ALLGEMEINES
Dieses Buch gehört zu den fünf «Megilloth», den Rollen, die anlässlich der fünf grossen Feste alljährlich im Tempel vorgelesen wurden. «Der Prediger» wurde am Laubhüttenfest gelesen.
Der hebräische Name des Buches, «Koheleth» (Prediger 1,1.12; 12,8-9), wurde in der Septuaginta mit «Ecclesiastes» wiedergegeben. Die Ausleger sind sich über den Ausdruck «Koheleth» nicht einig. Am stärksten ist die Ansicht durchgedrungen, die in dem Wort die Bezeichnung eines berufsmässigen Predigers oder Redners sieht. «Koheleth» heisst wörtlich übersetzt auch: Amt der Leitung der Gemeinde. Warum der Verfasser unseres Buches diesen Namen trägt, ist nicht bekannt.
ZEITABSCHNITT
Einige Ausleger (Dr. J. Angus, Pfr. Dr. F. W. Weber u.a.) vertreten die Ansicht, dass das Buch ein öffentliches Sündenbekenntnis Salomos sei. Durch das Gerücht seiner Weisheit angezogen, befanden sich am Hof Salomos immer viele einheimische und ausländische Gäste. Diesen Besuchern sowohl als auch seinen Untertanen hatte der König durch seine Vielweiberei und sein üppiges Hofleben Anstoss gegeben. Am Ende seines Lebens hätte nun Salomo durch dieses öffentliche Bekenntnis sich vor seinem Volk und seinen Gästen demütigen wollen.
VERFASSER
Das Buch beginnt mit den Worten: «.Dies sind die Reden des Predigers, des Sohnes Davids, des Königs zu Jerusalem». Unter diesem Sohn Davids ist zweifellos Salomo zu verstehen. Wir schliessen das aus verschiedenen Stellen, die von der Pracht, den mannigfachen Vergnügungen und dem luxuriösen Leben des Verfassers sowie von seiner grossen Weisheit reden (Pred 1,16-17). Die jüdische Überlieferung nennt ausdrücklich Salomo als den Verfasser des Buches. Wenn also die Überlieferung zu allen Zeiten Salomo als Schreiber angibt, wird sie wohl gewichtige Gründe dafür haben. Viele Bibelausleger bezweifeln allerdings diese These. Ihre Haupteinwände sind folgende:
Der allzugrosse Pessimismus ist bei einem Salomo unverständlich und lässt eher auf die Zeit der Gefangenschaft schliessen.
Sprache und Stil lassen sich nicht vereinigen mit der Schreibweise Salomos; sie entsprechen viel eher jüngerer; alttestamentlichen Verfassern.
Der Inhalt des Buches, zum Beispiel die Klagen über die tyrannische Herrschaft der Könige, über die Korruption der Behörden usw., weist auf die Zeit des Exils hin.
Das Buch ist das Werk verschiedener Schreiber, zum Beispiel des Kollegiums des Hiskia. Die Schrift ist einfach Salomo zugeschrieben worden, um ihr mehr Gewicht zu verleihen.
Der Ausdruck: «Ich, der Prediger, war König über Israel» (Pred 1,12), ist der sicherste Beweis dafür, dass es sich nicht um Salomo handeln kann, da dieser bis zu seinem Tode König war.
Im Midrasch Koheleth (Kommentar zum Prediger, vor 1200 geschrieben) heisst es: Eine grosse Zahl gelehrter Rabbiner bezeugen die Tatsache, dass Salomo der Autor ist.
Der Targum, zusammengestellt im 6. Jahrhundert n. Chr., spricht ebenfalls von Salomo als dem Autor. Siehe auch das einhellige Zeugnis der frühen Kirche.
Im allgemeinen ist zu sagen, dass die Verfasserfrage keine Glaubensfrage darstellen kann. Es ist ja auch gut möglich, dass ein späterer Verfasser auf Grund von Tagebuchnotizen oder sonstigen Aufzeichnungen Salomos das Büchlein endgültig abfasste.
BOTSCHAFT
Das Buch zeigt uns vor allem, dass alle irdischen Dinge völlig unzulänglich sind, wo es sich um das wahre, bleibende Glück handelt.
Der Prediger geht von der Feststellung aus: «Es ist alles ganz eitel-», und schliesst mit der Ermahnung: «Fürchte Gott und halte seine Gebote» (Pred 12,13). Hier ertönt nicht die Botschaft des Gottesbundes oder der Erlösung, sondern das verzweifelte Rufen eines hoffnungslos enttäuschten Menschen. Das Buch offenbart wie kein anderes Buch der Bibel den totalen Bankrott des natürlichen Menschen ohne die Erlösung.
EINTEILUNG
Die Einteilung ist äusserst schwierig, da der Gedankengang keine strenge Folge aufweist. Nachstehendes ist lediglich ein Versuch:
Einleitung: Alles ist eitel unter der Sonne Pred 1,1-11
Beweise für diese Behauptung:
aus der Erfahrung Pred 1,12 - 2,26
aus der Beobachtung Pred 3,1 - 9,16
Anwendung oder Weisheitsregeln Pred 9,17 - 12,8
Schluss: Fürchte Gott und halte seine Gebote Pred 12,9-14
Schlüsselwort: Nichtigkeit
SYMBOLIK
Das Buch ist wie ein Kommentar zu dem Jesuswort: «Wer von diesem Wasser trinkt, den wird wieder dürsten.»
Die kleine Stadt (Pred 9,13-15) stellt in drastischer Weise die Heilsgeschichte der Welt dar:
Die kleine Stadt | = die Welt |
Der grosse König | = der Fürst dieser Welt |
Der arme, weise Mann | = Christus |
Die geretteten Stadtbewohner | = die undankbare Menschheit |
Der Säemann (Pred 11,1-6) ist ein Hinweis auf den Reichsgottesarbeiter, der den Samen des Gotteswortes in die Menschenherzen streut (vgl. Mt 13).
BESONDERE MERKMALE
Ausdrücke, die sonst nirgends in der Bibel Vorkommen:
Unter der Sonne 28 mal
Nichts Neues unter dem Himmel 3 mal
Nichts Neues auf der Erde 7 mal
Es ist alles ganz eitel 37 mal
Es ist eitel und Haschen nach Wind 37 mal
Der Name «Jahwe» ist nie erwähnt, der Verfasser gebraucht immer den Namen «Elohim».
Das Buch wird im Neuen Testament nirgends erwähnt.
Das Buch sagt nichts von der Erlösung, zeigt aber das grosse Bedürfnis der Menschenseele nach ihr.
VERSCHIEDENES
Der sittliche Wert des Buches ist oft angefochten worden. Es ist wahr, für uns Christen klingt vieles befremdend, vor allem die Lebensanschauung des Predigers. Es fehlt ihm eben die volle Offenbarung, die uns in Christus geschenkt ist und die allein eine befriedigende Lösung der Lebensrätsel geben kann.