Der Name der Bibel
Das Wort «Bibel» kommt vom griechischen «Biblos», auf deutsch «Buch» Manchmal gebrauchte man auch den Ausdruck «bibliotheca» oder, nach dem Kirchenvater Hieronymus, «divina bibliotheca», das heisst göttliche Büch er Sammlung. Die Bibel ist eben nicht nur ein Buch, sondern sie besteht aus 66 Büchern, geschrieben von ungefähr 40 verschiedenen Verfassern. Unter ihnen sind Könige: David und Salomo; Gelehrte und Ärzte: Jesaja und Lukas; Theologen: Esra und Paulus; hohe Staatsmänner: Mose, Daniel, Nehemia; Landwirte und Fischer: Amos und Petrus; Musiker: Asaph und die Kinder Korahs; Propheten: Hesekiel, Joel usw. Es brauchte ungefähr 1500 Jahre, bis die ganze Sammlung der 66 Bücher geschrieben war.
Die Bibel wird ausserdem bezeichnet als «Die Schrift» (Lk 4,21; Joh 2,22; 5,39; Jak 2,23), «Die Schriften» (Lk 24,27), «Die Heilige Schrift» (Röm 1,2; 2Tim 3,15), «Die Bücher» (Dan 9,2), von den Juden auch als «Das Gesetz und die Propheten» (Apg 13,15; Röm 3,21, usw.).
Die auf uns gekommene Sammlung der Schriften des Alten und Neuen Testaments nennt man in der Kirchensprache «Kanon-», das heisst Regel oder Maßstab. Der Kanon ist also die Gesamtheit der biblischen Bücher, die sich im Laufe der Zeit als die heiligen und göttlich inspirierten Schriften durchgesetzt haben, im Gegensatz zu den zahlreichen «Apokryphen» (verhüllte Bücher). Der Name Kanon wurde zuerst nur auf die Schriften des Neuen Testaments angewendet. Jedoch der Begriff einer heiligen, göttlich inspirierten Sammlung von biblischen Büchern ist schon sehr alt, wurden doch schon die Gesetzestafeln und die Schriften Moses als unantastbares Gut sorgfältig neben der Bundeslade aufbewahrt (5. Mose 31,24-26). Die Sammlung und Sichtung der Schriften des Alten Testaments dauerte jahrhundertelang und wurde erst von Esra abgeschlossen. Der Bestand der Bücher des Neuen Testaments war schon vor 200 n. Chr. mit wenigen Abweichungen vorhanden. Die jetzige Gestalt unseres Kanons wurde im vierten Jahrhundert endgültig sanktioniert.
Die Einteilung der Bibel
Die Bibel der Juden ist das Alte Testament, das sie als «Gesetz, Propheten und Schriften» kennen, ohne für das Ganze eine besondere Bezeichnung zu gebrauchen.
Einteilung des Alten Testaments zur Zeit Jesu
die Thora = das Gesetz. Das Wort ist von «jara», das heisst unterrichten, lehren, abgeleitet. Die Thora befindet sich noch heute in jeder Synagoge.
Sie besteht aus den fünf Büchern Mose und ist in 52 Abschnitte eingeteilt. An jedem Sabbat wird fortlaufend ein Abschnitt gelesen. Die Griechen gaben diesen fünf Büchern den Namen «Pentateukos» (= Pentateuch), das heisst das fünfteilige Buch.
die NEBHM = die Propheten. Diese Sammlung war in zwei grosse Teile eingeteilt: a) Die Nebiim rischonim, die ersten Propheten oder die erste Gruppe von Propheten. Diese enthielt vier Bücher: Josua, Richter, 1. und 2. Samuel, 1. und 2. Könige (die beiden letzteren waren je nur ein Buch), b) Die Nebiim acharonim, das heisst die späteren Propheten oder die zweite Gruppe von Propheten. Sie enthielt ebenfalls vier Bücher: Jesaja, Jeremia, Hesekiel und «Die Zwölf», das heisst die zwölf kleinen Propheten in einem Buch.
DIE KETUBIM = die Schriften. Diese Sammlung bestand aus drei Teilen: a) Psalmen, Sprüche und Hiob; b) Hohelied, Ruth, Klagelieder, Prediger und Esther — man nannte dieses Buch die «Megilloth», das heisst die «Rollen»; c) Daniel, Esra, Nehemia und Chronik.
Das Gesetz legt den festen Boden, den Grund für die sogenannte Theokratie (= Gottesherrschaft). Die Propheten schildern die Geschichte dieses theokratischen Volkes und die unsagbare Liebe und Arbeit Gottes, die nötig war, um dieses Volk durchzubringen. Die «Schriften» lassen hineinblicken in die Gedankenwelt und das Seelenleben dieses Volkes mit seiner besonderen Mentalität.
Heutige Einteilung der Bibel
Die Heiligen Schriften bestehen heute aus einer Doppelsammlung: dem Alten und dem Neuen Testament. Die Bezeichnung «Testament» wurde zuerst von dem Kirchenvater Tertullian im Sinne von «Bund» (hebräisch Berith, griechisch Diatheke) auf die beiden Teile der Bibel angewendet. Dabei ging er von dem Gedanken aus, dass das Alte Testament auf den von Gott durch Mose mit Israel (2. Mose 19,5) und das Neue Testament auf den durch Christus mit seiner Gemeinde geschlossenen Bund (Mt 26,28; 1Kor 11,25) hinweist.
Unsere heutige Kapiteleinteilung im Neuen Testament stammt von dem englischen Erzbischof Stephan Langton in Cambridge (1205), die Verseinteilung von dem Pariser Buchdrucker Robert Stephanus (1551).
DAS ALTE TESTAMENT
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17 Geschichtsbücher: 1. Mose bis Esther
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5 Lehrbücher oder poetische Bücher: Hiob bis Hohelied
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17 prophetische Bücher: Jesaja bis Maleachi
DAS NEUE TESTAMENT
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5 Geschichtsbücher: Evangelien und Apostelgeschichte
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21 Lehrbücher: die Briefe
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1 prophetisches Buch: die Offenbarung
Die Sprache der Bibel
Das Alte Testament ist in hebräischer Sprache geschrieben worden, einzelne Teile der Bücher Esra, Nehemia und Daniel auf aramäisch. Das Hebräische war die klassische Sprache Palästinas, das Aramäische ein späterer Dialekt, die Sprache des Volkes, die allgemeine Umgangssprache der Juden des Orients.
Das Neue Testament ist in griechischer Sprache, das heisst in der damaligen Weltsprache, geschrieben worden, mit einigen kleinen Ausnahmen, das heisst einigen aramäischen und lateinischen Wörtern.
Die Manuskripte der Bibel
Wir besitzen heute einige tausend alte Bibelhandschriften (Manuskripte). Die allermeisten enthalten nur Teile der Bibel oder sind Fragmente (Bruchstücke) mit einigen Versen oder Kapiteln. Es sind Blätter aus Papyrus (Papierstaude), die man, zu einer Art Buch zusammengefasst, Kodex (lat. codex) nennt, oder Rollen aus Pergament (besonders zubereitete Tierhaut). Diese Bezeichnung ist vom Namen der Stadt Pergamus in Kleinasien abgeleitet, wo die erste grosse Pergamentindustrie entstand. Die ältesten Fragmente des AT stammen aus dem 2. Jahrhundert vor Chr. (siehe Qumrantexte), die des NT aus dem 2. Jahrhundert (ein Johannesfragment um 125 ist das älteste). Von den umfassenderen Handschriften sind folgende die wichtigsten:
Die Texte von QUMRAN. Im Jahr 1947 fanden Beduinenhirten in einer Höhle des Vadi Qumran (Qumran-Tal) am Westufer des Toten Meeres, 14 km südlich von Jericho, einige Schriftrollen aus Pergament, die, in Leinwand gewickelt, in Tonkrügen aufbewahrt gewesen waren. Sie stammen von der jüdischen Sekte der Essener, deren Mönche wahrscheinlich unter der Bedrohung durch die Römer (66 und 132 n. Chr.) ihre wertvolle religiöse Literatur für ruhigere Zeiten in Sicherheit bringen wollten. In der Folge dieser Entdeckung wurden in weiteren 11 Höhlen noch zahlreiche Rollen gefunden: 1 vollständige Jesajarolle, Fragmente aller alttestamentlichen Schriften ausser Esther, Kommentare (jeweils mit dem alttestamentlichen Text), Apokryphen und Schriften der Essenersekte. Sie dürften im 2. und 1. vorchristlichen Jahrhundert entstanden sein und sind damit die ältesten Bibelhandschriften, die wir besitzen. Ihre Bedeutung ist unschätzbar für die Erforschung des ursprünglichen Textes wie auch des Judentums und des frühesten Christentums. Die Arbeit der Textforschung steht aber erst in den Anfängen.
DER CODEX SlNAITICUS, bis vor wenigen Jahren die älteste, aus dem 4. Jahrhundert stammende Handschrift, von Tischendorf 1859 im Katharinenkloster am Fuss des Sinai entdeckt und in die kaiserliche Bibliothek zu Petersburg übergeführt. Dieser Kodex enthält das Alte Testament (in der griechischen Übersetzung) beinahe vollständig, das Neue ganz. Im Jahr 1934 kauften die Engländer das Manuskript für zirka eine Million Schweizerfranken. Seither ist es im Britischen Museum in London ausgestellt.
Der CODEX ALEXANDRINUS. Dieses Manuskript wurde um 450 in Ägypten geschrieben und blieb lange im Besitz der Patriarchen von Konstantinopel. Es enthält das Alte Testament und vom 25- Kapitel des Matthäus an fast das ganze Neue Testament. Jetzt befindet es sich im Britischen Museum, dem es Georg II. im Jahr 1753 vermachte.
Der CODEX VATICANUS, um die Mitte des 4. Jahrhunderts in Ägypten geschrieben, befindet sich jetzt im Vatikan. Er umfasst gleichfalls die griechische Bibel, weist aber im Neuen Testament grössere Lücken auf (Schluss des Hebräerbriefs, Pastoralbriefe und Offenbarung fehlen). Die treffliche Handschrift ist schwer zu lesen, weil der Text nachträglich mit frischer Tinte überzogen und vielfach geändert wurde.
DER CODEX EPHRAEMI RESCRIPTUS. Mitte des 5. Jahrhunderts in Ägypten geschrieben, jetzt in Paris. Er trägt den Namen des Kirchenvaters Ephräm, weil er von diesem überschrieben wurde. Die ursprünglichen Schriftzeichen wurden von Tischendorf auf chemischem Wege wieder hergestellt und der Codex 1843/45 herausgegeben.
DER CODEX CANTABRIGIENSIS UND DER CODEX CLAROMONTANUS. Beide Handschriften, um 550 verfasst und mit altlateinischer Übersetzung verbunden, gehörten Theodor Beza in Genf.
Die wichtigsten Bibelübersetzungen
Bibelübersetzungen entstanden schon sehr früh und sind zum Teil älter als die uns erhaltenen Handschriften in der Originalsprache. Darum sind sie von grösster Wichtigkeit für das alttestamentliche wie für das neutestamentliche Textstudium. Von den älteren Übersetzungen haben fünf besondere Bedeutung:
DIE SEPTUAGINTA (das heisst «Siebzig»), die in Alexandrien entstandene griechische Übersetzung des Alten Testaments, die wohl unter Ptolemäus Philadelphus begonnen, aber erst später vollendet wurde (275—130 v. Chr.). Sie führt den Namen Septuaginta, weil sie nach einer Legende von 72 Übersetzern in 72 Tagen vollendet wurde. Die Unregelmässigkeiten im Stil und im Wert der Übersetzung lassen das Werk vieler Übersetzer erkennen. Paulus und die ersten Christen gebrauchten die Septuaginta.
DIE PESCHITTA, eine syrische Übersetzung des Alten und Neuen Testaments, im 4. Jahrhundert n. Chr. entstanden. Die heute bekannte Peschitta ist eine Überarbeitung einer älteren syrischen Übersetzung, die im Neuen Testament bis ins 2. Jahrhundert, im Alten Testament noch weiter hinaufreicht.
DIE GOTISCHE Bibelübersetzung des westgotischen Bischofs Ulfilas (gestorben 388 n. Chr.). Sie stammt aus einer griechischen Vorlage und ist das älteste Denkmal deutscher Literatur. Einst umfasste die Übersetzung wohl die ganze Bibel. Erhalten sind hauptsächlich Bruchstücke aus den Evangelien, und zwar in dem berühmten, mit silberner Schrift auf purpurfarbenem Pergament geschriebenen Codex Argenteus in Upsala in Schweden.
DIE Vulgata, das heisst die allgemein verbreitete, die in der katholischen Kirche allein gültige und vom Konzil zu Trient dem Grundtext gleichgestellte lateinische Bibelübersetzung. Sie wurde im Auftrag des römischen Bischofs Damasus von dem gelehrten Kirchenvater Hieronymus 383 bis 405 begonnen und wahrscheinlich von andern Übersetzern vollendet. Hieronymus verwendete dazu eine bereits im 2. Jahrhundert und anfangs des 3. Jahrhunderts entstandene, bei den lateinisch sprechenden Christen gebräuchliche Übersetzung, die sog. Vetus Latina (= alte Lateinische), auch Lala genannt. Die Vulgata erlangte aber erst zur Zeit Gregors des Grossen allgemeine Anerkennung.
LUTHERS DEUTSCHE Bibelübersetzung. 1521 auf der Wartburg begonnen, 1534 vollendet. Dieses aus dem Grundtext übersetzte, noch unübertroffene Werk ist ebenso bedeutend durch seine dem Schriftgeist angemessene und zugleich im edelsten Sinne volkstümliche Sprache wie als literaturgeschichtliches Denkmal, da es eine deutsche Schriftsprache schuf.
Es ist allerdings zu beachten, dass fünf Jahre, bevor Luthers Übersetzung herauskam, in Zürich die ganze Bibel vorlag (1529). Natürlich gibt es seither noch viele andere wertvolle deutsche Bibelübersetzungen. Neben der Elberfelder und der Zürcher Übersetzung seien genannt: H. Menge, Fr. Schlachter, für das Neue Testament: Th. Schlatter, F. Pfäfflin, L. Albrecht.
Besonders seit Beginn des 20. Jahrhunderts haben die Bibelübersetzungen in der ganzen Welt sehr zugenommen. Es gibt heute weit über 1000 Ganzund Teilübersetzungen in die verschiedensten Sprachen und Dialekte.