Fragen und Antworten
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Handreichungen - Jahrgang 1913-1938 - Fragen und Antworten
Fragen und Antworten Band 5 - Jahrgang 1917
Luk 24 - Sie kehrten zurückLuk 24 - Sie kehrten zurück
Sie kehrten zurück (Lk 24).
Die letzten Tage sind schwere Zeiten. Verwirrung und Schwierigkeiten überall. Wie oft hören wir die Klage und Frage: „Es ist vorbei! Was sollen wir tun?“ Manche haben den Sieg des Christentums und die Bekehrung der Welt erwartet. Andere, welche die Schriftwidrigkeit solchen Gedankens sahen, erwarteten die Rückkehr der Gemeinde zu ihrer Einheit auf Erden. Statt dessen fanden sie Trennungen und Nöte und das gänzliche Versagen und Zukurzkommen des Menschen - und Trauer und Entmutigung erfüllte ihr Herz.
Ein solches Bild unserer Tage finden wir in Lk 24. Wohl wissen wir, daß die Gemeinde noch nicht da war. Der Heilige Geist war noch nicht herniedergekommen, sie zu bilden. Aber die kleine Schar, die dort zu Jerusalem versammelt war, war dieselbe Gemeinschaft, die ein wenig später durch den Heiligen Geist zu einem Leibe getauft wurde und mit der die Gemeinde Gottes auf Erden ihren Anfang nahm.
Es waren „zwei von ihnen“, die Jerusalem den Rücken wandten und ihr Angesicht nach Emmaus richteten. Nicht weit wollten sie sich wegwenden, nur 60 Stadien. Was bewegte ihr Herz? Sie waren erfüllt von den Dingen, die „sich zugetragen hatten“. Nicht Widerspenstigkeit oder Eigenwille wirkten in ihnen, aber sie konnten mit ihren Sinnen nicht erfassen, was geschehen war. Trauer, Entmutigung und Verwirrung überfiel sie.
Laßt uns beachten, es waren „zwei von ihnen“, zwei von der Jüngerschar zu Jerusalem, die ihren Platz aufgaben. Sie wandten sich weg, als ob alles verloren und vorbei sei. Es war so ganz anders gekommen, als wie sie es erwartet hatten. Nun waren sie tief enttäuscht. Sind sie nicht ein Bild vieler in unseren Tagen, die auch zur Gemeinde Gottes gehören? Sie sind Glieder des Leibes Christi, aber in bezug auf ihre Stellungnahme als solche sind sie niedergeschlagen, durch die Dinge, die geschehen sind, so entmutigt und verwirrt, daß, obgleich sie „zwei von ihnen“ sind, sie doch ihren Rücken der Gemeinde zuwenden und ihr Angesicht nach Emmaus richten. Und wo liegt der wirkliche Grund? Da, wo er bei den Emmausjüngern lag: „Ihre Augen wurden gehalten, so daß sie Ihn nicht erkannten.“
Vergißt der Herr diese beiden Wanderer? Während sie sich unterhalten über das, was sich zugetragen hatte, naht sich Jesus und geht mit ihnen. Wie zart fragt Er nach ihrer Traurigkeit! Ist Er nicht heute noch Derselbe? Ist Seine Liebe verändert? Wollen wir nicht mit David bitten: „Lehre mich Deinen Weg!“? (Ps 86,11) Sie hatten wenig Verständnis, und ihr Glaube an Seine Auferstehung war sehr schwach. Wie achtet Er auf jedes ihrer Worte. Eines, was Er tadelt, war die Trägheit ihres Herzens, „zu glauben an alles, was die Propheten geredet haben“. „Und von Moses und von allen Propheten anfangend, erklärte Er ihnen in allen Schriften das, was Ihn betraf.“ Hat Er nicht Ursache, auch heute solche niedergeschlagenen Herzen dieserhalb zu tadeln? Welche Liebe, ihnen die Schriften zu öffnen und zu zeigen, daß nichts geschehen war, was nicht in den Schriften zuvor gesagt worden war. Ja, kann nicht der Grund jeder Enttäuschung und Niedergeschlagenheit darin gefunden werden, daß wir die Schriften nicht kennen? Sie verstanden die Schriften nicht und sie kannten Ihn nicht.
So nahten sie dem Dorfe, wohin sie wollten. Geduldig ging Er an ihrer Seite. Er sagte nicht: „Ihr seid ganz verkehrt“. So machen wir es, aber Er hatte ihnen besseres zu sagen. Er fing nicht bei ihrem Wege an. Er fing bei der Schrift an und öffnete ihnen dieselbe. Nach außen sah man zunächst noch keine Wandlung, aber innen wurde das Herz warm, da fing das Feuer an zu brennen. Welche Liebe, welche Zartheit vom Herrn! Er überließ sie nicht ihrem Unverstand. Ihr Vorsatz war ausgeführt. Das Dorf lag vor ihnen. Hier wollten sie bleiben abseits von den Jüngern in Jerusalem - sie für sich allein. Sie hatten ihr Ziel erreicht, aber Sein Weg war noch nicht zu Ende. Sie merken es: Ihr Ziel war nicht Sein Ziel, und nun kommt die Wirkung Seines Dienstes hervor: sie möchten den Ungekannten in ihrer Mitte behalten. Ihre Herzen waren brennend geworden, aber ihre Augen waren noch geschlossen.
Aber dann - was war das für ein Wechsel, als ihre Augen aufgetan wurden und sie Ihn erkannten: „Zur selbigen Stunde standen sie auf und kehrten nach Jerusalem zurück.“ So ist es auch mit uns. Wenn wir den Herrn nicht in der Mitte der Gemeinde erkennen, können auch wir abseits für uns allein stehen und Jerusalem den Rücken wenden. Aber in dem Augenblick, wo wir Ihn erkennen, wenden wir unser Angesicht Seiner Gemeinde zu. Und das ist des Herrn Ziel mit uns.
Diese beiden Jünger sind das Bild vieler Gläubigen unserer Tage. Da sind solche niedergeschlagenen Herzens, bestürzt über die Dinge, die geschehen sind. Ihre Gedanken sind nur beschäftigt mit Kirchen und Parteien, mit dem Streit, der Uneinigkeit und den Spaltungen, aber sie wissen nicht den Weg aus dem Wirrsal, sie kennen, wie die beiden Jünger, nicht die Schriften und Den, der sie ihnen öffnete. Wieder andere sind so hingenommen von Personen, von Dingen und Formen, gehen so auf in der eigenen Arbeit - Vereinen und Stunden - daß der HErr, das Zeugnis der Schriften, die Gemeinde gänzlich daneben stehen. O möchten diese alle den Herrn in Seiner Liebe anschauen! Er will solche zur Schrift führen und wecken für das, was Ihm so teuer ist. Die Herzen würden bald brennend werden und Ihn erkennen. Und wir können nicht Ihn kennen, ohne daß wir hingezogen werden zur Gemeinde, die Sein Leib ist. Gibt es etwas auf dieser Erde, was Seinem Herzen so teuer ist wie Seine Gemeinde? Bewegt Sein Geist nicht auch dein Herz für das, was Ihm so wert ist? Denke an Seine Liebe, mit der Er die Gemeinde liebt (Eph 5,25), und auch du wirst deinen Weg zu ihr finden. Es ist unmöglich, Ihn zu kennen und an Seiner Gemeinde vorüberzugehen, die Er liebt. Äußerlich mögen wir dort nichts Anziehendes finden, aber wir müssen dort sein, wo es Seine Freude ist, Sich zu offenbaren und dem Vater zu lobsingen (Heb 2,12). „Zur selbigen Stunde standen sie auf und kehrten nach Jerusalem zurück.“ Woher kam es? Wer hatte es ihnen gesagt? Sie kannten Ihn! und somit Sein Wohlgefallen! Alle Müdigkeit, Niedergeschlagenheit und Enttäuschung blieb in Emmaus. Zu der kleinen Gemeinschaft zurückgekehrt, werden sie mit der freudigen Kunde begrüßt: „Der Herr ist wirklich auferweckt.“ Und sie fangen an, die Geschichte ihrer Niedergeschlagenheit und ihres Weges zu erzählen, „und wie Er von ihnen erkannt worden war an dem Brechen des Brotes“. Ist es nicht köstlich, wenn auch in unseren Tagen Seelen von Seiner Liebe erzählen, wie Er sie zurück zum Kreise Seiner Jünger geführt hat? Wie berührte dies Sein Herz! Während sie noch solches redeten, stand Er Selbst in ihrer Mitte und spricht zu ihnen: „Friede euch!“ Er Selbst in ihrer Mitte, das war besser und mehr als das irdische Heiligtum in der Stadt, besser als der Tempel mit seinen Priestern und Einrichtungen, besser, größer wie der Himmel ist als die Erde. Was ist ein weltliches Heiligtum, wenn Gott nicht mehr drinnen und Jesus in der Mitte der zwei und drei ist, die in Seinem Namen zusammenkommen? Sind wir so versammelt zu Ihm, dem Heiligen und Wahrhaftigen hin? Ist es nicht heute noch wahr, daß Er in solcher Mitte die köstlichen Worte spricht: „Friede euch!“ Hören wir nicht in der Nacht und dem Sturm Seine Stimme: „Ich bin's; fürchtet euch nicht!“ (Mt 14,27)
In welchem Gegensatz stand diese kleine Schar zu der sie umgebenden religiösen Welt! Fromm hielt die Menge, nachdem sie den Sohn Gottes gekreuzigt hatten, ihre Gottesdienst. Mit Eifer wurden die feierlichen Gebräuche nach väterlicher Weise aufrecht erhalten. Alles, was Auge und Ohr lieblich zu berühren vermochte, war dort. Was hatten sie demgegenüber? Soll ich sagen: sie hatten nichts als nur Jesus? O nein! Sie hatten alles, sie hatten Ihn Selbst, den Auferstandenen, das Haupt und den Anfang der neuen Schöpfung. Wo bist du, lieber Leser? Wo die fromme Welt ist, oder wo Jesus ist? Er kommt in die Mitte derer, die sich zu Ihm versammeln.20 Er ist wirklich und wahrhaftig dort, wenn auch nicht dem Auge sichtbar. Sie „wurden von Furcht erfüllt“. Ja, es ist ein Moment heiliger Furcht, wenn eine Seele von der Welt abgesondert in die Gegenwart des Herrn gebracht ist und Seine Stimme hört: „Friede euch!“ Wer kann diese wunderbare Stille beschreiben, diesen Frieden, der die Seele derer durchströmt, denen Seine Gegenwart inmitten der Gemeinde Wirklichkeit ist!
Wie erforschend ist aber auch Seine Frage: „Was seid ihr bestürzt, und warum steigen Gedanken auf in euren Herzen?“ Bekümmertes Herz, was antwortest du dem Herrn? Warum bist du bestürzt? Sind es deine Sünden? Er hat sie am Kreuz getragen. Er sagt: „Sehet Meine Hände und Meine Füße!“ Sagen dir diese nicht genug? - Oder bist du bestürzt über die Verwirrung und die Spaltungen unter den Gläubigen? Er spricht auch zu dir: „Friede euch!“ Wo Er in der Mitte ist, da ist Friede. Nichts vermag diesen Frieden zu brechen. Alles, was ihn rauben möchte, muß in Seiner Gegenwart verschwinden. Wie könnte es anders sein. Wunderbar ist die Gegenwart des Herrn und köstlich für die Seele, die in dem Bewußtsein Seiner Gegenwart ruht. Weisen und Klugen ist dies verborgen, aber den Unmündigen ist es offenbart. Kennst du etwas davon? Wo Er ist, da gibt es keine Schwierigkeit mehr, da ist Friede. Beachte, nicht in Emmaus wurde ihnen Sein „Friede euch!“ zuteil, sondern in der Mitte der kleinen Genossenschaft, die Seine Gemeinde vorbildete.
So wie diesen Zweien, so geht der Herr auch heute noch den einzelnen nach, die zweifelnd an allem und mutlos geworden, für sich allein stehen möchten. Er lehre es auch uns, solchen nach dem Vorbilde Seiner Liebe nachzugehen und zu begegnen. Er schenke uns allen geöffnete Augen, die Herrlichkeit Seiner Person zu erkennen, und daß uns die Gegenwart Seiner Person in unserer Mitte genug ist und wir nichts von der Welt oder den Menschen noch begehren neben Ihm.
S. - K.
20 Siehe auch Band IV, S. 68ff.↩︎
Erstellt: 11.09.2024 19:18, bearbeitet: 11.09.2024 19:26