ALLGEMEINES
Das Buch Hiob trägt den Namen seiner Hauptperson. Dieser Name ist auf die hebräische Wurzel «ayab» zurückzuführen, deren Bedeutung «hassen, angreifen» oder «Feindschaft» ist.
Die Geschichtlichkeit der Person Hiobs ist mehrfach in Frage gestellt worden. Doch im Blick auf die Heilige Schrift glauben wir uns nicht zu täuschen, wenn wir behaupten, dass Hiob keine erdichtete Persönlichkeit ist, sondern ein Mensch, der tatsächlich gelebt und gelitten hat: vgl. Hes 14,14.20 und Jak 5,11. Von einer lediglich in der Einbildungskraft eines genialen Dichters entstandenen Figur hätte der Heilige Geist kaum in solchen Worten gesprochen.
Das Buch Hiob nimmt im alttestamentlichen Kanon eine einzigartige Stellung ein, sowohl was den Inhalt als auch was die Form anbetrifft. Und nicht nur das: durch seine Schönheit und dichterische Kraft darf es sich neben die besten Werke der Weltliteratur stellen. Inhaltlich bleibt es immer zeitgemäss; denn solange Menschen auf Erden leben, besteht die Frage nach dem Sinn des Leidens.
ZEITABSCHNITT
Hiob lebte sehr wahrscheinlich in der Zeit der Patriarchen. Dafür sprechen eine ganze Anzahl biblischer Beweise:
Die meisten im Buch vorkommenden Eigennamen:
Uz Hiob 1,1 1. Mose 10,23
Saba Hiob 1,15 1. Mose 10,28
Chaldäer Hiob 1,17 1. Mose 11,31
Eliphas Hiob 2,11 1. Mose 36,15
Suah Hiob 2,11 1. Mose 25,2
usw.
Der Reichtum Hiobs, der vor allem in Vieh bestand
(vgl. Abraham, 1. Mose 13,2).
Das hohe Alter, das Hiob den Patriarchen gleich erreichte
(Hiob 42,16).
Das Fehlen irgendwelcher Bezugnahme auf das Volk Israel; Hiob muss also vor Mose gelebt haben.
Die Erwähnung der aus der Geschichte Jakobs (l.Mose 33,19) bekannten Geldmünze «Kesita» (Hiob 42,11) mit Taler, Groschen usw. übersetzt.
Das Schreiben auf Stein mittels eisernem Griffel oder Meissei
(Hiob 19,24). Hiob scheint also ein Fürst, ein Patriarch (vielleicht ein nichtisraelitischer) gewesen zu sein. Auf jeden Fall war er eine angesehene Persönlichkeit.
VERFASSER
Der Verfasser ist im Buch selbst nirgends genannt. Die Tradition, wie sie im Talmud aufgezeichnet ist, lautet dahin, dass dieses Buch von Mose verfasst sei. Doch daran können wir uns nicht mit Sicherheit halten. Es herrschen verschiedene Ansichten, die alle mehr oder weniger begründet werden können:
Viele hervorragende Theologen führen das Buch auf die Zeit Salomos zurück (Luther zum Beispiel). Sie stützen sich auf die Tatsache, dass die Regierung Davids und Salomos die reichste Epoche, das goldene Zeitalter der hebräischen Literatur war (Psalmen, Prediger, Hohelied).
Andere berufen sich auf die Epoche Hiskias (im 8. Jahrhundert v. Chr.) als die Zeit des klassischen Hebräisch, das Zeitalter eines Arnos und Hosea, eines Jesaja und Micha.
Andere schliesslich glauben, dass das Buch aus der Zeit des Exils stamme, besser gesagt aus der Zeit nach der Rückkehr aus der Verbannung. Das wichtigste Argument für diese Auffassung ist die Erwähnung Satans im Buch Hiob. Ausser im Prolog unseres Buches ist nämlich nur noch in zwei andern alttestamentlichen Büchern der Name Satans genannt (Sach 3,1-2 und 1Chr 21,1).
Wir müssen uns wohl damit begnügen, anzunehmen, dass einst ein frommer Dichter die alte mündliche Überlieferung der Geschichte Hiobs in dichterischer Form abfasste. Der Verfasser war jedenfalls ein Israelit; denn das Buch trägt durchwegs den Stempel israelitischen religiösen Gedankengutes.
BOTSCHAFT
Das Hauptthema ist das Geheimnis des Leidens. Das Buch will die Frage lösen, wie die Leiden des Frommen mit der Gerechtigkeit Gottes übereinstimmen. Es hebt hervor, dass Leiden nicht unbedingt eine Strafe für begangene Sünden sind (Ansicht der Freunde Hiobs und allgemein verbreitete Ansicht in Israel); denn es gibt neben Strafleiden auch Lauterungsleiden (Ansicht Elihus) und Bewährungsleiden (Inhalt des Vorberichts und Nachberichts). Deshalb wird dem Leidenden der praktische Rat gegeben, sich ohne Auflehnung oder Hadern demütig der weisen Führung des Weltenschöpfers und Weltenleiters anzuvertrauen (Inhalt der Gottesreden).
EINTEILUNG
1. Die geschichtliche Einleitung Hiob 1-3
Hiob vor der Prüfung Hiob 1,1-5
Erste Szene in den himmlischen Örtern Hiob 1,6-12
Hiob bewährt sich in der ersten Prüfung Hiob 1,13-22
Zweite Szene in den himmlischen Örtern Hiob 2,1-6
Hiob bewährt sich in der zweiten Prüfung Hiob 2,7-13
Hiobs Klage Hiob 3
2. Redewechsel zwischen Hiob und seinen Freunden Hiob 4-37
1. Serie von Reden
Eliphas, Hiob, Bildad, Hiob, Zophar, Hiob Hiob 4-142. Serie von Reden
Eliphas, Hiob, Bildad, Hiob, Zophar, Hiob Hiob 15-213. Serie von Reden
Eliphas, Hiob, Bildad, Hiob Hiob 22-314. Serie von Reden
Elihu Hiob 32-37
3. Redewechsel zwischen Gott und Hiob Hiob 38-42,6
1. Offenbarung Gottes Hiob 38-40,2
Antwort Hiobs: Demütigung Hiob 40,3-52. Offenbarung Gottes Hiob 40,6 - 41,26
Antwort Hiobs: Busse Hiob 42,1-6
4. Nachwort: Hiob nach der Prüfung Hiob 42,7-17
Gebet für die Freunde
Rückkehr der alten Freunde
Verdoppeltes Gedeihen
Schlüsselwort: Leiden
SYMBOLIK
Christologie
Der Mittler (Schiedsmann Hiob 9,32-33; 33,23)
Der Erlöser (Hiob 19,25)
Das Lösegeld (Hiob 33,24)
Die Freunde Hiobs, Symbol der Anfechtung.
BESONDERE MERKMALE
Keine einzige Anspielung auf die Geschichte Israels oder das Gesetz Mose. Selbst der Name Jahwes, des Bundesgottes Israels, kommt im ganzen Buch nur ein einziges Mal vor (Hiob 12,9). Wenn sie von Gott sprechen, gebrauchen Hiob und seine Freunde immer den Namen Elohim.
Der ausschliesslich poetische Charakter des Buches, der Stil und Aufbau der Reden.
Die Zwiegespräche zwischen Gott und Satan.
VERSCHIEDENES
Die Ankläger Hiobs
ELIPHAS. Ein Rechtgläubiger, von strenger Moral, Anhänger einer toten Orthodoxie. Die Grundlage seiner Dogmatik ist ein nächtliches Gesicht (Hiob 4,12-21). Sein Argument ist folgendes: Leiden ist unfehlbar die Folge der Sünde; Hiob leidet, folglich soll er Busse tun und zu Gott zurückkehren.
BILDAD. Ein Philosoph, dessen ganze Weisheit sich auf die Überlieferung stützt (Hiob 8,8-10) und dessen Religion aus frommen Phrasen besteht. Sein Argument ist folgendes: Gott ist gerecht; antwortet er Hiob nicht, so hat er eben seine Gründe dafür; er kann nicht auf das Gebet eines Ungerechten antworten. Unabwendbar ist die Vergeltung, die des Bösen harrt.
ZOPHAR. Ein Hochmütiger, der unvernünftigste der drei Freunde, der sich rühmt, Gottes Wege vollkommen erkannt zu haben. Er behauptet, Hiob werde weniger hart bestraft, als er es verdiente, und das Leben des Bösen sei immer von kurzer Dauer.
ELIHU. Ein Selbstsicherer, der trotz teilweise richtiger Erkenntnis mit dünkelhafter Zuversichtlichkeit die Leiden Hiobs erklären will. Er tadelt Hiob wegen seiner vermessenen Reden wider Gott. Seine These lautet: Die Leiden offenbaren dem Menschen die ihm selber noch verborgenen Sünden und wollen ihn davon heilen. Die Leiden sind also eine Züchtigung, deren Gott sich zur Reinigung und Läuterung des Frommen bedient.