ALLGEMEINES
Der Name Haggai kann mit «Festlicher» oder «Festfeiernder» übersetzt werden. Haggai nennt sich den Boten des Herrn (Hag 1,13; Luther: Engel) und ist nach Hag 2,3 wahrscheinlich schon vor dem Exil geboren, so dass er die Grösse und Herrlichkeit des Salomonischen Tempels noch miterlebte. Er kehrte mit den ersten Rückwanderern unter der Führung Serubabels und Jesuas nach Jerusalem zurück (Esra 2,1; 2). Seine Herkunft und Lebensgeschichte ist uns völlig unbekannt.
ZEITABSCHNITT
Im 1. Jahr des Königs Kores (Cyrus) von Persien (538) war den Gefangenen aus Juda und Israel die Rückkehr in ihr Land gestattet worden. Kores hatte diese Erlaubnis gegeben aus Ehrfurcht vor dem Gott des Himmels, der in Jerusalem verehrt wurde. Er hatte den rückkehrenden Juden ausdrücklich geboten, dem Herrn in Jerusalem wieder einen Tempel zu bauen (Esra 1,1-4), die Bestreitung der Kosten aus den Einkünften des Königs verordnet und die von den Chaldäern geraubten heiligen Gefässe zurückgegeben (Esra 1,7-11). Der Hohepriester Jesua, Sohn des in die Gefangenschaft geführten Hohenpriesters Jozadak, und Serubabel führten eine Gruppe von Gefangenen aus Juda, Benjamin, Levi und andern Stämmen, zusammen 42 360 Mann (Esra 2,64), zurück; sie gingen sogleich an die Errichtung des Brandopferaltars und begannen am l.Tag des 7. Monats desselben Jahres mit der Feier der täglichen Opfer (Esra 3,1-6). Im folgenden Jahr wurde mit gleichem Eifer der Grund zum neuen Tempel gelegt (Esra 3,8-13). Aber schon im dritten Jahr des Königs Kores (Esra 4,2) trat eine Störung ein: Die im Land Israel sesshaften fremden Samariter, die das Gesetz Moses nicht hielten, begehrten an dem neuen Tempel im heidnischen Sinne, als einem Tempel der Landesgottheit, Anteil zu haben. Als Serubabel an der Spitze der Ältesten ihnen dies mit Recht abschlug, verklagten sie die Juden bei Kores. Die Ankläger konnten sich auf die Treulosigkeit, welche die Juden unter ihren letzten Königen den Chaldäern gegenüber bewiesen hatten, berufen, und es gelang ihnen, den Weiterbau des Tempels unter Kores und seinen Nachfolgern zu verhindern (Esra 4). Die Juden selbst wurden lässig, und anstatt auf eigene Kosten den Tempelbau fortzusetzen, dachten viele nur daran, sich selbst bequeme Wohnungen einzurichten
(Hag 1,4). Erst im zweiten Jahr des Königs Darius wurde der Tempelbau neu in Angriff genommen, und zwar auf Anregung der Propheten Haggai und Sacharja hin (18 Jahre nach der Rückkehr,
520 v. Chr.). Darius wurde davon unterrichtet, und nachdem er erkundet hatte, dass Kores den Bau befohlen und begünstigt hatte, förderte er ihn ebenfalls und verordnete, in seinem Namen und auf seine Kosten dem Gott des Himmels in Jerusalem Opfer darzubringen (Esra 5,1 - 6,12). So wurde im sechsten Jahr des Darius am dritten Tag des zwölften Monats der Tempel des Herrn vollendet und im nächsten Monat durch die erste Passahfeier eingeweiht
(Esra 6,14-22). In diesen entscheidenden Zeitpunkt fällt die prophetische Wirksamkeit des Propheten Haggai.
VERFASSER
Haggai ist ohne Zweifel der Verfasser der Prophetenschrift gleichen Namens. Sein Stil ist einfach, knapp, beinahe militärisch.
Gegen die Echtheit des Buches können keine stichhaltigen Einwände vorgebracht werden.
BOTSCHAFT
Die Botschaft Haggais ist ein kräftiges Nein gegen die Ausflüchte der Zurückkehrenden, die sich durch materielle Schwierigkeiten und äussere Anfechtungen am Tempelbau hindern liessen, sowie gegen die Kompromisse mit den in Jerusalem wohnhaften Heiden. Nicht die materielle Not, sondern Selbstsucht und Eigenliebe sind die eigentlichen Hindernisse. Nicht weil schwere Zeiten sind, kann man keine Opfer bringen; sondern weil man keine Opfer bringt, sind schwere Zeiten. Nicht Begeisterung (wie sie bei der Rückkehr vorherrschte) verlangt Gott von seinem Volk, sondern Hingabe, Glauben und Opferfreudigkeit. Dann wird der Herr bewirken, dass die Herrlichkeit des zweiten Tempels die des ersten weit übertrifft.
EINTEILUNG
1. Ein Wort der Ermahnung Hag 1
Die Veranlassung: Hag 1,1-6
Vernachlässigung des Tempelbaues
Die Erklärung: Mangel an Opferfreudigkeit Hag 1,7-11
Die Frucht: Erweckung und Gehorsam Hag 1,12-15
2. Ein Wort der Ermunterung Hag 2,1-9
Die Versuchung: Aufs Sichtbare sehen Hag 2,1-3
Der Befehl: Arbeitet, denn ich bin bei euch Hag 2,4-5
Die Verheissung: Die Herrlichkeit des Herrn Hag 2,6-9
3. Ein Wort des Segens Kap. 2,10-19
Die Bedingung: Heiligung, Reinigung Hag 2,10-14
Das Erziehungsmittel: Materielle Not Hag 2,15-17
Die Gewissheit: Sichtbare Erfüllung Hag 2,18-19
4. Ein Wort der Weissagung Hag 2,20-23
Der Untergang der heidnischen Reiche Hag 2,20-22
Die Aufrichtung des messianischen Reiches Hag 2,23
Schlüsselwort: Erweckung
CHRISTOLOGIE
Das Siegel. Die 4. Prophezeiung des Haggai (Hag 2,21-23) wendet sich an Serubabel und durch ihn hindurch an Christus selbst. Serubabel war ein Prinz vom Hause David; er hatte die Rückkehr aus der Verbannung geleitet und den Tempel erbaut. In alledem versinnbildlichte er die Person Jesu Christi, Diener des Herrn, Siegel in der Hand des Vaters, «Abbild seines Wesens» (Heb 1,3 Menge). Dieses Wort bedeutet den Abdruck, der mit einem Siegel auf Wachs gemacht wird.
BESONDERE MERKMALE
Redewendung:
Schaut, oder seht, wie es euch geht! Hag 1,5.7; 2,15.18.
Genaue Daten der Reden:
VERSCHIEDENES
Kennzeichen einer Erweckung
Aufmerksames Hören auf das Wort Gottes Hag 1,12a
Aufrichtige und tiefe Gottesfurcht Hag 1,12b
Gewissheit der Gegenwart Gottes Hag 1,13
Sofortiger, tätiger Gehorsam Hag 1,14
Heiligung (Meiden des Unreinen) Hag 2,10-14
Praktische Lehren
Vernachlässigung der Sache Gottes und gleichzeitiges Bauen am eigenen Glück bedeutet Gefahr für das geistliche Leben
(Hag 1,4-6 usw.).
Wer zuerst Gottes Reich und seine Gerechtigkeit sucht, wird nicht Mangel leiden (Hag 2,8).
Das Bewusstsein der Gegenwart Gottes ist unsere Kraft im Widerstand (Hag 2,4).
Die Heiligung ist unerlässlich — das Dulden auch kleinster Sünden ist unrecht und gefährlich (Hag 2,10-14).