ALLGEMEINES
Amos, dessen Name «Lastenträgen bedeutet, stammt von einer unbekannten Familie, die in den Bergen Judäas, in
(Amos 1,1) bei Bethlehem, lebte. Thekoa war eine der von Rehabeam befestigten Städte (2Chr 11,5-6). Amos war Hirte und züchtete Maulbeeren (Amos 7,14). Er war kein Prophet von Beruf und ging durch keine Prophetenschule. Von der Herde weg wurde er zum Prophetenamt berufen (Amos 7,15) und ins Nordreich gesandt, nach Bethel an das Heiligtum, wo das Volk zum Jahresfest versammelt war. Als Ausländer wird er ausgewiesen (Amos 7,10-13) und verschwindet wieder vom Kampffeld.
Amos ist der Bahnbrecher im Kampf gegen den Formalismus. Unerbittlich deckt er die offensichtlichen religiösen, sittlichen und sozialen Mißstände auf. Aber er zerbricht nicht nur, er verkündigt auch die Botschaft des Lebens.
ZEITABSCHNITT
Das Nordreich war zur Zeit des Königs Jerobeam II. auf dem Gipfel seiner äusseren Macht angelangt. Assyrien erlebte gerade eine Periode des Niederganges, und Syrien war durch die vorausgegangenen Kriege geschwächt. Jerobeam II. nützte diese Lage aus. Er stellte die alten Grenzen des Nordreichs wieder her (2Kön 14,23-25) und führte das Land zu grossem äusserem Wohlstand und Reichtum. Das Volk war erfüllt von Stolz und Zuversicht Es hegte die kühnsten Hoffnungen und übersah völlig die lauernden inneren Gefahren.
Amos gibt uns in seinem Buch ein klares Bild von den sozialen und religiösen Zuständen, die damals im Nordreich herrschten.
Soziale Mißstände
Das Volk wird hoffärtig Amos 6,13. Die Reichen entfalten grossen Prunk Amos 3,12.15. Schlemmerei, Weingelage sind etwas Alltägliches Amos 4,1; 6,4-6. Die Frauen der Reichen Israels verfallen dem gleichen Laster Amos 4,1. Das Recht des Stärkeren gilt; Rechtsbruch Amos 3,1-10; 6,3. Überall Unrecht und Betrug
Amos 3,10; 5,7.10.12; 6,12; 8,5. Die Armen werden bedrückt
Amos 2,6; 4,1; 5,12; 8,4.
Religiöse Mißstände
Unter solchen sozialen Verhältnissen kann keine wahre Frömmigkeit bestehen. Es gibt eine Reihe gut besuchter Wallfahrtsorte, so Bethel, Gilgal, Beer-Seba, Samaria und Dan (Amos 4,4; 5,5; 8,14); aber Gesetz, Feste und religiöse Bräuche werden nur der äusseren Form nach beobachtet (Amos 5,5; 8,14), dahinter verbirgt sich ein gottfernes, sittenloses Leben. Infolge des äusseren Aufschwunges dringt die Üppigkeit selbst in die religiösen Bräuche (Amos 2,8). Es werden nicht nur die vorgeschriebenen Abgaben geleistet, sondern darüber hinaus noch freiwillige Spenden (Amos 4,4-5); aber dies geschieht unter Aussaugung der Armen (Amos 5,11). Man fühlt sich sicher, ist leichtlebig und gleichgültig geworden (Amos 6,3; 9,10).
In diese Zeit, die zu Israels nationaler Glanzzeit zahlt, sendet Gott seinen Boten Amos mit einer gewaltigen Gerichtspredigt.
VERFASSER
Der Verfasser des Buches ist ohne Zweifel Amos selber
(Amos 7,8; 8,1-2). Sehr wahrscheinlich verfasste er seine Schrift nach seiner Ausweisung aus dem Nordreich. Als eine Art Flugschrift sollte sie weiter ein Weck- und Mahnruf sein für die Menschen, die seinem Wort nicht Gehör schenken wollten.
Ausser von einigen modernen Auslegern der Bibel wurde die Echtheit und Einheit des Buches nie bezweifelt.
BOTSCHAFT
Zweck der Botschaft des Propheten ist, Israels Gewissen zu wecken und das Volk aus seinem trügerischen Optimismus aufzuschrecken. Der Prophet besteht darauf, dass Gott gerecht ist und die Sünde nicht ungestraft lässt. Sein Gericht wird fortschreitend alle Nationen erreichen, Israel, das sich als auserwähltes Volk ausser dem Bereich der Vergeltung wähnt, mit inbegriffen. Nachdem er die Langmut und Geduld Gottes hervorgehoben hat, kündet Amos die Gerichte an, die Israel zu gewärtigen hat, falls es in seiner Verhärtung bleibt: Erdbeben, Zerstörung des Heiligtums in Bethel, Exil und Zerstreuung des Volkes.
So sicher die Zerstörung ist, so soll sie doch nicht endgültig sein. Eines Tages wird die Verbannung zu Ende sein, und der Herr wird Israel samt dem Königshaus David wiederherstellen.
Die Botschaft des Amos kann folgendermassen zusammengefasst werden: Je zahlreicher die Vorrechte, desto grösser die Verantwortung. Bereite dich, deinem Gott zu begegnen!
EINTEILUNG
Einleitung Amos 1,1-2
1. Gerichtsverkündigung über acht Nationen Kap. 1,3—2,16
Damaskus Amos 1,3-5 | Ammon Amos 1,13-15 |
Philister Amos 1,6-8 | Moab Amos 2,1-3 |
Tyrus Amos 1,9-10 | Juda Amos 2,4-5 |
Edom Amos 1,11-12 | Israel Amos 2,6-16 |
2. Drei Strafreden über Israel Amos 3-6
Züchtigung Israels, Zerstörung Samarias Amos 3
Verschärfte Mahnungen, besonders an die Amos 4
führenden KreiseHartnäckige Verstocktheit und unaufhaltbare Strafe Amos 5-6
3. Fünf Gesichte vom kommenden Gericht Amos 7,1 - 9,6
Die Heuschrecken Amos 7,1-3
Das Feuer Amos 7,4-6
Die Bleischnur: Amos 7,7-9
(Historischer Teil über Amos’ Ausweisung 7,10-17)
Die reifen Früchte Amos 8,1-14
Der Herr am Altar Amos 9,1-6
Schluss Amos 9,7-15
Läuterung des Volkes, neue Hoffnung und Heilsverkündigung
Schlüsselwort: Drohung
SYMBOLIK
Amos spricht eine gewaltige Bildersprache. Durch Gleichnisse, Allegorien usw. verkündet er die Gerichte Gottes. Hier seien nur die fünf Visionen erwähnt, die uns die fortschreitenden Gerichte Gottes schildern:
Die Heuschrecken | Amos 7,1-3 | Der Feind, der über Israel herfallen wird. |
Das Feuer | Amos 7,4-6 | Die grosse Dürre verödet das Land = Sinnbild der Plünderung durch Feinde. |
Das Senkblei | Amos 7,7-9 | Das Ende der göttlichen Langmut. |
Die reifen Früchte | Amos 8,1-14 | Das Volk Israel ist reif für das Strafgericht. |
Der Herr am Altar | Amos 9,1-6 | Gott selbst befiehlt die Vernichtung des Heiligtums mit all seinem Kult. |
VERSCHIEDENES
Erfüllte Prophezeiungen
Assyrische Gefangenschaft | Amos 5,27; 7,17 |
Errettung eines Überrestes | Amos 9,8b |
Zerstreuung über die ganze Erde | Amos 9,9 |
Wiederherstellung des Hauses David | Amos 9,11 |
Gottes Reich unter den Heiden | Amos 9,12 |
Rückkehr Israels nach Palästina | Amos 9,14 |
Praktische Lehren
Je grösser die Vorrechte, desto grösser die Verpflichtungen
(Amos 3,2).
Was ein Volk sät, das wird es ernten (Amos 1 und 2; s. auch Gal 6,7-8). Wer auf keinen Bussruf hört, muss darauf gefasst sein, Gott in seinem Gericht zu begegnen (Amos 4,12).