ALLGEMEINES
Der Name Hesekiel kann mit «Go« ist stark-» oder «Meine Kraft ist Gott» übersetzt werden. Hesekiel ist einer der Propheten der babylonischen Gefangenschaft. Während der 70 Jahre des Exils erhoben sich in Israel drei prophetische Stimmen: Jeremia in Jerusalem, Daniel in Babylon und Hesekiel in Thel-Abib am Fluss Chebar. Hesekiel war der Sohn eines Priesters namens Busi; man nimmt an, dass er selbst auch Priester war. Wir wissen nichts über sein Leben in Jerusalem. Er war verheiratet (Hes 24,18), verlor aber seine Frau ums Jahr 586. Ob er Kinder hatte, wissen wir nicht. Er nahm unter seinen Volksgenossen eine einflussreiche Stellung ein und wurde von ihnen sehr geschätzt. Oft wandten sie sich um Rat und Hilfe an ihn (Hes 8,1; 14,1; 33,31). Nach den biblischen Aussagen kann der Zeitpunkt seines Todes nicht mit Bestimmtheit festgestellt werden. Jedenfalls finden wir in seinem Buch keine Spur, die vermuten Hesse, dass er die Rückkehr aus der Gefangenschaft noch erlebt und die Erfüllung der Verheissungen, die seinem Volk so oft zur Ermutigung gedient hatten, gesehen hätte. Eine jüdische Legende erzählt, Hesekiel sei durch einen Prinzen aus Juda umgebracht worden, weil er ihm seinen Götzendienst vorgehalten habe.
Zum Prophetenamt wurde er im Jahre 593 v. Chr. berufen
(Hes 1,2-3). Umgeben von einem heidnischen Volk, abgeschnitten von dem geistigen Mittelpunkt der jüdischen Nation, ohne eigenen Gottesdienst — das war die Lage der deportierten Juden. Gross war die Gefahr, dass der Glaube an den lebendigen Gott unterging, und damit jede Hoffnung auf eine nationale Wiederherstellung. Es war deshalb dringend nötig, den Glauben zu erhalten und zu nähren. Diesem Bedürfnis kommt Gott entgegen, indem er sich mitten aus den Gefangenen heraus einen Propheten erweckt und ihm in Gesichten begegnet.
Die letzte Rede Hesekiels datiert vom 25. Jahr der Gefangenschaft. Seine Amtsdauer beträgt somit mindestens 20 Jahre.
ZEITABSCHNITT
(Siehe auch Einleitung zu Jeremia.) Als der König Jojakim das Joch Nebukadnezars abschütteln wollte, schickte dieser eine Armee nach Jerusalem, um die Stadt zu belagern. Mitten in den Wirren und dem Elend der Belagerungszeit fand ein Thronwechsel statt. Der neue König, Jojachin, regierte aber nur drei Monate. Die Ankunft Nebukadnezars in Person zwang den König zur Kapitulation. Auf Grund ihrer Übergabe blieb die Stadt verschont, aber der König wurde samt seiner Familie und 10 000 seines Volkes, meist jungen Leuten aus den bedeutenderen Familien, in die Gefangenschaft nach Babylon weggeführt. Dies geschah im Jahr 597 v. Chr. (2Kön 54,15). Während Jojachin einige Jahre in Babylon im Gefängnis blieb, wurde ein Teil der Juden nach Thel-Abib (Ährenhügel, Hes 3,15) an den Fluss Chebar in Mesopotamien weiterdeportiert. Unter diesen befand sich Hesekiel. Er verfügte mit seinen Mitgefangenen über ziemlich viel Freiheit: sie besassen Land und Häuser
(Hes 8,1; Jer 29,5) und hatten ihre eigenen Richter und Ältesten
(Hes 14,1; 20,1).
Die Weggeführten bildeten die Elite der jüdischen Nation, sowohl vom intellektuellen und sozialen als auch vom religiösen Gesichtspunkt aus. Diese Tatsache geht deutlich hervor aus der Vision der beiden Feigenkörbe (Jer 24,1).
VERFASSER
Das Altertum betrachtet einstimmig den Propheten Hesekiel als den Verfasser des Buches. Dieses bildet ein einheitliches Ganzes und lässt von Anfang bis Ende ein und denselben Verfasser erkennen. Auch die heutige Forschung lässt gelten, dass das Buch im grossen ganzen von Hesekiel geschrieben sei.
BOTSCHAFT
Hesekiels Wirken zerfällt in zwei klar abgegrenzte Perioden: vor und nach der Zerstörung Jerusalems. Demgemäss ist auch seine Botschaft eine zweifache. Im ersten Teil warnt er seine Landsleute vor der trügerischen Hoffnung auf eine baldige Rückkehr. Sobald jedoch die Nachricht vom Fall Jerusalems eingetroffen ist, nimmt seine Predigt eine andere Richtung ein. Den Gerichtsverkündigungen, den zurechtweisenden Botschaften des heiligen Gottes folgen Verheissungen und Ermunterungen. Nun hat er das gedemütigte Volk vor der völligen Entmutigung zu bewahren. Er lässt es deshalb Blicke tun in eine Zeit, wo Gott sein Volk wieder erhöhen wird: der wahre Hirte wird kommen und den Platz der unwerten Hirten einnehmen; Gottes Geist wird ausgegossen werden, und Israel wird sich bekehren; als Nation wird es wieder auferstehen (Hes 37); Gott selbst wird sein Volk regieren und alle seine Feinde zunichte machen.
Das Leitmotiv der Botschaft Hesekiels ist die Herrlichkeit des Herrn (Hes ,28; 3,12.23; 8,4; 9,3; 10,4.18; 43,2.4.5)
EINTEILUNG
Das Gerichtsbuch: Vor dem Fall Jerusalems Hes 1-24
Berufung und Weihe zum Prophetenamt Hes 1-3
Ankündigung der Zerstörung Jerusalems durch Hes 4-7
sinnbildliche Handlungen
Gesicht vom Götzendienst im Tempel und Gericht Hes 8-11
Droh-Weissagungen und Warnungen durch Hes 12-19
Wort und Tat
Leute Gerichtsankiindigungen Hes 20-24
Prophezeiungen gegen die heidnischen Nachbarvölker
Hes 25-32
Ammoniter Hes 25,1-7 Tyrer (König) Hes 26-28,19
Moabiter Hes 25,8-11 Sidonier Hes 28,20-26
Edomiter Hes 25,12-14 Ägypter Hes 29-32
Philister Hes 25,15-17
Das Trostbuch: Nach dem Pall Jerusalems Hes 33-48
Des Wächters Verantwortung Hes 33
Gegen die falschen Hirten Israels Hes 34
Weissagung gegen Edom Hes 35
Nationale und geistliche Neubelebung Hes 36-37
Weissagung gegen Gog im Lande Magog Hes 38-39
Gesichte vom messianischen Gottesreich Hes 40-48
Schlüsselwort: Herrlichkeit
SYMBOLIK
Das Buch ist voll von symbolischen Handlungen, Allegorien usw. Hier seien nur die wichtigsten genannt:
Symbolische Handlungen
Der Ziegelstein: Belagerung Jerusalems Hes 4,1-3
Das Liegen auf dem Lager: Dauer der Gerichte Hes 4,4-8
Das Brot der Trübsal: Hungersnot Hes 4,9-17
Die abgeschorenen Haare: Los der Einwohner Hes 5,1-12
Der Auszug: Flucht Zedekias Hes 12,1-16
Das Essen mit Zittern: Unsicherheit des Volkes Hes 12,17-20
Das verbotene Trauergewand: Fall Jerusalems Hes 24,15-24
Die zwei Holzstäbe: Vereinigung Judas und Israels Hes 37,15-22
Allegorien (bildl. Darstellungen)
Das unzüchtige Eheweib: Jerusalems Treubruch Hes 16,1-52
Die unzüchtigen Schwestern: Israel und Juda Hes 23,1-49
Das grosse Krokodil (Drache): Hes 29,3-7
Pharao in seiner Macht
Gleichnisse
Das nutzlose Rebholz: Die Bewohner Hes 15,1-8
Jerusalems
Das missratene Hes 16,1-15
Pflegekind: Die Stadt Jerusalem
Der Zederspross und Hes 17,1-24
der Weinstock: Das Königshaus
Der grosse Adler: Der König Nebukadnezar Hes 17,1-10
Der Waldbrand: Die Kriegsdrohung Hes 21,1-5
Das mörderische Schwert: Das tödliche Gericht Hes 21,6-10
Der rostige Kochtopf: Die Leiden Jerusalems Hes 24,1-14
BESONDERE MERKMALE
Neben den vielen symbolischen Handlungen, Rätseln, Allegorien seien als besondere Merkmale die charakteristischen Ausdrücke des Buches genannt:
«So spricht der Herr» über 200 mal
«Menschenkind» oder «Menschensohn» über 100 mal
«Wort des Herrn» 84 mal
«Ihr sollt erfahren, dass ich der Herr bin» über 60 mal
«Greuel» 42 mal
«Ungehorsames Haus» 14 mal
«Die Hand des Herrn kam über mich» gegen 10 mal
VERSCHIEDENES
Visionen
Der Feuerwagen mit den vier Cherubim Hes 1
Der Tempel zu Jerusalem als Götzentempel Hes 8-11
Die Wiederbelebung der Totengebeine Hes 37
Die neue Stadt Jerusalem Hes 40-46
Die Tempelquelle als Segensstrom Hes 47
Messianische Prophezeiungen
Der rechtsgültige Herrscher aus dem Hause David Hes 17,22-24
Der rechtsgültige Thronanwärter Hes 21,30-32
Der rechtsgültige Hirte Hes 34,23-30
Der alleinige König über Juda und Israel Hes 37,22-28
Klagelieder
Über die Fürsten: Löwenmütter und -kinder Hes 19,1-9
Über Tyrus: Das stolze Prachtssphiff Hes 27-28
Über Pharao: Das grosse Krokodil (Drache) Hes 32,1-32