ALLGEMEINES
Dieser Brief ist trotz seiner Kürze wohl die meistangefochtene Schrift des Neuen Testaments. Ganz besonders die Verfasserfrage hat von jeher die Gemüter beschäftigt. Der Inhalt des Briefes lässt auf alle Fälle das seelsorgerliche Verantwortungsgefühl eines grossen, bekannten Seelenhirten erkennen.
Luther sagt in seiner Predigt über «die ander Epistel St. Petri»:
«Also ist uns diese Epistel zur Warnung geschrieben, dass wir den Glauben durch gute Werke beweisen, also doch, dass wir nicht auf die Werke trauen.»
VERFASSER
Er stellt sich selbst vor als «Simon Petrus, ein Knecht und Apostel Jesu Christi» (2Pet 1,1). Mehrmals erinnert er daran, dass er Jesus gekannt hat und ein Augenzeuge seines Lebens war. Er zählt sich zu den wenigen, die seiner Verklärung auf dem Berge beiwohnten
(2Pet 1,16-18). Den Apostel Paulus nennt er seinen Bruder
(2Pet 3,15). 2Pet 1,14, wo er auf sein nahes Ende hinweist, erinnert an Joh 21,18.
Der Verfasser nimmt auch Bezug auf einen ersten Brief, den er geschrieben hat (2Pet 3,1), womit offenbar der 1. Petrusbrief gemeint ist.
Diese starken inneren Hinweise lassen uns trotz der Armut der geschichtlichen Überlieferungen (siehe Echtheit) Petrus als den Verfasser dieser Schrift erkennen.
EMPFÄNGER
Die Empfänger sind nach 2Pet 1,1 und 3,1 diejenigen des ersten Briefes, also die Gläubigen der kleinasiatischen Gemeinden. Die Anrede bezeichnet sie als Menschen,
«die den gleichen wertvollen Glauben wie wir auf Grund der Gerechtigkeit unseres Gottes und Heilands Jesus Christus empfangen haben» (Menge).
ABFASSUNG
Der Ort der Abfassung ist nirgends genannt. Nach 2Pet 1,13-15 erwartet der Verfasser sein baldiges Abscheiden. Da Petrus nach glaubwürdigen Quellen im Jahr 65 in Rom den Märtyrertod erlitt, können wir annehmen, dass der Brief in der letzten Zeit seiner
2. Gefangenschaft, d. h. im Jahr 64 oder 65 n. Chr., in Rom geschrieben wurde.
ECHTHEIT
Die Echtheit des Briefes ist von der Forschung stark beanstandet worden, und zwar aus äusseren und inneren Gründen. Wir fassen die wesentlichen hier kurz zusammen:
Die Sprache ist ein vorzügliches Griechisch und soll, ebenso wie der Stil und die Gedankenwelt, verraten, dass der Verfasser im
2. Jahrhundert gelebt habe und infolgedessen auf keinen Fall Petrus sein könne.
Das besondere Kennzeichen der im Brief bekämpften Irrlehrer ist, dass sie die Wiederkunft leugnen, weil sie sich so lange hinauszieht. Diese Haltung sei typisch für .eine spätere Epoche und treffe auf alle Fälle nicht auf die Zeit der Apostel zu.
Im ersten Brief sei die Wiederkunft Christi vom Verfasser als ein nahe bevorstehendes Ereignis erwähnt; im zweiten Brief dagegen habe die lebendige Hoffnung einer nüchternen Erkenntnis Platz gemacht.
Der schlagendste Beweis, dass diese Schrift nicht von Petrus sei, soll in der auffallend grossen Ähnlichkeit des 2. Kapitels mit dem Judasbrief zu finden sein. Manche Forscher behaupten, dass dieses Kapitel nur eine Umarbeitung des Judasbriefes sei, was bei einer Persönlichkeit wie Petrus nicht denkbar wäre.
Diesen Überlegungen, die uns in keiner Weise überzeugen, können wir andere entgegenhalten:
Das ausgezeichnete Griechisch könnte, genau wie beim ersten Petrusbrief, darauf zurückzuführen sein, dass Petrus einen seiner griechischen Mitarbeiter mit der endgültigen Abfassung beauftragte (1Pet 5,12). Und wer will heute entscheiden, ob ein Mann vom Format des Petrus sich nicht auch mit den Jahren ein gepflegtes Griechisch aneignen konnte?
Mit Irrlehrern, die die Wiederkunft Jesu Christi leugneten, hatte schon Paulus sich im zweiten Thessalonicherbrief (51—52 n. Chr.) auseinanderzusetzen.
Zahlreiche innere Beweise zeigen, dass die Wiederkunft Christi nicht eine blosse Erkenntnisfrage, sondern eine lebendige Hoffnung darstellte (2Pet 3,9-14).
Die Beziehungen zum Judasbrief haben nichts Absonderliches; es ist sehr gut möglich, dass Petrus dieses Schreiben kannte. Als Judas seinen Brief schrieb, entwickelte er die Gedanken, die den Gegenstand ihrer gemeinsamen Unterredungen gebildet hatten; und als Petrus seinerseits später dieselben Fragen erörterte, gebrauchte er möglicherweise den Judasbrief, um die gleichen Gedanken wiederzugeben.
Diese Zusammenarbeit zweier Apostel, die dieselben Gemeinden besucht hatten, ist nicht nur möglich, sondern wahrscheinlich.
Der grosse Bibelausleger J.A. Bengel kommt, nachdem er die Frage der Abhängigkeit der beiden Briefe voneinander betrachtet hat, zu dem Schluss, dass Petrus und Judas sich in ihrem Zeugnis genau so ergänzen und bestätigen wie Petrus und Paulus. Die Apostel haben nur ein Zeugnis, sie predigen nur einen Herrn.
Die äusseren Beweise für die Echtheit des 2. Petrusbriefes sind besonders in den ersten zwei Jahrhunderten sehr spärlich. Der Brief wird erst am Anfang des dritten Jahrhunderts mit den allgemein anerkannten neutestamentlichen Büchern genannt.
Wir finden einige Hinweise und Andeutungen bei den Kirchenvätern im Clemensbrief und im Hirten des Hermas. Spuren von ihm zeigen sich bei Theophilus von Antiochien und bei Firmilian von Cäsarea. Der gut unterrichtete und gewissenhafte Origenes redet von den
«zwei Briefen des Petrus» und zitiert sie mehrmals, indem er beifügt: «wie die Schrift sagt».
Eusebius zählt die Petrusbriefe zu den «Katholischen Briefen», allerdings mit einer gewissen Zurückhaltung. In seinem Katalog führt Hieronymus den 2. Petrusbrief auf und bezeugt damit seine Echtheit.
Am Konzil zu Laodizea wurde der Brief allgemein anerkannt und 'in die kanonischen Bücher eingereiht.
ZWECK UND ZIEL
Anlass zu diesem zweiten Schreiben gibt das Auftreten von Irrlehrern, die die christliche Freiheit als Vorwand für ein sündhaftes Leben missbrauchen. Die Botschaft der Wiederkunft Jesu Christi wird von den einen als Betrug bezeichnet (2Pet 3,3-4) und von den andern als falsche Hoffnung lächerlich gemacht (2Pet 3,9-10). Das Ziel des Petrus ist, mit diesem ernsten Mahnbrief dem Treiben und der Lehre der Irrlehrer Einhalt zu gebieten und zugleich die Christen darauf aufmerksam zu machen, dass die Wiederkunft Jesu Christi ein Ereignis von ernster Bedeutung ist.
INHALT UND EINTEILUNG
Einleitung: Anschrift und Segenswunsch 2Pet 1,1-2
1. Ermahnung zu beständigem Wachstum 2Pet 1,3-21
Die grossen christlichen Tugenden 2Pet 1,3-11
Des Apostels Bereitschaft 2Pet 1,12-15
Der feste Grund 2Pet 1,16-21
2. Die Irrlehrer 2Pet 2,1-22
Ihr Einfluss 2Pet 2,1-3
Ihre Strafe 2Pet 2,4-11
Ihre Kennzeichen 2Pet 2,12-22
3. Die Wiederkunft Christi 2Pet 3,1-13
Die Leugner 2Pet 3,1-6
Die Verzögerung 2Pet 3,7-10
Die Bereitschaft 2Pet 3,11-13
Schluss: Letzte Ermahnungen 2Pet 3,14-18
Schlüsselwort: Erkenntnis
Schlüsselvers: «Seine göttliche Kraft hat uns ja doch alles, was zum Leben und zur Frömmigkeit erforderlich ist, durch die Erkenntnis des geschenkt, der uns durch seine Herrlichkeit und Vollkommenheit berufen hat» (2Pet 1,3).
VERSCHIEDENES
Die Erkenntnis Gottes
Da die Empfänger des Briefes Gefahr liefen, sich von den verderblichen Lehren der Irrlehrer verführen zu lassen, versteht man, dass der Apostel Petrus die Notwendigkeit einer vollen Erkenntnis «dessen, der sie berufen hat» (2Pet 1,3), mit soviel Nachdruck betont.
Grundlagen unserer Erkenntnis Gottes
Die köstlichen Verheissungen 2Pet 1,3-4
Das Zeugnis der Propheten 2Pet 1,19-20
Das Zeugnis der Heiligen Schrift 2Pet 1,20-21
Mittel, um diese Erkenntnis zu erwerben
Früchte der Erkenntnis
Vermehrung der Gnade und des Friedens 2Pet 1,2
Göttliche Kraft zum göttlichen Wandel 2Pet 1,3
Befähigung, mit der Welt zu brechen 2Pet 2,20
Erleuchtung über die Person Jesu Christi 2Pet 1,8; 2,20
Klarheit über den Weg der Gerechtigkeit 2Pet 2,21
Die Irrlehrer
Ihre falsche Lehre
Verwerfen des Erlösertodes Jesu 2Pet 2,1
Leugnen der Wiederkunft Jesu 2Pet 3,4
Einführung des Sektengeistes 2Pet 2,1
Ihre Merkmale
Lügenreden und Habsucht 2Pet 2,3
Verkehrtheit und Ungerechtigkeit 2Pet 2,10-13
Unsittlichkeit und Geiz 2Pet 2,14-16
Ehrgeiz und Arglist 2Pet 2,17-19
Rückfall und Abfall 2Pet 2,20-22
Ihr verderblicher Einfluss
Viele fallen ihnen zum Opfer 2Pet 2,2a
Das Zeugnis der Wahrheit wird verlästert 2Pet 2,2b
Ihre gerechte Strafe
Sie ist unvermeidlich 2Pet 2,3b
Sie ist notwendig wie
Gericht über die Engel 2Pet 2,4
die Sintflut über die Gottlosen 2Pet 2,5
das Feuer über Sodom und Gomorrha 2Pet 2,6Sie ist schrecklich 2Pet 2,9