ALLGEMEINES
Das Büchlein Ruth gehört zu den «fünf Büchern» (Megilloth), die an bestimmten Festen im Tempel vorgelesen wurden, nämlich: Hohelied, Ruth, Klagelieder, Prediger und Esther. Das Buch Ruth wurde anlässlich des Erntefestes vorgelesen.
ZEITABSCHNITT
Die Geschichte spielt sich zur Richterzeit ab (Ri 1,1), als eine Hungersnot im Lande herrschte (vgl. Ri 6,4). Es war eine Zeit der Unruhe und des Zerwürfnisses, und diese liebliche Begebenheit tritt um so heller hervor, als sie in einen solch dunklen Rahmen gestellt ist. Sie beweist, dass trotz allem noch eine Elite vorhanden war, die ihre Knie nicht vor Baal beugte.
VERFASSER
Der Verfasser ist unbekannt. Die Abfassungszeit ist nach der Richterperiode anzusetzen (da diese nach Rt 1,1 der Vergangenheit angehört), jedoch wahrscheinlich vor der Geburt Salomos, da die Stammtafel Rt 4,22 mit David abschliesst. Daraus ergibt sich, dass der Verfasser wohl ein Zeitgenosse Davids ist.
Der Talmud sowie viele Bibelausleger geben Samuel als Verfasser an. Die Erzählung ist nicht eine Legende, wie vielfach angenommen wird. Wer wäre auf den Gedanken gekommen, eine solche Episode zu erfinden, die weder dem Stolz eines Königshauses noch dem Nationalstolz Israels huldigt? Der Verfasser hätte kein Interesse gehabt, einer Heidin eine solche Rolle zuzuteilen. Vielmehr erkennen wir hinter dieser Geschichte den, der gerne das erwählt, was töricht und schwach ist vor der Welt.
Die Glaubwürdigkeit des Buches ist durch das Geschlechtsregister in Mt 1,5, worin Ruth, Boas, Obed und Isai genannt sind, bestätigt.
BOTSCHAFT
Es ist die Botschaft von der Gnade Gottes. Er ist der Gott der Witwen und Waisen, der mit den zwei armen, verlassenen Frauen eine besondere Geschichte anfängt, die Geschichte des Hauses David, aus dem später der Messias, der Erretter Israels, hervorgehen soll. Ferner bezeugt Gott, dass er nicht an Blut und Rasse gebunden ist, sondern dass sich seine Barmherzigkeit und sein souveränes Handeln auf alle Menschen erstreckt.
EINTEILUNG
Die Glaubenswahl Rt 1
Die Glaubensbewährung Rt 2-3
Die Glaubensbelohnung Rt 4
Schlüsselwort: Loskauf
SYMBOLIK
Der nächste Verwandte, der nicht loskaufen konnte (Rt 3,12; 4,6), ist ein Hinweis auf das Gesetz, das weder den Sünder retten noch ihm Leben spenden kann (Apg 13,38; Röm 8,3).
Boas war bereit, Ruth zu lösen, da der andere Verwandte nicht imstande war, es zu tun. Christus ist gekommen, zu schaffen, was das Gesetz nicht zu schaffen vermochte: die Erlösung der Menschheit.
Ruth, die nicht zum auserwählten Volk gehörte, ist ein Bild der Heidenchristen (Röm 9,25-26).
VERSCHIEDENES
Die drei Frauengestalten
ORPA, die Weltliche, deren Herz an ihrem Land und an dessen Götzen hing. Sie stellt den Menschen dar, der Ehre und Reichtum dieser Welt dem geistlichen Reichtum in Christus vorzieht (vgl. 2Tim 4,10).
RUTH, die Treue, die glaubende Frau, die bereit war, Heimat und Familie zu verlassen, um dem lebendigen Gott anzuhangen und zu dienen. Sie stellt den Menschen dar, der aus freiem Willen Jesus Christus erwählt. Ein solcher findet immer weit mehr, als er drangegeben hat (Mk 10,29-30; Phil 3,8; Kol 2,9-10, Menge).
NAEMI, die Abgefallene und Zurückgekehrte, die eine Zeitlang das Land ihres Gottes verliess, um im Feindesland zu wohnen. Sie stellt den Menschen dar, der den guten Weg verlässt, der aber nach der Leidensschule im Moabiterland (der Welt) wieder zu Gott zurückkehrt.