ALLGEMEINES
Der Name Maleachi ist im Hebräischen nicht üblich. Maleachi bedeutet einfach «Mein Bote» oder «Mein Engel» (Mal 2,7; 3,1). Über die Person des Propheten ist uns nichts bekannt. Die jüdische Überlieferung reiht ihn mit Haggai und Sacharja unter die grossen Männer der Synagoge ein, die aus der babylonischen Gefangenschaft zurückkamen und mit Esra an der Sammlung der alttestamentlichen Schriften beteiligt waren. Auf alle Fälle scheint dieser «Gottesbote» ein grosser Lehrer und Kenner der Volksseele gewesen zu sein.
ZEITABSCHNITT
Die religiös-moralischen Zustände, die Maleachi schildert, entsprechen ganz den Aufzeichnungen Nehemias. Das Volk ist aus der babylonischen Gefangenschaft zurückgekehrt, der Tempel wieder aufgebaut; viele sind mit fremden Frauen verheiratet, und wenn sie sich auch nicht dem Götzendienst zugewandt haben, so herrscht doch Formalismus und religiöse Gleichgültigkeit unter ihnen. Vergleiche:
Mal 2,8 mit Neh 13,29 | Verderbnis des Gottesdienstes |
Mal 2,11-12 mit Neh 13,23-25 | Mischehen |
Mal 3,8-10 mit Neh 13,10 | Untreue im Entrichten der Abgaben |
Warum aber enthält das Buch Nehemia keinerlei Hinweise auf Maleachi? Wir wissen durch Neh 13,6, dass Nehemia für einige Jahre an den Hof des Artaxerxes zurückkehren musste und dass er bei seiner Rückkehr die am Schluss seines Buches erwähnten Mißstände vorfand. Maleachi wirkte also vermutlich entweder während der Abwesenheit Nehemias oder kurz nach dessen Rückkehr nach Jerusalem, ungefähr 433 v. Chr.
VERFASSER
Die Tatsache, dass wir gar nichts wissen über die Person des Verfassers, hat viele Ausleger veranlasst, gänzlich an der Geschichtlichkeit eines Propheten namens Maleachi zu zweifeln. Da dieser Name «Mein Bote» bedeutet und in Mal 3,1 auch in diesem Sinne gebraucht ist, hat man angenommen, der Verfasser habe seinen wahren Namen hinter diesem Pseudonym verbergen wollen. Schon die alten griechischen Übersetzer der Bibel (die «Siebzig») scheinen diese Ansicht geteilt zu haben; sie übersetzen den Titel des Buches folgendermassen: «Spruch der Worte des Herrn über Israel durch Vermittlung seines Engels (oder seines Gesandten)». So vermeiden sie es, Maleachi als Eigennamen zu gebrauchen, und machen daraus ein gewöhnliches Hauptwort; ausserdem ersetzen sie das Fürwort in der 1. Person durch ein solches in der 3. Person, um so den Titel des Buches nicht Gott selbst in den Mund zu legen. Hieronymus, zu dessen Ansicht Calvin neigt, erblickt in dem Namen «Mein Gesandter» eine Benennung, hinter der sich der Gelehrte Esra versteckt. Prof. F. Godet äussert sich hierzu folgendermassen: «Diese Begründungen scheinen uns ungenügend. Der Name Maleachi kann trotzdem sehr wohl ein Eigenname gewesen sein. Aus gewissen Vergleichen ergibt sich, dass man ihn als eine Abkürzung von Maleachia = «der Gesandte Jahwes» betrachten kann, und folglich als den wahren Namen des Verfassers. So wie manche Propheten (zum Beispiel Zephanja und Micha) in ihren Prophezeiungen Anspielungen auf ihren eigenen Namen machen (Micha 7,18;
Zeph 2,3), so wollte möglicherweise auch unser Prophet in Mal 3,1 seinen Namen andeuten... In dem Verfasser des Buches Esra zu erkennen, fällt uns schwer, wenn wir den Abstand ermessen zwischen einem Schriftgelehrten und einem Propheten.»
BOTSCHAFT
Die sittliche, religiöse und wirtschaftliche Not Israels ist die Frucht seines Abfalls von dem Gott seiner Väter. Trotz Israels Untreue bleiben jedoch die Verheissungen Gottes bestehen. Sie finden aber erst Erfüllung, wenn Israel sich wieder zu Gott bekehrt (Mal 3,7).
Maleachis Predigten, die nur skizzenhaft aufgezeichnet sind, stellen die Gemeinde Israel in ihrer Anfechtung, Untreue und Abweichung unmittelbar vor Gott selbst. In einer siebenfachen Offenbarung seiner Person und Majestät tritt Gott in der Botschaft seines «Boten» vor das Volk:
Gott, der Liebende | Mal 1,2 | Gott, der Segnende | Mal 3,10 |
Gott, der Vater | Mal 1,6 | Gott, der Erlöser | Mal 3,17.20 |
Gott, der Schöpfer | Mal 2,10 | Gott, der Gesetzgeber | Mal 3,22 |
Gott, der Richter | Mal 2,17; 3,5 |
EINTEILUNG
Einleitung: «Ich habe euch lieb!» Mal 1,1-5
1. Gerichtsbotschaft Mal 1,6 - 2,16
Verurteilung der Opfer Mal 1,6-14
Verurteilung der Priester Mal 2,1-9
Verurteilung der Ehescheidungen und Mal 2,10-16
Mischehen
2. Verheissungsbotschaft Mal 2,17 - 3,21
Das Läuterungsgericht Mal 2,17 - 3,6
Der Segen des Zehnten Mal 3,7-12
Der Tag des Herrn Mal 3,13-21
Schluss: «Siehe, ich will!» Mal 3,22-24
Schlüsselwort: Untreue
CHRISTOLOGIE
Christi Erscheinen, sein Werk und seine Wiederkunft sind der Höhepunkt der Botschaft Maleachis:
Er wird in seinen Tempel kommen Mal 3,1
Er wird Israel vorher läutern Mal 3,2-3
Er wird die Sünder bestrafen Mal 3,5
Er wird die aufgehende Sonne der Gerechtigkeit sein Mal 3,20
BESONDERES MERKMAL
Die Gesprächsform
Eine Eigentümlichkeit der Predigt Maleachis ist ihre Form: das Zwiegespräch. Maleachi führt jeweils zuerst die Meinungen des Volkes an (Mal 1,2.6. 7.13; 2,14.17; 3,7.8.13.14), um sie alsdann zu widerlegen. Dadurch deckt er die Konflikte und Sünden des Volkes auf, verkündet aber zugleich, was Gott dazu zu sagen hat.
VERSCHIEDENES
Praktische Lehren
Die Liebe Gottes zu uns Menschen hängt nicht von unserem Verdienst und unserer Treue ab. Sie beruht auf seiner Erwählung. Trotz der Untreue der Gemeinde kündigt Gott seinen Liebesbund nicht, sondern lässt durch seine Boten immer wieder ausrufen: «Gott hat euch lieb!» (Mal 1,2).
Die Beobachtung religiöser Bräuche ohne Leben aus Gott wird dem Menschen zum Gericht und Verhängnis. In Gottes Augen können äussere Formen niemals die innere Bereitschaft zum Glauben, zur Demut und zur Hingabe ersetzen Mal 1,7-14).
Mit der Selbstzufriedenheit geht oft Hand in Hand der Missmut über Gottes Wege; der pharisäische Geist führt zum Unglauben und zur Auflehnung (Mal 1,7.12-13).
In Zeiten religiösen Verfalls hat Gott stets einige treue Zeugen. Er achtet auf jedes ihrer Worte, und in seinen Gerichten erbarmt er sich ihrer (Mal 3,16-17).
Die Fülle des Segens ruht nur auf dem ganzen Gehorsam, der Gott gibt, was er fordert, und annimmt, was er verheisst. Uber einen Menschen, der so handelt, ergiessen sich die Schätze der Gnade
(Mal 3,10).
Wenn jetzt scheinbar der Böse dem Gericht entgeht, wenn rein äusserlich kein Unterschied wahrnehmbar ist zwischen dem, der Gott dient, und dem, der es nicht tut, so wird der Unterschied doch am Tag des Herrn offenbar: Der Gerechte wird gerettet und der Ungerechte verworfen werden (Mal 3,14-15.17-18).