ALLGEMEINES
Der Name Obadja heisst «Knecht des Herrn». Über seine Herkunft und seine Verhältnisse ist uns nichts Bestimmtes gesagt. Die jüdische Überlieferung verwechselt ihn bald mit Obadja, dem Hofmeister des gottlosen Königs Ahab (1Kön 18,3), bald mit einem der Fürsten, die nach 2Chr 17,7 mit der Lehre des Gesetzes in den Städten Judas beauftragt waren. Ein dritter Obadja, ein Levit aus dem Geschlecht Merari, war vom König Josia über die Arbeiter gesetzt, die den Tempel wiederherstellen sollten (Neh 10,5; 12,25).
ZEITABSCHNITT
Der geschichtliche Anhaltspunkt ist das Volk Edom, das unter der Herrschaft Davids unterworfen wurde (1Kön 11,15) und nun bei einer Eroberung Jerusalems die Stunde gekommen sah, sich von dem Joch zu befreien. Über den genauen Zeitpunkt sind sich aber nicht alle Ausleger einig. Zwei Ansichten seien hier erwähnt: Die erste sieht den Zeitpunkt unmittelbar nach der Zerstörung Jerusalems unter Nebukadnezar (586), als die Edomiter eine feindselige Haltung gegen das Brudervolk der Juden einnahmen
(Klgl 4,21-22; Hes 25,12-14; 35,1-9; 36,5).
Die zweite Ansicht ist, dass Obadja unter König Joram von Juda prophezeit habe. Der Aufstand der Edomiter, der in Obadja 10-11 aufgezeichnet ist, fand unter Joram (843) statt. Joram schlug zwar die Edomiter, aber sie unterwarfen sich trotzdem nicht mehr der Herrschaft Judas. Kurz darauf drangen Philister und Araber bis Jerusalem vor und plünderten die Stadt (2Chr 21,8-10.16-17). Sie lieferten die Einwohner den Edomitern aus, die den Anlass zur Rache missbrauchten (Amos 1,6-12) und über die Niederlage des Brudervolkes triumphierten.
VERFASSER
Der Verfasser des Buches ist uns unbekannt, doch haben wir keine Bedenken, anzunehmen, dass Obadja seine Schrift selbst verfasst hat. Gegen die Echtheit des Buches können keine überzeugenden Gründe vorgebracht werden, und sein kanonisches Ansehen ist nie bestritten worden.
BOTSCHAFT
Obadja zeichnet ein drastisches Bild von Edoms Feindseligkeit und kündet der Nachkommenschaft Esaus eine völlige Ausrottung an. Israel hingegen weissagt er ein ganz anderes Los; denn trotz seiner vielfachen Untreue bleibt es dennoch Gottes Volk, das er lieb hat und dessen Feinde er umbringen wird. Mit ihm wird Gott sein Weltreich der Gerechtigkeit, der Heiligkeit und des Friedens aufrichten, dessen Mittelpunkt der Berg Zion sein wird.
EINTEILUNG
1. Das Gericht über Edom Obadja 1-16
Die Gewissheit des Gerichts Obadja 1-9
Die Ursache des Gerichts Obadja 10-14
Die Art des Gerichts Obadja 15-16
2. Die Befreiung Israels Obadja 17-21
Israels Sieg Obadja 17-18
Israels Besitzungen Obadja 19-20
Israels Befestigung Obadja 21
Schlüsselwort: Vergeltung
BESONDERE MERKMALE
Hier stossen wir zum erstenmal auf die zwei grossen Gedanken, die den Kernpunkt der messianischen Weissagungen bilden werden:
den Begriff vom «Tag des Herrn», Tag des gerechten
Gottesgerichts über die Nationen, undden Begriff einer «Gemeinschaft von Überlebenden», durch
die das Reich Gottes auf der ganzen Erde aufgerichtet und
sämtliche irdischen Reiche aufgelöst werden sollen.
VERSCHIEDENES
Praktische Lehren
Es ist sinnlos, gegen Gott und sein Volk ankämpfen zu wollen;
am Ende wird doch er immer der Stärkere sein.
Gott nimmt die Interessen der Seinen in die Hand.
Sich über das Unglück eines anderen freuen, ist Sünde gegen Gott.
Das gegenwärtige Dunkel wird nicht ewig dauern; der Tag naht. Die Zukunft gehört Gott; er wird über die ganze Welt herrschen.