ALLGEMEINES
Sacharja heisst «Der Herr erinnert sich» oder «Eingedenk ist der Herr». Der Name Sacharja war unter den Hebräern sehr gebräuchlich. Allein im Alten Testament ist von zirka 20 Personen dieses Namens die Rede. Sacharja war der Sohn Berechjas und Enkel Iddos (Das Alte Testament sagt häufig Sohn für Nachkomme: Sach 1,1; Esra 5,1; 6,14.). Letzterer war das Haupt einer Priesterfamilie, kehrte von Babylon mit dem Hohenpriester Jesua zurück (Neh 12,4.16) und übte dann sein Priesteramt zu dessen Lebzeiten aus. Sacharja, sein Enkel, kam wahrscheinlich im Exil zur Welt und kehrte mit der ersten Gruppe von Gefangenen nach Jerusalem zurück. Er war der Nachfolger des Priesters Iddo zur Zeit Jojakims, Sohn des Jesua
(Neh 12,10.12.16). Wir sind im unklaren über sein Lebensende; denn wir wissen nicht, ob sich die Bemerkung über den gewaltsamen Tod des Sacharja, Sohn des Berechja, in Mt 23,35 nicht auf einen anderen Sacharja bezieht (vgl. 2Chr 24,20-22).
Man hat Sacharja den «nachexilischen Jesaja» genannt und seine Prophezeiungen «die Endoffenbarung des Alten Testaments».
ZEITABSCHNITT
Im Jahr 520, im zweiten Regierungsjahr des Darius, zwei Monate später als sein Zeitgenosse Haggai, trat Sacharja in Jerusalem sein Prophetenamt an (Siehe Einleitung zu Haggai). Mit Haggai zusammen spornte er das Volk zum Wiederaufbau des Tempels an (Esra 5,1-2). Aber seine prophetischen Gesichte reichen weiter und umfassen eine ausgedehntere Schau als diejenigen Haggais.
Die erste Verkündigung des Sacharja liegt zeitlich zwischen der zweiten und dritten des Haggai (Hagg 2,1.10; Sach 1,1). Vom 10. Monat an schweigt Haggai, und im 11. hat Sacharja eine Reihe von Visionen (Sach 1,7 - 6,15). Zwei Jahre später, im vierten Jahr der Regierung des Darius, empfängt er eine neue Botschaft
(Sach 7 und 8). Seine letzten Prophezeiungen sind nicht datiert; sie sagen mit leuchtender Klarheit das Kommen des Messias voraus, des grossen Erlösers, der zuerst leiden muss und dann zum König gekrönt wird. Die Offenbarung des Propheten stellte eine ganz grosse Ermutigung für das Volk dar, zu einer Zeit, da jede nationale Hoffnung entschwunden schien. Sein prophetisches Wirken dauerte von 520 bis 518, die späteren, zeitlich nicht festzulegenden Prophezeiungen nicht mitgerechnet.
VERFASSER
Die alte jüdische und die kirchlichen Überlieferungen nennen einstimmig den Propheten Sacharja als Verfasser seiner Schrift. Die Echtheit des Buches ist im Altertum nie in Zweifel gezogen worden.
BOTSCHAFT
Die Feinde des Volkes Gottes werden gerichtet. Jerusalem wird wieder aufgebaut; es geht einer herrlichen Zukunft entgegen. Zuvor aber müssen Priestertum und Königtum geläutert werden. Beide Ämter werden einst vereint werden in dem «Spross»
(Zemach Sach 3,8), dem Messias, der das erstemal in Niedrigkeit kommt und verworfen wird, das zweitemal aber in Herrlichkeit, um über die ganze Welt zu herrschen.
EINTEILUNG
1. Gegenwartsfragen Sach 1-8
Visionen Sach 1-6
Aufruf zur Umkehr Sach 1,1-6
Verschiedene Gesichte Sach 1,7 - 6,8
Symbolische Handlung Sach 6,9-15
Antwort an eine Abordnung Sach 7-8
Kein geistloses Fasten, sondern Umkehr Sach 7
und Gehorsam
Wiederbegnadigung Zions Sach 8
2. Zukunftsfragen Sach 9-14
Erster Anhang: Der kommende Messias Sach 9-11
Gericht über die Heidenvölker Sach 9,1-8
Segensherrschaft des Friedenskönigs Sach 9,9 - 10,12
Verwerfung des Hirten Sach 11
Zweiter Anhang: Der Messias als König Sach 12-14
Verfolgung und Rettung der Gottesgemeinde Sach 12
Tilgung der Sünden Sach 13
Endsieg des Messias Sach 14
Schlüsselwort: Visionen
SYMBOLIK
Die Visionen
Die Visionen haben alle symbolische Bedeutung. Wir erwähnen sie hier nur kurz:
Die Pferde und der Engel des Herrn zwischen den Myrtenbäumen
(Sach 1,7-17). Gott hat entgegen dem äusseren Anschein sein Volk nicht verlassen; er wird sich seiner wieder erbarmen.
Die vier Hörner und die vier Schmiede (Sach 2,1-4). Die vier Hörner versinnbildlichen die gottfeindlichen Weltmächte, die das Gottesvolk bekämpfen. Die vier Schmiede sind die verschiedenen Werkzeuge, durch die Gott die Weltmächte vernichten wird, um Juda retten zu können.
Der Mann mit der Meßschnur (Sach 2,5-17). Jerusalem wird einst wieder aufgebaut werden. Gott wohnt dann in seiner Mitte, und die Völker strömen herzu.
Der Hohepriester Josua, der von Satan verklagt wird (Sach 3,1-10). Als Auftakt zur herrlichen Zukunft muss das Hohepriestertum geläutert werden, und der «Spross», der vollkommene Hohepriester, der alle Schuld der ganzen Erde tilgt, muss erscheinen.
Der goldene Leuchter zivischen den zwei ölbäumen (Sach 4,1-14). Der Leuchter versinnbildlicht Gott, den Herrn der ganzen Erde; die zwei ölbäume Josua und Serubabel, die beiden Gesalbten. Wie das Priestertum, so muss auch das Königtum geläutert werden. Ihre Kraft ist der Heilige Geist, der allein Israel befähigen kann, seine Sendung zu erfüllen, das heisst der Welt das Licht zu bringen.
Die fliegende Schriftrolle (Sach 5,1-4). Wenn das Volk sich wieder zur Sünde kehrt, wird der Fluch des Gesetzes unbarmherzig über es kommen.
Das Weib im Scheffel (Sach 5,5-11). Betrug durch falsches Mass. Das Weib symbolisiert die Bosheit und Ungerechtigkeit des Volkes. Die Folge davon wird Zerstreuung und Verbannung sein.
Die vier Wagen, welche die ganze Erde durcheilen (Sach 6,1-8), versinnbildlichen die Gottesgerichte, die alle gottfeindlichen Mächte niederwerfen werden. Diese Urteile Gottes werden auf der ganzen Erde vollzogen.
Symbolische Handlung Sach 6,9-15
Die Krönung des Hohenpriesters ist ein Hinweis auf die Vereinigung voh Priestertum und Königtum in der Person des «Sprosses», des verheissenen Messias.
CHRISTOLOGIE
Der Einzug in Jerusalem auf einem Eselsfüllen:
am Palmsonntag (Sach 9,9; Mt 21,5)
Die 30 Lot Silber: die Bewertung des Messias (Sach 11,12; Mt 26,15)
Die Verwendung dieses Geldes (Sach 11,13; Mt 27,9-10)
Verwerfung und Tod des guten Hirten (Sach 11; 13,7; Joh 10,11-18)
Die Zerstreuung der Herde: die Jünger in Gethsemane
(Sach 13,7; Mt 26,31)
Die durchbohrte Seite (Sach 12,10; Joh 19,37)
BESONDERES MERKMAL
Die Zweiteiligkeit des Buches
Im ersten Teil (Sach 1-8) ist der Prophet Sacharja beständig in die Geschichte miteinbezogen, und die genauen Daten der verschiedenen historisehen Momente sind angegeben. Im zweiten Teil (Sach 9-14) ist jede Spur vom Propheten verschwunden. Diese Eigentümlichkeit hat vielen Auslegern Mühe gemacht. Dr. Scroggie antwortet darauf:
«Die Verschiedenheit des Stils in den ersten und letzten Kapiteln ist auf die Verschiedenheit des Gegenstandes zurückzuführen, wie auch auf den wahrscheinlichen Zwischenraum von 30 bis 40 Jahren im Wirken des Propheten. Die Verheissungen der Sach 9-14 erfordern einen andern Stil als die Gesichte der Sach 1-8. Der erste Teil des Buches war dazu bestimmt, Israel beim Tempelbau zu ermutigen, während der letzte Teil aus Weherufen über die Feinde des Gottesvolkes und aus Segensverheissungen für Israel besteht. Das beruhigende ,So spricht der Herr’ passt deshalb zum ersten, aber nicht zum zweiten Teil des Buches. Das charakteristische Merkmal der Weissagung ,An jenem Tage’ ist selten im ersten Teil, weil Prophezeiung dort selten ist, und häufig im zweiten Teil, weil dieser fast ausschliesslich aus Voraussagen besteht.
Bei Prophezeiungen mit so verschiedenem Anlass und Zweck, die einen auf der Zunge eines jungen, die andern im Munde eines alten Mannes, können wir also kaum viele Spuren einer einheitlichen literarischen Abfassung erwarten. Nichtsdestoweniger drängt sich ein Vergleich auf zwischen Sach 2,14 mit Sach 9,9 und Sach 8,8 mit Sach 13,9.»
VERSCHIEDENES
Wichtige Lehren
Der Abtrünnige muss zu Gott zurückkehren, wenn er begehrt, dass Gott sich wieder zu ihm kehre (Sach 1,3).
Gott ist heilig, und er will inmitten seines geheiligten Volkes leben (Sach 2,9; 14-17; Gesicht des Sach 3 ). Die Heiligkeit ist das Kennzeichen seines Reiches (Sach 14,20-21).
Satan ist der Verkläger der Brüder, und Christus ist ihr Anwalt, ihr Fürsprecher bei Gott (Sach 3,1-5).
Die einzige Macht, auf die der Gläubige vertrauen soll, ist der Heilige Geist (Sach 4,6).
Die noch unerfüllten Prophezeiungen, die sich auf die Wiederkunft des Messias und den «Tag des Herrn» beziehen, werden sich ebenso bestimmt bewahrheiten wie jene, die sich auf das erste Kommen bezogen (Sach 12,10; 14,3-5 u.a.m.).